Joachim Lipp (links) und Heinrich Raible setzten beim Tag des offenen Denkmals mittels eines Kupplungshebels im Getrieberaum des ehemaligen Marmorwerks die Transmission in Betrieb. Foto: Kultur- und Museumsverein Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Kultur- und Museumsverein zeigt die historische Wasserkraft-Antriebstechnik

Ziel des Tags des offenen Denkmals ist es, die Öffentlichkeit für die Bedeutung des kulturellen Erbes zu sensibilisieren und Interesse für die Belange der Denkmalpflege zu wecken.

Horb. Im ehemaligen Marmorwerk konnten sich die Besucher beim Tag des offenen Denkmals ein Bild von einem jahrhundertealten Zugmittelbetrieb machen, dessen Konstruktionswurzeln bis in die Antike reichen. Historische Riemengetriebe gelten heute als Industriedenkmal und erhaltenswerte Dokumente der Industriegeschichte.

Lediglich das vom Kultur- und Museumsverein in den Jahren 1996/97 restaurierte Wasserrad erinnert noch an die einstige Horber Mühlenherrlichkeit. 17 Mühlen klapperten im Verlauf der Jahrhunderte einst in und um Horb, und die ersten herrschaftlichen Mühlen wurden bereits im Stadtrechtsprivileg aufgeführt, das die Pfalzgrafen von Tübingen im Jahr 1270 der Horber Bürgerschaft ausstellten. Das Wasserrad am unteren Mühlkanal geht zurück auf eine Walkmühle des "gemainen Duocher Handwerckhs zue Horw" und fand erstmals 1511 im Lagerbuch der Altheimer Heiligenpflege Erwähnung.

Die Reibe-, Bleu- und Walkmühle lag außerhalb der Stadtmauer vor dem Mühlener Tor und verhalf neben der untergegangenen Flurbezeichnung "Bei der Walk" auch dem Reibegässle zu seinem Namen. Eine Walk- oder Bleumühle war eine seit dem Hochmittelalter eingesetzte Maschine zur Verarbeitung, Verdichtung und Veredelung von Leder oder Geweben, die früher als Tuch bezeichnet wurden. Sie ersetzte das Walken mit den Füßen, mit dem frisch gewebte Tücher durch Stoßen, Strecken und Pressen gereinigt und an der Oberfläche verfilzt wurden, damit sie dichter und geschmeidiger waren.

Die Walkmühle des "Duocher unnd Engelsait Knappen Handwerckhs zue Horb" fand 1676 als gemeinschaftliche Bleu- beziehungsweise Reibe- und Walkmühle von Horber Tuchmachern Erwähnung, bevor sie die Tuchmacherfamilien Geßler und Beicher 1790 zu einer gemeinschaftliche Reibe-, Walk-und Ölmühle erweiterten. Nach zahlreichen Besitzerwechseln im 19. Jahrhundert erwarb Gustav Fischer aus Stuttgart die Mühle im Jahr 1901 und richtete zunächst eine Marmorschleiferei ein, aus der die Firma Süddeutsche Marmorwerke Horb hervorging. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Süddeutsche Marmorwerk neben der Seifenfabrik Gideon, der Schuhfabrik Tannhauser und der Filzwarenfabrik Holl die viertgrößte Horber Fabrik, in der elf Arbeitnehmer ihr Brot verdienen konnten.

Im Jahr 1919 verheiratete sich der Bauingenieur Hugo Unger, den der Erste Weltkrieg als Soldat von der Saar nach Horb an den Neckar verschlagen hatte, mit Melanie Fischer, der Tochter des Firmeninhabers, und wurde mit der Leitung des Marmorwerkes betraut, in dem zu seinen Glanzzeiten zeitweise mehr als 30 Personen Arbeit fanden. Hugo Unger, dem sein Sohn Kurt und Rolf Hotz in der Geschäftsleitung nachfolgten, starb im hohen Alter von 89 Jahren im Juni des Jahres 1984. Das Marmorwerk schloss im Mai 1996 für immer seine Pforten, und nur das Wasserrad am unteren Mühlkanal erinnert noch an dieses wechselhafte Stück der Horber Tuchmacher- und Industriegeschichte.

Das restaurierte unterschlächtige Zuppinger Rad wurde im Jahr 1913 von den Süddeutschen Marmorwerken Horb an Stelle eines hölzernen Wasserrades auf eisernem Wellbaum mit zwei eisernen Lagern eingebaut. Mit einem Durchmesser von 5,20 m und einer Breite von 3,40 m zählt es zu den größten Wasserrädern dieser Art im süddeutschen Raum. Technisch stellt das Zuppinger Rad eine Übergangsform vom klassischen Wasserrad zur modernen Wasserturbine dar, da es mit seinen evolventenförmig gekrümmten Schaufeln nicht nur den hydrostatischen, sondern auch den dynamischen Druck des Wassers ausnutzt. Diese besondere Art von Wasserrad ist nach dem Schweizer Erfinder Walter Zuppinger (1814 bis 1889) benannt, der sich später als württembergischer Baurat durch den Ausbau der Wasserkraft als Basis für die Industrialisierung in Oberschwaben ein hohes Ansehen erwarb.