Zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz: Ausstellung in der Ehemaligen Synagoge Rexingen wird am Dienstag, 27. Januar, eröffnet

Von Christof Schülke

Horb-Rexingen. Das Grauen. Die verblassende Erinnerung. Die verzerrte Menschlichkeit der Täter und Opfer. Auschwitz. "Das größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit". Der italienische Schriftsteller und Chemiker Primo Levi (1919-1987) schrieb darüber in seinem Buch "Ist das ein Mensch?".

Bei Text- und Bilddokumenten über die Vernichtungslager sieht man gern weg, um sich den Schock zu ersparen. Künstler, die das Material als Inspirationsquelle nutzen wollen, laufen wie bei kaum einem anderen Thema Gefahr, missverstanden zu werden. Lesern, Zuhörern oder Betrachtern geht es ähnlich. Sie können, wenn sie ehrlich sind, ab einem gewissen Punkt nur noch eins: Schweigen, weil die Worte fehlen.

Erst, wenn das meiste künstlerisches Schaffen zu diesem Thema als das gesehen wird, was es hautpsächlich ist – nämlich Gebilde anderer Generationen, anderer Gefühlswelten – kann der Brückenschlag zur ursprünglichen Inspirationsquelle vielleicht gelingen. Dann schaffen es Bilder sogar, Gefühle zu wecken und das Interesse an der Quellenliteratur zu entfachen.

Das gelingt dem Maler KH Schmeißer, dessen 31 Bilder umfassende Ausstellung "Ist das ein Mensch" zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz am Dienstag, 27. Januar, um 19.30 Uhr in der Ehemaligen Synagoge in Rexingen eröffnet wird. Schmeißer schreibt im Vorwort zum Katalog seiner Ausstellung: "Ich wurde 1957 in Deutschland geboren. Die ›Schwarze Wand‹, die entsetzlichen Verbrechen der Naziherrschaft, waren für mich in meiner Kindheit deutlich spürbar. Vielleicht hatte ich deshalb im Vorschulalter stets einen weißen Handschuh bei mir, um ihn, wenn mich Angst befiel, meist nachts, anzuziehen und schützend vor mich zu halten."

Der weiße Handschuh, die schwarze Wand und die Angst könnten die Schlüsselbegriffe für die Ausstellung in Rexingen sein. Grob gesagt sehen die Bilder so aus wie der Kampf des weißen Handschuhs mit der schwarzen Wand. In der Hitze von Angst und Wut sind die Gegner zu Ölfarbe geworden, haben sich ineinander verschlungen, sich zerfetzt und zerrauft, auseinandergerissen und zusammengeknüllt – das Ganze in verschiedenen Formaten auf Leinen oder Pappkarton.

Wenn sie auch keine "Schocker" sind, so wirken die Motive auf den ersten Blick doch bedrückend. Das Schwarz-Weiß erscheint hier kaum als grafisches Stilmittel der Kontrastierung, sondern wird flüssig und bewegt sich. Es entsteht der Eindruck von verkohlten, skellettierten Gegenständen in unkenntlichen Formen, erbleichten Körpern hinter einer schwarzen Regenwand oder des Auftauchens eines allgegenwärtigen übermächtigen schwarzen Dampfes, der alle Farben korrumpiert. Auf manchen Bildern sind menschliche Umrisse zu erkennen, auf anderen sind Formen oder bewegungsartige Verläufe sichtbar.

KH Schmeißer hat neben dem Werk Primo Levis auch das Buch "Jenseits von Schuld und Sühne" des österreichischen Schriftstellers und Widerstandskämpfer Jean Améry (1912-1978) gelesen, ebenfalls ein Opfer des Nazi-Terrors. Eine weitere Inspirationsquelle für seine Bilder fand er in Horb: Bei der Ausstellung "Die Nachbarn werden weggebracht" von der Ermordung und Deportation jüdischer Horber, die im Museum jüdischer Betsaal zu sehen war. "Ich habe viel gelesen, auch jüdische Gedichte", sagte KH Schmeißer bei der Präsentation der Ausstellung.

Heinz Högerle vom Träger- und Förderverein ehmalige Synagoge Rexingen, sagte: "Es ist schön, dass es Menschen gibt, die sich des Themas annehmen." Die Bilder eröffneten zusammen mit den Texten die Möglichkeit, in das Thema einzutauchen.

Das ist der auf den ersten Blick verborgene große Reiz dieser Ausstellung, deren Besuch sich lohnt: Wer die überwältigende Monumentalität von Gedenkstätten scheut, findet in den subtilen Bildern Schmeißers Zugänge zur Abgründigkeit. Sie sind den Gefühlen eines Menschen entsprungen, der man auch selbst sein könnte.

Weitere Informationen: Veranstalter der Ausstellung sind der Träger- und Förderverein Ehemalige Synagoge Rexingen, die Katholische Erwachsenenbildung, die Kreisvolkshochschule und die evangelische Kirchengemeinde Dettingen. Zur Ausstellungseröffnung am Dienstag, 27. Januar, um 19.30 Uhr spricht KH Schmeißer. Es musiziert Jochen Brusch, Violine. Am Sonntag, 1. März, um 17 Uhr findet in der ehemaligen Synagoge die Lesung "Wie viel Heimat braucht der Mensch" statt. Peter Binder (SWR) liest aus "Jenseits von Schuld und Sühne" von Jean Améry. Professor Karl-Josef Kuschel und Michael Theurer sprechen über die vorgetragenen Texte.