Abschied mit Pauken und Trompeten: Alfred "Ali" Gunkel scheidet nach 46 Jahren aus dem Polizeidienst aus

Von Eberhard Wagner

Horb. Ein echtes Urgestein sagt Adieu: Der Horber Polizist Alfred Gunkel feierte am vergangenen Samstag seinen Abschied vom aktiven Dienst.

Begleitet von seinen Kollegen, Freunden und zahlreichen Weggefährten, lief Gunkel von seinem Polizeirevier in Horb bis zum Steinhaus, wo er mit seinen Gästen einen Ehrenabend feierte. Gunkel führte dabei seine Gäste und eine musikalische Abordnung der Stadtkapelle von der Neckarstraße durch das Mühlgässle und die Hirschgasse hinauf; viele Bürger, die in diesem Bereich am Abend unterwegs waren, winkten dem Polizisten zum Abschied zu.

Die meisten Menschen in Horb und Umgebung kennen den Polizeioberkommissar (POK) einfach nur als "Ali". Vor 14 Tagen feierte Gunkel seinen 63. Geburtstag. Sein 46 Jahre anhaltender Polizeidienst begann Gunkel als 17-jähriger im badischen Lahr, wo er am 7. Oktober 1968 die Ausbildung bei der dortigen Bereitschaftspolizei antrat. Bereits am 1. Oktober 1971 trat Ali Gunkel seinen "Einzeldienst" im Polizeikommissariat in Horb an, wo er bereits zum 1. Juni 1992 als Dienstgruppenleiter (DGL) eingesetzt wurde. Nach dem Lehrgang in Freiburg begann er am 1. Juli 1996 seine Laufbahn als Kommissar im sogenannten "gehobenen Dienst". Die Ernennung zum Polizeioberkommissar folgte am 1. Juni 2000.

Erlebnisreiche Jahre liegen hinter dem altgedienten POK, die ihm allerdings niemand ansieht. "Es war mein Wunschberuf", sagt Ali Gunkel zurückblickend. Schöne Erinnerungen und Ereignisse blieben Ali Gunkel dabei ebenso im Gedächtnis wie die schrecklichen Geschehnisse, denen er als Polizist begegnete: "Schwere Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang, vor allem auch, wenn Kleinkinder unter den Opfern sind, machen einem Polizisten natürlich sehr zu schaffen", sagt Gunkel. "So etwas muss jeder für sich allein verarbeiten." In seiner langen Dienstzeit reihten sich Schlägereien, Familienstreitigkeiten (wo man sogar nicht selten auch einmal eine Ehefrau in Gewahrsam nehmen musste) an Routineeinsätze wie Sachbeschädigungen, Vorfälle mit Alkoholismus oder Drogenkonsum, Ladendiebstähle, Einbrüche und Ruhestörungen. Aber auch bei Selbstmord, Vergewaltigung und Mord mussten erste Ermittlungen stets über den Polizisten vor Ort aufgenommen werden. "Manchmal jedoch waren viele Ereignisse weniger dramatisch – oft war ich einfach nur ›das offene Ohr‹ für einen hilfesuchenden Anrufer", erinnert sich Gunkel.

Von den 46 Dienstjahren leistete Ali 43 Jahre allein in Horb ab – da war es nur natürlich, dass er seine "Pappenheimer" kannte. "Manchmal erkannte ich bereits am Anruf, ohne dass ein Name genannt wurde, zu wem welches Delikt ›wie die Faust auf’s Auge passt‹, schmunzelt Ali. "Natürlich ersetzt ein solcher Verdacht nicht die wahre Ermittlung."

Meistens lag er mit seinen Prognosen richtig. Ali kennt die Verstecke, wo sich ein ganz bestimmtes "Kundenklientel" herumtreibt und wusste stets, wo er mit seinen Ermittlungen beginnen muss. Gerade deshalb war Ali Gunkel auch bei seinen jungen Kollegen geschätzt und beliebt: Sie profitierten von seiner langjährigen Diensterfahrung und seiner ruhigen, besonnen Art, ganz bestimmte Vorfälle ruhig anzugehen.

"Das schlimmste Ereignis, mit dem ich konfrontiert wurde, war noch in der Einsatzhundertschaft in Lahr", erinnert sich Ali an ein besonders schlimmes Ereignis. "Wir wurden zu dem schwersten Eisenbahnunglück nach dem Krieg beordert. Am 21. Juli 1971 bei Rheinweiler im Badischen entgleiste der "Schweiz-Express". 23 Menschen kamen dabei um; über 120 Menschen wurden verletzt. "Während unserem Einsatz waren die Schreie der Verletzten und Sterbenden zu hören. Das musste erst verarbeitet werden."

Aber auch über Ereignisse, die später eher für Erheiterung sorgten, kann er berichten: "Einmal waren wir in tiefstem Winter zu einem Verkehrsunfall nach Lützenhardt unterwegs; die Straßen waren tief verschneit. Beim Sonnenhof versagte unser Streifenwagen den Dienst, die Räder rutschten durch, ein Vorwärtskommen war nicht mehr möglich. Die Unfallbeteiligten kamen zu Hilfe und schoben das Dienstfahrzeug zirka 200 Meter bergauf zum Unfallort. Ein anderes Mal bin ich im Eifer des Gefechts , um einen mutmaßlichen Vergewaltiger festzunehmen, mit einer umgehängten Maschinenpistole in ein falsches Haus eingestiegen. Natürlich geschah dies zur Nachtzeit. Drinnen im Haus vernahm ich eine resolute Frauenstimme, die lautstark ›Was ist da los‹ schrie. Ich gab mich zu erkennen und rief zurück: ›Hier ist die Polizei und wir suchen den XXX.‹ Erstaunlicherweise zeigte sich die Dame nicht erschrocken, und nachdem sie vom Wahrheitsgehalt meiner Worte überzeugt war, gab sie uns den entsprechenden Hinweis, dass der Täter im Haus gegenüber wohnt. Die Festnahme führte nach dieser kleinen Verzögerung dann doch noch zum Erfolg."

Ali Gunkel erlebte den Verlauf des Fortschritts der Technik der Polizei wie im Zeitraffer: „Beginn wurde der Vorkommnisbericht noch von Hand geschrieben", erinnert sich Gunkel. "Später kam dann der 7-fach-Satz, der noch mit Schreibmaschine auszufüllen war. Dabei mussten verschiedene Buchstaben und Zahlen wie etwa o, a oder Null so hart angeschlagen werden, dass die ersten Seiten prompt durchlöchert wurden. Heutzutage, im Computerzeitalter, funktioniert das meiste papierlos. Mittels Intranet sind alle Polizei-Computer in Baden-Württemberg verbunden, so dass gleichzeitig mehrere Kollegen am gleichen Fall arbeiten können, egal an welchem Dienstort sie sich befinden."

Auch sei der "Einsatzrechner", der sofort die Lage des Tatortes anhand von Landkarten und Luftbildern auf den Bildschirm projiziert, zu einer sehr sinnvollen Hilfe für die Beamten geworden. "So kann jederzeit schnellste Hilfe an den Einsatzort geleitet werden. Gleichzeitig ist jetzt die Funkleitzentrale in Tuttlingen immer auf dem Laufenden und kann Hubschrauber, weitere Kräfte sowie Hilfsorganisationen hinzu beordern."

Der letzte Weg in Uniform am vergangenen Samstag war für Alfred "Ali" Gunkel und für alle Beteiligten ein besonderer Moment.