Ein 22-Jähriger mit massivem Alkoholproblem muss 60 Arbeitsstunden leisten. Symbolbild. Foto: dpa

Mit Flasche zugeschlagen. 22-Jähriger bekommt 60 Arbeitsstunden aufgebrummt.

Horb - Ein 22-Jähriger stand am Dienstag vor dem Amtsgericht, weil er am frühen Morgen des 11. April einem anderen Mann hinterrücks eine Flasche über den Schädel gezogen hat. Im Zuge der Schlägerei, die er anscheinend angezettelt hatte, hat er laut Anklage noch zwei weitere leichtere Körperverletzungen begangen und die Polizeibeamten des Horber Reviers mit Ausdrücken wie "Bastarde", "abartige Menschen", "kleiner, witziger Gartenzwerg" oder "Brillenschlange" beleidigt.

An der Auseinandersetzung war eine Gruppe von Männern beteiligt, die den Angeklagten in jener Nacht das erste Mal getroffen hatte. Es kam zu einer Pöbelei, bei der es um die Auswahl der Musik in der Kneipe ging.

Der Angeklagte – in Horb geboren, jedoch inzwischen im Rems-Murr-Kreis wohnhaft – war in dieser Nacht, nach familiären Spannungen mit der Mutter, bei der er lebt, nach Horb gefahren und hat sich in einer Gaststätte die Kante gegeben. "So 30 bis 35 Tequila waren es sicher", räumte er ein. "Und unter Alkoholeinfluss habe ich auch einen Joint geraucht", schob er ergänzend nach. "Irgendwie ist es dann zum Streit mit so einem Typen, dem die Musik nicht passte, gekommen", versuchte er sich noch an den Abend zu erinnern, verschanzte sich bei seinen Ausführungen jedoch immer wieder hinter alkoholbedingten Gedächtnislücken.

Sein Kontrahent erzählte die Story ähnlich: "Ich wollte mit meinem Chef noch ein Feierabendbierchen trinken und in der Gaststätte, in die wir gingen, stand am Tresen ein Laptop, auf dem man sich anscheinend die Musik, die man gerne hören möchte, aussuchen konnte. Ich wollte dies auch tun, wurde aber weggejagt und von da an ständig vom Beschuldigten angepöbelt", gab er im Zeugenstand zu Protokoll.

Aus dem einen Feierabendbierchen wurden viele, der Angeklagte ertränkte seinen Frust in mexikanischem Kaktusschnaps – und es kam, wie es kommen musste: Noch beim Verlassen des Lokals nach der Sperrstunde ging die gegenseitige Pöbelei weiter.

Zeugen schildern: Klopperei wie bei kleinen Mädchen im Sandkasten

Zur ersten Eskalation kam es, als der Angeklagte die Gruppe, die aus Chef, Geschädigtem und einigen Zechkumpanen bestand, an der Ecke Wilhelm-/Schillerstraße abpasste und einem der Herren, die allesamt nicht mehr ganz nüchtern waren, so eine verpasste, dass dieser zu Boden ging und später im Krankenhaus behandelt werden musste. Der Angeklagte soll dann weggegangen sein, und die Gruppe ging zur nahe gelegenen Tankstelle, um dort etwas zu essen, wie der Geschädigte als Zeuge aussagte.

Aber auch dort sei der Angeklagte aufgetaucht, habe aggressiv weiter auf sie eingeschimpft und sich nicht beruhigen lassen. "Als er dann draußen im Auto saß und mich durchs offene Fenster einen ›Hurensohn‹ titulierte, habe ich ihm eine gelangt", gab der Geschädigte zu und damit dem ganzen Prozess eine Wende. Bisher war man von Seiten der Anklagevertretung davon ausgegangen, dass lediglich der Angeklagte als Provokant und Schläger unterwegs war, der Zeuge wurde bisher als Opfer angesehen.

Das war er aber nicht. "Ich habe ihn aufgefordert mit rüber auf den Ziegler-Parkplatz zu kommen, damit wir die Sache wie Männer austragen können", gab er zu Protokoll. Das "Duell im Morgengrauen" endete mit dem Schlag auf den Hinterkopf, die Wunde musste genäht werden, und der Bierflaschen-Schläger wurde in Handfesseln aufs Horber Revier gebracht. Dort tobte er noch ein wenig weiter und beleidigte die Polizisten. Ganz so schlimm wie vor Gericht geschildert kann jedoch die Schlägerei nicht gewesen sein, denn zwei der Verkäuferinnen, die bei der Bäckerei Ziegler arbeiten und die die Auseinandersetzung miterlebt hatten, sprachen nach Ende der Verhandlung von einer Klopperei, wie sie kleine Mädchen im Sandkasten besser hinbekommen.

Trotz allem: Der einschlägig vorbestrafte Angeklagte, der noch nie einen Führerschein besaß, eine Drogen- und Aggressionstherapie machen muss und für seinen einjährigen, unehelichen Sohn Alimente zahlen soll, kam gestern nicht ungeschoren davon: Die Staatsanwaltschaft forderte eine zehnmonatige Haftstrafe ohne Bewährung, der Pflichtverteidiger ging zwar im Strafrahmen mit, bat das Gericht jedoch um nochmalige Aussetzung dieser Freiheitsstrafe auf Bewährung, was Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick letztendlich auch gewährte.

"Wollen sie in der Gosse landen oder ein bürgerliches Leben führen? Die Entscheidung liegt bei Ihnen", redete der Vorsitzende dem jungen Mann ins Gewissen. "Der Ärger mit der Verkehrsbehörde ist ebenfalls programmiert. Doch sollen Sie nochmals eine letzte Chance bekommen", so der Richter, "wenn sie hier jedoch nochmals aufschlagen, dann scheppert’s."

Als Bewährungsauflagen muss der Schläger – "heute machen Sie ja einen ganz netten Eindruck – wenn Sie besoffen sind, möchte ich Ihnen nicht begegnen", so Trick – 60 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten, sich in den drei Jahren der Bewährungszeit einem Bewährungshelfer unterstellen und die Gerichtskosten tragen. Außerdem muss er innerhalb der nächsten zwei Monate zwei Gespräche bei einer Suchtberatungsstelle nachweisen. Richter Trick erinnerte den Verurteilten noch daran, dass er "da draußen" Verantwortung trägt, "und zwar für Ihren Sohn, denn ein altes Sprichwort sagt: Wer den Hosenladen aufmacht, der muss auch den Geldbeutel aufmachen."