Das "Freier Parken"-Plakat am Sebastian-Lotzer-Haus sorgt für Zündstoff – nicht nur in Horb. Foto: Hopp

Feministinnen klagen an: landes- und bundesweiter Wirbel um "Rotlicht-Werbung" des Horber City-Managements.

Horb - Deutschlands Vorkämpferinnen für Frauenrechte steigen Citymanager Thomas Kreidler mächtig aufs Dach. Auslöser: sein "Freier parken"-Banner mit derber Rotlicht-Optik.

Nur wenige Meter vom Plakat entfernt, in der Neckarstraße, gab es 2015 eine Bordell-Razzia. Die Sorge war groß, dass sich die Neckarstraße zum Horber Rotlicht-Viertel entwickeln könnte. Und die Freier parkten damals mit ihren dicken Autos die Straße fast zu. Ob sich Thomas Kreidler erinnerte, als er das Plakat entwarf? "Freier Parken. Jetzt 2h kostenfrei in Horb a. N.ckar." Diese Worte lassen sich auch zu einem Satz zusammenfügen und ergeben einen ganz speziellen Sinn.

Mit dieser Werbung am roten Sebastian-Lotzer-Haus hat der Citymanager angeeckt. Kritik, unter anderem von Horbs SPD-Chefin Viviana Weschenmoser, prallte bisher ab. Nun sorgt die zwielichtige Kampagne landes- und bundesweit für Wirbel.

Leni Breymaier, Landeschefin der SPD in Baden-Württemberg ärgert sich: "Diese Initiative ist einfach frauenfeindlich, sexistisch – und eben auch nicht originell, sondern schlicht von gestern. Altherrenwitze auf fragwürdigem Niveau werden sicherlich nicht mehr Leute nach Horb locken. Schade, eine verpasste Chance. Das nächste mal: ›Freier denken‹!" Breymaier ist seit vielen Jahren frauen- und sozialpolitisch aktiv. Im Verein "Sisters für den Ausstieg aus der Prostitution" in Stuttgart ist sie im Vorstand tätig. Frontfrau des Vereins ist Sabine Constabel.

Die Stuttgarter Sozialarbeiterin arbeitet seit 25 Jahren mit Prostituierten und Aussteigerinnen, macht Öffentlichkeitsarbeit und berät die Politik. Auch sie hat eine deutliche Meinung zur "speziellen" Werbung: "Das ›Freier parken umsonst‹-Banner ist in der Tat sehr irritierend."

Also so schnell wie möglich abhängen? Nein, sagt Constabel: "Allerdings führt diese Irritation zum Thema Prostitution. Und hier ist es überfällig, dass wir hinsehen. Deshalb hängen lassen und hinsehen!" Sie findet, dass man sich dann mit wichtigen Fakten zur Prostitution auseinandersetzen sollte: "Hinsehen und sich damit auseinandersetzen,  dass Deutschland die Drehscheibe für Menschenhandel geworden ist,  dass es in keinem Land so einfach ist, Frauen in der Prostitution zu vermarkten,  dass über 90 Prozent dieser Frauen Ausländerinnen sind und aus bitterer Armut und Zwang der Prostitution nachgehen,  dass nach einer Studie mehr als 80 Prozent der Frauen die Prostitution sofort verlassen würden, wenn sie denn könnten,  dass 60 Prozent der Aussteigerinnen unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom leiden, wie es auch Folteropfer aufweisen,  dass der Freier für all das verantwortlich ist, weil nur die Nachfrage diesen grausamen Sklavinnenmarkt schafft,  und dass die Europäische Union genau deshalb eine Gesetzeslage für alle Mitgliedsstaaten empfiehlt, die den Sexkauf unter Verbot stellt, die Frauen aber völlig straffrei lässt." Die Vereinsvorsitzende wünscht sich ein Bürgergespräch in Horb. "Wir von Sisters e.V. wären sehr gerne dabei, um über die Realität in der Prostitution zu informieren."

Seit Jahrzehnten kämpft auch Alice Schwarzer und das Team der von ihr gegründeten Zeitschrift "Emma" für Frauenrechte. Chantal Louis beschäftigt sich in der Emma-Redaktion besonders intensiv mit dem Thema Prostitution.

Wurde mit dem Plakat in Horb eine Grenze überschritten? "Ja, denn das Plakat bedient das Oh-là-là-Klischee über Prostitution und es reitet mit auf einer Welle, die Prostitution salonfähig machen und zum ganz normalen Beruf erklären will. Und den Freier zum ganz normalen Kunden. Nur kauft der Freier im Bordell oder auf dem Straßenstrich keinen Bierkasten oder ein Auto, sondern einen Menschen, der ihm für Geld seine Körperöffnungen zur Verfügung stellt. Die Frauen, die das tun, kommen zu 90 Prozent aus den ärmsten Ländern Europas und sie tun das meist nicht freiwillig, sondern, weil sie von ihren Familien geschickt und von Zuhältern oder Cousins ›beaufsichtigt‹ werden."

Jeder Freier solle sich fragen, ob er dazu beitragen wolle das kriminelle Milieu zu fördern, in dem Prostitution meist stattfindet, wie jeder Polizist im Milieu bestätigen werde "Und übrigens: In Schweden, Norwegen, Island, Irland und unserem Nachbarland Frankreich werden Freier für den Beitrag, den sie zur Stabilisierung der Zwangsprostitution und zum Menschenhandel leisten, bestraft", so Louis.

Die Emma-Redakteurin zieht den Vergleich mit den Mini-Rock-Plakaten "Horb macht Liebe": "Während sich bei den ›Horb macht Liebe‹-Plakaten Politiker die Frage stellen, warum gleichgeschlechtliche Liebe ›gegenüber Kindern als normal dargestellt wird‹, stellt sich bei der Prostitution offenbar niemand diese Frage. Also: Ist es normal, Kindern und Jugendlichen gegenüber eine Sexualität als normal darzustellen, bei der dem Mann die Lust des Gegenübers völlig egal ist, weil er dafür bezahlt? Ist das unsere Vorstellung einer erfüllten und gleichberechtigten Sexualität, die die Horber ihren Kindern vermitteln möchten?"

Auch Louis hofft, dass durch das Plakat "die so dringend notwendige Debatte über Prostitution angeregt würde".