Die Streetworker Rüdiger Holderried (links) und Manuel Trick machen sich Gedanken zur Situation am Bahnhof. Foto: Hopp

Sozialarbeiter geben die Stimmung wieder. Neuer unangenehmer Vorfall.

Horb - Der Bahnhofsvorplatz. Bänke weg, Probleme weg? Nein, meinen die Streetworker Rüdiger Holderried und Manuel Trick.

Holderried, Streetworker und Leiter der Caritas Horb: "Der Bahnhofsplatz gehört weder dem Kaufland noch dem Gleis Süd. Er ist ein öffentlicher Platz, und da gehören auch diese Menschen mit dazu!" Sein Kollege Trick, Streetworker der Erlacher Höhe: "Es darf keine Vertreibung dieser Menschen geben! Sie haben das Recht genau wie wir alle, sich mitten auf dem Platz aufzuhalten. Wir wollen keine kollektive Verdrängung dieser Gruppe!"

Die Problem-Szene am Bahnhof. Was steckt dahinter? Holderried beschreibt in einer Geschichte, wie sich die Menschen fühlen. Holderried: "Du wohnst auf 15 bis 20 Quadratmetern. Du hast keinen Balkon – Dir fällt die Decke auf den Kopf. Dann gehst Du zum Bus. Du wunderst Dich, dass die Menschen Dich komisch anschauen. In Horb angekommen, setzt Du Dich mit Deinem Buch an den Neckar. Es tröpfelt. Du gehst zum Bahnhof und triffst Leute. Wie Deine Nachbarschaft. Du redest mit denen, sie helfen Dir."

Prügelei auf offener Straße

Die Problem-Szene am Bahnhof. Der "Schwarzwälder Bote" hatte beobachtet, wie während des Sperrmüll-Chaos ein Mann den anderen mit einer Möbelplatte mitten auf der Straße verprügelt hatte. Das Opfer – angeblich soll er den Angreifer vorher mit einer Holzlatte bedroht haben. Für Frank Grundke, Sprecher der Staatsanwaltschaft Rottweil, ist das damalige Opfer ein guter Bekannter.

Er vergleicht ihn in der Auffälligkeit mit dem "Autokratzer von Nordstetten." Die Polizei kennt ihn auch: "Die Person hält sich häufig am Bahnhofsvorplatz auf. Gegen die Person wurden Strafanzeigen wegen Bedrohung, Körperverletzung, Beleidigung, Diebstahl, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, unter anderem gefertigt.  Momentan sind noch einige Verfahren bei der Justiz anhängig und offen. Generell obliegt die weitere strafrechtliche Würdigung der Staatsanwaltschaft, beziehungsweise dem Gericht" (wir berichteten).

Auch Sozialarbeiter Trick kennt ihn. Er sagt: "Ich kann mich auch mit ihm gut unterhalten. Aber seine Hemmungen fallen leider mit jedem Schluck." Holderried: "Ich will das auf keinen Fall beschönigen. Unsere Meinung ist: Wenn jemand dort Straftaten begeht, dann müssen die auch durch Polizei und Justiz geahndet sind. Fakt ist aber auch, wie man an jedem Fest beobachten kann: Wenn die Leute zu viel trinken, gibt es auch dort später an der Bar Aggressionen und vielleicht Schlimmeres. Es sind immer einzelne, die auffallen." Sein Kollege Trick: "Wir sträuben uns deshalb gegen den Verdrängungsgedanken."

Gerade jetzt, wo die Bänke entfernt wurden – laut offizieller Rathaus-Aussage wegen den Bauarbeiten – sei man in Gesprächen mit der Stadt, um eine Lösung zu finden, wenn der Umbau des ZOB fertig ist. Trick betont: "Dabei darf es keine Lösung geben, bei der diese Menschen an den Rand gedrängt werden!" Holderried: "Wir fragen uns: Warum hat man die Bänke so schnell weggeräumt? Hätte es eine bessere Lösung gegeben? Daran muss man arbeiten".

Die Sozialarbeiter betonen, dass sie mit fast allen gut im Gespräch sind. Beide sagen: "Es ist schwierig für Sozialarbeiter, auf die Menschen einzuwirken, wenn sie beispielsweise randalieren. Wenn wir vor Ort sind, dann passieren aber definitiv weniger Straftaten."

Platzverweise hat es immer wieder gegeben

Der Bankabbau. Die Security, die der Kaufland angesichts der Neueröffnung stationiert hatte. Holderried: "Die Stimmung unter den Menschen ist: Es geht nur um den einen. Weil der Scheiße baut, wird auf uns allen rumgehackt." Dennoch trifft sich die sogenannte "Problem-Szene" weiter vor dem Bahnhof.

Doch wie kann man das in den Griff kriegen? Holderried: "Schon in der Schule haben wir alle gelernt, dass Kollektivstrafen nichts bringen. Ich denke, bei Fehlverhalten sollte es einen persönlichen Platzverweis geben. Das ist die Strafe, die Betroffene trifft."

Laut Polizei hatte es immer wieder Platzverweise gegeben. Anlieger berichten, dass das wenig genutzt hat. Kaum waren die Streifenwagen verschwunden, seien die "Chaoten" wieder da gewesen.

OB Peter Rosenberger hatte auf dem Höhepunkt der Straftaten des Autokratzers von Nordstetten vorgeschlagen, den kommunalen Ordnungsdienst aufzustocken, um beispielsweise Streife zu laufen. Was halten die Sozialarbeiter davon? Holderried: "Ich empfinde die Situation vor dem Bahnhof in Horb nicht so, als ob man dort solche Kontrollen verstärken müsste." Trick: "Es gibt Situationen wie beispielsweise am Stuttgarter Bahnhof, wo auch noch Drogenhandel dazu kommt. Oder wie in anderen Großstädten, wo eine Gruppe von 20 oder mehr solcher Menschen gezielt andere belästigen. Davon sind wir in Horb ganz weit entfernt. Wir haben hier halt ein paar Einzelfälle, die aber auch nur in bestimmten Situationen ausfällig werden."

Fakt auch: Die Problem-Szene gibt es laut Anliegern seit gut zwei Jahren vor dem Bahnhof. Wie Holderried und Trick bestätigen, gibt es offenbar bisher keinen runden Tisch zwischen Sozialarbeitern, Ordnungsamt und Polizei. Trick: "Wir arbeiten parteilich für unsere Klientel. Ein gemeinsames Auftreten mit Ordnungsamt oder Polizei wäre deshalb auch schwierig."

Holderried: "Wir sind gerne bereit, eine Moderationsrolle zu übernehmen. Beispielsweise, um bei Anliegen der Anwohner mit den Menschen zu sprechen. Man darf nie vergessen: Diese Menschen sind nicht so geboren, auch wenn einige richtig Scheiße bauen. Aber ich weiß nicht, wie wir reagieren würden, wenn wir Ähnliches wie sie erlebt hätten."

Bedienung muss sich mit Pfefferspray wehren

Am Dienstag um 21 Uhr der nächste Vorfall: Der auffälligste Vertreter der Problem-Szene griff eine Bedienung eines dortigen Restaurants an. Erst zog er einen Stuhl weg, dann beschimpfte er die Bedienung. Er wollte auf die Bedienung einschlagen. Die wusste sich nicht anders zu helfen, als den aggressiven Angreifer mit Pfefferspray zu vertreiben. Die Polizei kam, er wehrte sich immer noch. Er soll geschrien haben: "Was schaut ihr? Ich bin das Opfer."

Die Polizei schreibt: "Bei dem der Aktion folgenden Polizeieinsatz widersetzte sich der 41-Jährige den Anordnungen der Streife, was zu seiner Gewahrsamnahme führte. Das Polizeirevier Horb hat ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet. Die Anzeigen werden folgen."