Kennt sich aus: Gerhard Fassnacht. Foto: Hopp

"Knöllchen" gegen Vorsitzenden des Kreisbauernverbands entpuppt sich als amtliche Wissenslücke.

Horb - Landwirte liefern anscheinend alles. Milch, Eier, Fleisch, immer öfter Energie und seit Dienstagnachmittag auch Vorlesungen zum Thema Führerscheinklassen.

Gerhard Fassnacht, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes und Horber CDU-Gemeinderat, wurde am Dienstagnachmittag von Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick nicht zu einem Bußgeld verknackt, wie es ein Staatsanwalt aufgrund einer Anzeige eines Polizisten vielleicht gerne gesehen hätte, sondern mit den Worten nach Hause geschickt: "Vielen Dank für Ihre Belehrung – Sie sollten eine Informationsveranstaltung für Ihre Kollegen planen und uns Juristen dazu einladen. Wir kommen auf jeden Fall."

Ein Strafbescheid, gegen den Fassnacht aus dem Bauch heraus – ohne juristische Beratung, doch auf Basis des gesunden Menschenverstands – Widerspruch eingelegt hatte, war damit vom Tisch.

Irgendwie erinnerte diese Gerichtsverhandlung stark an das "Königlich bayrische Amtsgericht", bei dem die Fälle ebenfalls oftmals seltsame Wendungen nahmen. Man könnte hier mit Verlaub fast schon sagen, dass es Staatsanwalt Paul Trick und Richter Albrecht Trick quasi den Trick vermiest hat, so stichhaltig argumentierte der vermeintliche Verkehrssünder vor den beiden Juristen.

Ihm wurde zur Last gelegt, dass er, ohne die richtige Fahrerlaubnis mitzuführen, am 6. Juni mit einer landwirtschaftlich genutzten Zugmaschine, die ein Gewicht von mehr als zehn Tonnen auf die Waage bringt, und einem ebenfalls landwirtschaftlich genutzten Anhänger, der nochmals über vier Tonnen wiegt, auf der Böblinger Straße im Stadtteil Altheim unterwegs war.

Eine Polizeistreife, unter anderem mit einem sehr erfahrenen Beamten besetzt, der dieser Tage in Rente geht, fuhr hinter dem Gespann her und sah sich in der Pflicht, den Fahrer zu überprüfen. Für den Landwirt kein Problem – glaubte er zumindest. Er zeigte seinen Führerschein der Klasse I und II (Klasse II ist heute Klasse C) vor und meinte, damit sei die Überprüfung erledigt. Aber Pustekuchen. Fassnacht ist über 50 Jahre, und wer den Führerschein der alten Klassen I und II besitzt und diesen nach seinem 50. Geburtstag für weitere fünf Jahre nutzen möchte, muss ein amtsärztliches Attest samt augenärztlicher Bescheinigung vorlegen. Dies hat der Landwirt nicht gemacht, weshalb ihm für dieses vermeintlich fahrlässige Führen eines Fahrzeugs, ohne die entsprechende Fahrerlaubnis zu besitzen, ein Strafbefehl ins Haus flatterte.

Gezahlt hat er nicht, sondern sich beim Landratsamt Rottweil erkundigt. Er wurde in seiner Annahme, dass derjenige, der einen Führerschein I und II hat, auch automatisch im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse T ist, bestärkt. Mit der Klasse T können Zugmaschinen (nationale Klasse) mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 60 km/h gefahren werden, ohne dass eine Altersbeschränkung vorliegt, denn die Klasse T ist unbefristet gültig.

"Heute hat jeder, der einen Führerschein der Klasse III besitzt, auch automatisch den T-Führerschein", erklärte der Landwirt den Juristen, die sich schnell im Internet schlau machten. "Wenn dem nicht so wäre, dann hätte niemand das Recht, mit einem Anhänger zu fahren", schob der Beklagte nach und fügte an, dass heute ein Lkw-Führerschein bis zu 10 000 Euro kostet. "Deshalb macht in unserer Branche niemand mehr den FS Klasse C, sondern nur noch die Klasse T."

Da sowohl Richter als auch der Anklagevertreter feststellen mussten, dass der Landwirt in diesem Fall mehr Ahnung hatte als sie, einigten sich die Juristen darauf, das Verfahren einzustellen. Der Staatsanwalt tat dies sehr ungern, das merkte man ihm an. Er führte noch ins Feld, dass der Anhänger anscheinend kein gültiges Folgekennzeichen hatte und stellte vorwurfsvoll fest: "Wenn Sie so unschuldig sind, dann müssten wir sie ja freisprechen." "Ja, dann machen Sie es doch, denn ich bin unschuldig. Ich darf mit dem Gespann bis 60 km/h fahren und habe somit an diesem Tag nichts verbrochen", so das persönliche Fazit eines Mannes, der die Juristen durch das Dickicht des EU-angeglichenen Führerschein-Dschungels führte. "Das ist alles viel zu kompliziert. Wie sollen es die Leute auf der Straße verstehen, wenn schon wir hier Probleme haben", gab der Amtsgerichtsdirektor zu. Er hofft, dass das Weiterbildungsseminar in würziger Landluft bald stattfindet.

Denn wer weiß, wie viele fleißige Polizisten die Landwirte, die gerade im Erntedauereinsatz die Straßen bevölkern, noch nach dem passenden Führerschein fragen. Und was dabei herauskommt, das erlebte man gestern.