Rock’n’Roll und drehende Hähnchen auf dem pickepackevollen Rauschbart / "Das Zwiebel" heizt für die Rock-Mädels ein

Von Peter Morlok

Horb. Wenn "Das Zwiebel" auf dem Biertisch steht und "Halbstark" in seiner ganz eigenen Fassung grölt und hinterher die Ladys von Falten/Rock mit "TNT" um sich schmeißen und dabei das gefühlt halbe Schwabenland unterhalten, dann ist Rock‘n‘Roll auf dem Rauschbart angesagt.

Die beiden Gruppierungen aus dem Westmünsterland starteten am Freitagabend mit Instrumenten, Stimme, ordentlich Durst und noch mehr Lebensfreude einen Großangriff auf Horbs heiligem Biergartenberg, der sich wirklich gewaschen hatte. Die gesamte Lautsprechertechnik war auf "Stadion" eingestellt, und selbst im hintersten Winkel des mehr als gut besetzten Biergartens konnte man den Sound zumindest noch ordentlich bis sehr deutlich hören.

"Das Zwiebel" heißt mit bürgerlichem Namen Andres Swiatlowski, ist ein klein wenig tätowiert und vielleicht auch klein bisschen – im positiven Sinne – verrückt. Die fünf Damen von der Falten/Rock-Band hatten ihn als Support mitgebracht und haben mit dem jungen Mann zumindest den Leuten, die sich in der deutschen Rockgeschichte etwas auskennen, eine echte Freude gemacht.

Gerade "Halbstark", im Original von den "Yankees" am 25. September 1965 als erstes Lied im damaligen "Beat Club" über das schwarz-weiß-Netz der Fernseher ausgestrahlt, 50 Jahre später in ganz eigener Hip-Hop-Fassung zu hören, war ein echter Leckerbissen, der den Rauschbart-Göckele locker den Rang ablief.

"Das Swiatlowski-Zwiebel" ist ein echtes Allroundtalent, das gleichzeitig Mundharmonika (Harp), Gitarre und zwei Cajons – eines davon als Bass-Drum, das andere als Snare ausgelegt – spielt und mit besonderen Entertainer-Qualitäten zu überzeugen weiß.

Am Keyboard wurde er von seinem Bocholter Kumpel "Beamer" begleitet, der die Zwiebelmugge noch ordentlich aufmotzte. Alles in allem ein recht ungewöhnliches Duo, dass jedoch mit Witz und Spielfreude real zu überzeugen wusste.

Eigentlich war es deshalb schon irgendwie schade, dass die Muttis von "Falten/Rock" ihre Pommes Rot/Weiß aufgegessen hatten, spontan und mitten im Lied die Bühne stürmten und ihre beiden männlichen Mitbringsel recht unsanft von der selbigen schmissen.

Aber ab diesem Moment gab‘s kein Halten mehr. Während sich Drummerin Edda Tebartz, im bürgerlichen Leben Mitinhaberin des Schuhgeschäftes "Stöckelwild" die Seele aus dem Leib trommelte, ihre Kollegin von der Grooveabteilung, Astrid "Higbert" Florack, die fetten Basssaiten zupfte und Sängerin Anni "Hannes" Oenning im eng sitzenden Jeansrock (nix war‘s mit Faltenrock) die Texte ins Mikro schrie, tanzten die beiden E-Gitarristen Katharina Neuenhaus, die in Hotpants antrat, die ihr in Altheim ein sofortiges Schulverbot für alle Zeiten eingebracht hätte, auf dem Rauschbart jedoch die Blicke vieler Männer auf sich zog und ihre E-Gitarrenschwester Gabi "The Gäyb" Frentzen echt aus der Reihe.

Ständig auf Achse, vor der Bühne, auf dem Boden, im Publikum und Seite an Seite mit "Beamer" sorgten sie für eine Show, die sich wirklich sehen lassen konnte.

Gabi "The Gäyb" spielte ein hartes Brett auf ihrer "Paula", wie die Gibson Les Paul in Musikerkreisen gern genannt wird, und sorgte so für das rockige Element im musikalischen Part. Spieltechnisch waren die Ladys nicht wirklich ganz oben angesiedelt, aber das verlangte oder erwartete auch niemand von fünf Frauen, die ihre Musik nur aus Spaß an der Freude machen, sich ansonsten in so bürgerlichen Berufen wie Redaktionsleiterin, Fotografin, Buchhalterin oder Hausfrau abmühen. Sichtlich wohlfühlen tun sie sich auf der Bühne. Da lassen sie es richtig krachen, nehmen ihr Publikum mit in die Welt der harten Töne und das die Herren Young von AC/DC ihre Idole sind, daraus machen sie kein wirkliches Geheimnis.

Man kann ohne Übertreibung behaupten, dass das ein Gig war, der richtig Laune auf mehr, auf noch mehr Hard-Rock, Falten- oder Minirock machte, die Westfalen aber die Latte der brachialen Abendunterhaltung im Freien gleich bei ihrem Horber Debüt recht hoch legten.