Die Familie Podujeva gehört zu den ersten Flüchtlingen in der Sammelunterkunft in Obertalheim. Foto: Hopp

Geflüchtet aus dem Kosovo, gelandet in Obertalheim. Erst im real-Markt werden sie herzlich empfangen. Mit Kommentar.

Horb-Talheim - Sie suchen Schutz, ein besseres Leben und ein bisschen Menschlichkeit – die Flüchtlinge von Talheim. Seit Dienstagmittag sind sie da. Von Horbs viel beschworener Willkommenskultur war lange nichts zu sehen.

Deshalb war am Dienstag Yll Hasani aus Ludwigsburg der einzige, der sich privat um die frisch angekommenen Flüchtlinge kümmerte. Er sagt: "Ich wusste, dass mein Schwager Saimir Qorri am Dienstag ankommt. Da bin ich seit 6 Uhr in der früh von Karlsruhe bis hier her ihm und seiner fünfköpfigen Familie gefolgt."

Um die Mittagszeit im Horber Rathaus. Bürgermeister Jan Zeitler und Gisela Höpfer, Stadt-Mitarbeiterin unter anderem für bürgerschaftliches Engagement und die Kulturbrücke, besprechen sich. Thema: Müssen wir noch etwas für die Flüchtlinge tun? "Wir haben uns dann entschieden, nichts zu tun, um die Flüchtlinge nicht zu überfordern. Der Landkreis hat uns gesagt, dass alles vorbereitet wird", erzählt Gisela Höpfer später unserer Zeitung. Ungefähr zur selben Zeit kommen die 20 Flüchtlinge in Obertalheim an. Hier werden sie von Ortsvorsteher Thomas Staubitzer begrüßt. Doch sie sind hungrig. Es ist nichts da. Und der Bus fährt erst um 16 Uhr Richtung Horb. Erst dann heißt es: Einkaufen. Zurück. Kochen und endlich was essen.

Es ist gegen 14.30 Uhr, als das Schwabo-Team vorbeischaut. Die Sonne scheint, die Kinder spielen Fußball auf dem Hof. Neben Landkreis-Mitarbeiter Günther ist noch ein Kollege da. Sie haben die Flüchtlinge eingewiesen, die Essensgutscheine verteilt.

Auch Michael Pantelic redet mit den frisch angekommenen Flüchtlingen. Er macht gerade eine Hospitation beim Landkreis und hofft, eine der ausgeschriebenen Stellen als Heimverwalter zu bekommen: "Als ich gehört habe, dass heute die Flüchtlinge ankommen, hab ich gefragt, ob ich das miterleben kann."

Er durfte. Jetzt steht er neben einem Flüchtling und klärt seine Fragen: Wie das mit den Einkaufsgutscheinen geht? Warum er nur einen Zettel als Ausweisersatz hat. Wo er einkaufen darf ("Laut unserer Akzeptanzliste für die Wertgutscheine nur beim real in Horb.")

Die kleine Tochter von Saimir nimmt einen Keks aus der Tüte, den das Schwabo-Team ihr anbietet. Sagt artig: "Danke." Auch die Wasserflaschen, die die Schwabo-Fotografin aus ihrem Auto holt, werden dankbar angenommen. Einer der Landkreismitarbeiter sagt: "Mich wundert schon, dass es keinen Freundeskreis Asyl gibt, der die Menschen empfängt. Woanders im Landkreis hat das immer reibungslos geklappt."

Hasani hat das, was sich die Flüchtlinge erhoffen, schon miterlebt. Der Lagerist sagt: "Ich habe vor 13 Jahren dieselbe Erfahrung gemacht. Mit meiner Mutter sind wir nach Deutschland nach dem Krieg hergeflohen. Karlsruhe-Reutlingen-Möglingen/Ludwigsburg. Nach vier Jahren hat meine Mutter die Aufenthaltserlaubnis bekommen. In der Schule habe ich Deutsch gelernt, eine Ausbildung gemacht und einen Aufenthaltstitel bekommen."

Und darauf hoffen auch die Neuankömmlinge. Bekim Hassan ist Angehöriger der Aschkari-Minderheit im Kososvo. Hat dort schon als Fliesenleger, Laminat-Verleger, Gipser und Maurer gearbeitet. Er sagt: "Das Leben dort ist sehr hart – als Aschkari stehst Du auch lohnmäßig eine Stufe unter den Albanern. 15 Stunden Arbeiten und 10 Euro Lohn, damit kann man keine Familie ernähren."

Auch Kujtim Podujeva ist mit seiner Familie geflüchtet. Er will versuchen, so schnell wie möglich Arbeit hier in Deutschland zu finden, um nicht von der Sozialhilfe abhängig zu sein. Und Saimir Qorri flüchtete vor den "massiven Problemen" dort unten. Welche das sind, will er nicht sagen. Er hofft aber, dass er in Deutschland leben darf, Arbeit findet und für seine Familie sorgen kann.

Und wie gefällt ihnen die Notunterkunft in Obertalheim? Qorri: "Das ist leider sehr dorfmäßig hier. Es gibt –außer dem Bäcker – keinen Laden, zu dem man laufen kann."

Jetzt haben er und seine Familie fünf Feldbetten mit lustiger grüner Fußball-Bettwäsche. Abgegrenzt vom Essensraum mit doppelter grauer Baufolie. Es ist schön warm hier im ehemaligen Klassenzimmer. Qorri: "Das ist viel besser als im Heim, wo wir waren. Dort sind die Zimmer viel enger."

17 Uhr. Der real-Markt in Horb. Ein Bus hat die Flüchtlinge zum Einkaufen gefahren. Nachdem der Auftakt schiefgelaufen ist, wurde dieser kurzfristig von der Stadt Horb organisiert, berichtet Höpfer. Aufgrund eines Anrufs des Schwarzwälder Boten ist auch Viviana Weschenmoser vor Ort. Die SPD-Gemeinderätin hatte angeregt, einen Arbeitskreis Asyl einzurichten. Gegen 17.30 Uhr taucht auch Gisela Höpfer auf.

Und die Flüchtlinge von Obertalheim packen sich die Einkaufswagen voll. Höpfer: "Wir waren völlig überrascht, dass die Versorgung in Obertalheim noch nicht steht. Ich bin sehr frustriert, wie das heute gelaufen ist. Die Zusammenarbeit war schlecht. Wir haben uns zu sehr auf das Landratsamt verlassen." Dann macht sie mit real-Geschäftsführer Frank Hagedorn klar, dass Weschenmoser einen Willkommensgruß auf Rechnung ans Rathaus kaufen kann. Sie sagt: "Uns ist daran gelegen, aus diesem ersten Tag zu lernen."

real-Manager Frank Hagedorn ist da flexibler: Er hatte extra für die Flüchtlinge eine Kasse klargemacht, damit sie trotz komplizierter Gutschein-Abrechnung in Ruhe einkaufen können. Schlägt Gemeinderätin Weschenmoser vor, ob man mal mit dem Tafelladen reden könnte: "Die holen immer Lebensmittel bei uns ab. Reden Sie mal mit denen, ob die nicht auch eine Runde über Obertalheim machen können."

Und als er hört, dass es in der Notunterkunft in Obertalheim zwar Kühlschränke, Küche und Duschcontainer für die Flüchtlinge gibt, aber keine Putzmittel, geht er spontan ins Regal. Und packt den Familien noch ein Kehrset mit Wischmopp und Co. in die Einkaufswagen. Hagedorn lächelt: "Wir sind halt die Samariter vom Hohenberg."

Kommentar: Beschämend

Florian Ganswind

Fremdes Land, fremder Ort, leere Mägen: Flüchtlingsfamilien sind am Dienstag in Talheim eingetroffen. Sie wurden von Ortsvorsteher Thomas Staubitzer und Landkreisvertretern begrüßt. Hände wurden geschüttelt. Doch der Hunger blieb. Denn nichts war vorbereitet. Die Stadtverwaltung hat sich auf das Landratsamt verlassen. Die Schuld wegzuschieben, ist aber zu einfach. Das Motto "Doppelt hält besser" trifft auch hier zu. Oder: "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser."

Nun zeigt sich: Die Gründung des Arbeitskreises Asyl hat zu lange gedauert. Die Flüchtlinge sind schon da, die erste Sitzung ist am Donnerstag. Selbst am Dienstagmittag wurde im Rathaus noch überlegt, ob man was tun sollte. Bei offiziellen Empfängen überlegt man nicht lange: Da stehen die Häppchen bereit. "Wir wollen die Flüchtlinge willkommen heißen", lautete die Devise vor ein paar Tagen. Die Realität: beschämend!