Margarita Rozenberg Foto: Hopp

Margarita Rozenberg arbeitet an ihrem Werk "Großmutters Schürze"

Horb/Starzach-Börstingen - Manchmal verschmelzen Künstler, Werk, Historie und der Ort zu einer perfekten Einheit. Zufällig. Oder durch Gottes Hand? Genau das ist Margarita Rozenberg mit dem jüdischen Betsaal passiert.

Das Künstlerhaus "Eleven" in Starzach-Börstingen. Margarita ist gerade dabei, mit Frank Fierke und Jo Horejs eine Laubhütte zu bauen. Sie lächelt: "Das wird mein Werk ›Großmutters Schürze‹, welches vor dem jüdischen Betsaal in Horb aufgestellt wird."

Margarita. Geboren und aufgewachsen in Russland, seit 2006 wohnt sie in Tel Aviv. Schon in Russland hat sie Kindern die jüdische Tora beigebracht. Sich mit der biblischen Tradition ihres Glaubens auseinandergesetzt.

Die Künstlerin war eine der ersten, die im Mai in die Residency in Börstingen eingezogen ist. Eigentlich wollte sie nur zwei Wochen bleiben. Margarita: "Weil Tel Aviv eine Großstadt ohne Bäume ist, wollte ich bewusst Richtung Schwarzwald in das Neckartal. Weil ich etwas mit Pflanzen und Bäumen machen wollte. In der viktorianischen Zeit waren Blumen der einzig legale Weg, Liebesbotschaften auszutauschen. Und genau diese Sprache der Blumen wollte ich künstlerisch umsetzen."

Monika Golla vom Kunsthaus Eleven: "Margarita war gerade nach der Abreise auf der Fahrt zu ihrer Familie nach Russland, als wir von ihr eine Mail bekamen: Ich bin noch nicht fertig mit meinem Projekt. Kann ich länger bleiben?"

Das war Ende Mai. Inzwischen ist Margarita immer noch da. Golla: "Sie fragte, ob sie bei uns ein Praktikum machen könnte. Weil wir ohnehin jemanden für Social Media brauchten, haben wir ihr das angeboten. Und Margarita arbeitete immer weiter." Immer mit Pflanzen. Beispielsweise ein Tarot mit Pflanzenmalereien. Inspiriert vom württembergischen Blatt. Eine Installation im Holunderbaum zur Sonnenwende.

Doch eigentlich sollte der Aufenthalt jetzt Ende September zu Ende sein. Margarita hat sich allerdings in Horb verliebt. Die Künstlerin: "Ich war so oft in Horb. Es gibt mir so viel Inspiration – mehr noch als Rottenburg oder Tübingen. Es ist so klein und schön. Außerdem hat es eine jüdische Geschichte. Doch dort gibt es keinen einzigen Juden mehr."

Golla nahm sie also Anfang September mit in den jüdischen Betsaal zur Lesung mit Peter Binder.

Die Künstlerhaus-Macherin: "Margarita kam gleich ins Gespräch mit Barbara Staudacher. Und es hat offenbar gleich gefunkt!"

Denn: Damit war der Grundstein für die Skulptur von Margarita gelegt. Golla: "Staudacher hat gute Beziehungen zu Stiftungen. Sie hat dort ein Stipendium für Margarita beantragt. Damit kann sie bis Ende Dezember in Horb bleiben."

Und damit schließt sich jetzt der nächste Kreis für Margarita. Zufällig nach Börstingen gekommen. Das Neckartal entdeckt. In Horb verliebt. Und jetzt pflanzt die jüdische Künstlerin vor dem jüdischen Betsaal die Laubhütte, die zum gleichnamigen Fest überall in Israel aufgestellt wird, direkt vor dem ehemaligen Versammlungsraum der Juden in Horb. Die Juden sind hier seit ihrer Vertreibung durch die Nazis verschwunden.

Und die Laubhütten-Installation – sie symbolisiert das aktuell nomadische Leben von Margarita. Sie ist aus Pflanzen – dem Material, das sie in das Neckartal gelockt hat.

Die Künstlerin: "Die Laubhütte ist das Symbol für unseren Marsch unter Moses durch die Wüste. Sie ist sozusagen das Zelt von damals. Es bietet zwar einen gewissen Schutz, doch weil das Dach aus Zweigen ist, bist du vor Regen nicht sicher."

Margarita fühlt sich sichtlich wohl hier im Neckartal. Und in Horb. Deshalb gibt es auch "Großmutters Schürze" als Eingangs-Tuch vor dem Zelt-Gebilde aus Bambusstangen.

In ihrem Atelier in Börstingen liegen Stoffe von Michael Widmann. Die sind für den Schwaben-Effekt. Die Künstlerin: "Gerade hier im Neckartal siehst du sehr viele stabile und schöne Häuser. Doch auch das ist, wenn man es richtig überlegt, nur flüchtig und unsicher. Deshalb gestalte ich das Tuch zum Eingang als schwäbische Schürze."

Die Künstlerin hat deshalb in Weitingen und anderen Orten recherchiert, um ein passendes, typisches traditionelles Muster zu finden.

Margarita: "Das soll den Schutz symbolisieren, den jedes Kind bei seiner Großmutter gefühlt hat. Und jede Großmutter hat ja eine Schürze."

Insofern verschmilzt in Margaritas Skulptur alles wie in einem Nukleus. Am dafür perfekten Ort.

Die Künstlerin lächelt. Sie zeigt auf ihr Tattoo auf dem Unterarm: "Das ist eine Pflanze. Doch so gibt es sie nicht. Unten sind Beeren, oben Blüten. Das entspricht meiner Lebensphilosophie: Nichts funktioniert nach Plan. Doch das, was herauskommt, ist besser als erwartet."

Weitere Informationen: Die Skulptur "Großmutters Schürze" wird während des jüdischen Laubhüttenfestes vom 5. bis zum 11. Oktober vor dem jüdischen Betsaal zu sehen sein. Der Aufbau startet rund um den Tag der Deutschen Einheit.