Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Virtuelle Monsterjagd im Selbstversuch

Na, auch schon auf Pokémon-Jagd? Oder gehören sie zu denen, die damit überhaupt nichts anfangen können und sich fragen, was da jetzt für ein großer Wirbel gemacht wird? Der Schwarzwälder Bote hat den Pokémon-Selbsttest gemacht und kann ihnen nun sagen, was es mit der virtuellen Monsterjagd so auf sich hat. Oder vielleicht auch nicht.

H orb. Ich gebe zu, dass ich für jeden neuen Schnickschnack auf dem Handy grundsätzlich zu haben bin. Und ja, es gibt auch mal Momente, in denen ich ein "Zocker" bin, da schmeiße ich daheim die Playstation an und spiele eine Runde Fußball. Aber diese Pokémon-Geschichte war mir doch arg fremd und ging an mir ein paar Tage vorbei. Vielleicht auch deshalb, weil ich zu früh für die erste Pokémon-Generation geboren bin. Aber wenn da so viel Wirbel drum gemacht wird, wollte ich doch gerne wissen, was es damit auf sich hat.

Der Start

Mittagspause auf der heimischen Terrasse. Meine Frau schaut mich kritisch an, als ich auf meinem Smartphone rumwische. "Kannst du bitte das Handy während des Mittagessens weglegen!" Das ist ein Deal daheim, gutes Vorbild für die Kinder und so. "Ich lade mir gerade Pokémon Go runter", sage ich mit einem bittenden Blick und schiebe ein "rein beruflich" hinterher. Mein Frau zieht ihre Augenbraue hoch (das kann sie ziemlich gut): "Ja klar, rein beruflich, das soll ich jetzt glauben. Du hast doch sowieso ständig dein Smartphone am Wickel." Die Pokémon-App ist mittlerweile schon installiert. Und ich starte sie.

Die Anfangsmelodie lässt meinen fünfjährigen Sohn Joris aufhorchen. "Papa, was ist das?" Ich antworte ihm, dass man damit Monster einfangen kann, natürlich keine echten. Schnell habe ich einen Monster-Mitjäger auf meiner Seite. Und kaum ist die App gestartet und mein "Avatar" (eine künstliche Person, die ich sein soll) ist nach meinen Anzieh-Wünschen gestaltet, da tauchen schon die ersten Monster am Wegesrand auf – denn das ganze Straßennetz von Nordstetten erscheint bis in den letzten Winkel. Ich tippe hektisch auf das Monster, dann soll ich meine Handykamera einschalten und schon sehe ich meine Terrasse und das niedliche Monster "Glumanda" sitzt auf meinem Tisch.

Ich habe einen so genannten "Pokéball" zur Verfügung und den kann ich mit einem Fingerwischer auf meinem Handy schmeißen. Die ersten Versuche gehen daneben. Glumanda faucht mich an. Mein Sohn ist begeistert und vergewissert sich sicherheitshalber, dass dieser kleine Feuerdrache nicht tatsächlich auf meinem Tisch sitzt. Dann habe ich endlich den Wurf mit dem Pokéball hinbekommen. "Klasse", steht da und Glumanda steckt im Ball. 76 Zentimeter soll das Viech groß sein. Und 14,31 Kilo schwer. Wie gut, dass ich das nicht an meinem Handy merke.

Horber Pokémonfamilie

E in Blick auf Facebook verrät mir, dass ich so einige Mitspieler in Horb und Umgebung habe. In der Gruppe "Pokémon Go Community Horb & Freudenstadt & Umgebung" haben sich einige zusammengeschlossen. "Hey, wer läuft mit mir heute Abend", fragt ein Mitglied und findet zig Mitstreiter, die mitkommen wollen. "Ich laufe täglich fünf bis zehn Kilometer", heißt es. Oder eine Mutter schreibt: "Ich bin froh, mein Sohn sitzt nicht mehr stundenlang daheim vorm PC." Kein Wunder, dass amerikanische Kardiologen loben, dass sich endlich wieder mehr Menschen bewegen. Ich selbst hab seit fünf Wochen wieder einen Hund (Lola) und laufe deshalb meine zwei Stunden am Tag. Also dafür brauche ich Pokémon nicht. Und wie man hört, versuchen manche ja schon zu tricksen und schnallen das Handy an ihr Haustier oder beauftragen Jogger, ihr Smartphone mitzunehmen.

Der Abendspaziergang

Als ich Feierabend habe und nach Hause komme, kommt mir schon Sohnemann Joris entgegen: "Hast du schon weitere Monster gefangen?". Ich antworte: "Nein, aber ich wollte jetzt mit dem Hund spazieren gehen und dann mal schauen, was es hier in Nordstetten so für Monster gibt, kommst du mit?" Das lässt sich Joris nicht zweimal sagen und schwingt sich aufs Fahrrad.

Kaum sind wir um die Kurve gebogen, da erscheint schon das erste Monster an der Tankstelle Sitzler. Schiggy, eine Art Schildkröte in Blau. Ein gekonnter Wurf (für den ich auch noch extra Punkte bekomme), und schon habe ich Fang Nummer zwei. Joris strahlt.

Gartenjagd wider Willen

Einige Meter weiter kommt schon wieder ein Warnton. Ein flatternder Fledermaus-Verschnitt namens Zubat. Mitten im Garten eines Hauses. Ich versuche es schnell zu fangen, doch mir gelingt es nicht. Ich stehe auf der Wiese und mir wird das langsam peinlich. Der Hund will weiter und zieht an der Leine. Ich gebe nach einer Weile schließlich genervt auf.

Einige Meter weiter kommt der Nordstetter Wasserturm – und der ist ein Pokéstop. Hier kann ich Ball-Munition "aufladen" und anderen Schnickschnack wie Krafttrank usw. In Nordstetten gibt es noch weitere Pokéstops. Natürlich das Schloss, aber auch das alte Gasthaus Schäpfle und der Röhrenbrunnen. Donnerwetter, man bekommt mit dem Spiel noch ein bisschen Heimatgeschichte erzählt (sogar manchmal noch mit Text). Das ist doch gar nicht so schlecht. Ob unsere Ortsvereine vom Schwarzwaldverein oder Albverein bald Pokémon-Wanderungen anbieten müssen, um an junge Mitglieder zu kommen?

Der Abendspaziergang ist beendet. Entspannend wie sonst war er irgendwie nicht. Eher krampfig. Während die Kardiologen sich freuen, werden die Orthopäden wohl eher aufschreien. Denn es ist ja bekannt, dass der dauernde Blick aufs Handy Haltungsstörungen verursachen kann.

Monsterjagd am Schreibtisch

Die App ist morgens schon auf dem Hundespaziergang wieder an. Auch noch, als ich im Büro sitze. Plötzlich wieder ein Signal. "Goldini", ein Goldfisch-Monster, ist wohl vom Mühlkanal rübergehüpft. Ich fange ihn direkt an meinem Schreibtisch ein. Dann muss Pokémon Go erst einmal eine Pause einlegen. Erst recht, wenn ich auf mein Akku schaue. 40 Prozent weniger, und das innerhalb von 90 Minuten. Kein Wunder, dass bereits ein Pokéball-Akku (nicht offiziell von der Pokémon-Go-Firma Niantec) verkauft wird, damit man auch noch einen Reservetank dabei haben kann.

Die Kernstadt ist voller Monster

Nach Feierabend will ich mal schauen, was in der Kernstadt so los ist. Und hier wimmelt es nur so von Monstern, Pokéstops und Arenen (zu denen ich später noch komme). An der Stadt-Apotheke kann ich ebenso Bälle nachladen wie am Belle Arti oder Bahnhof. Auch das Kunstwerk in der Neckarstraße ist eine Aufladestation, allerdings ist hier noch der wilde Stier zu sehen. Wer dafür sorgt, dass diese ganzen Orte drin sind? Niantic selbst, aber mittlerweile kann j eder auch Vorschläge an das Unternehmen machen.

Ich habe eine virtuelle "Rauchbombe" aktiviert, die eine halbe Stunde Monster anlocken soll. Und ich komme gar nicht mehr dazu, 50 Schritte am Stück zu gehen. An der viel befahrenen Neckarstraße flattert plötzlich wieder was. Ganz schön heikel. Wer so in sein Spiel vertieft ist, kann da schnell mal auf die Straße laufen.

Wenn die Kirche zur Arena wird

Pokémon Go ist aber viel mehr als Monster einsammeln. Es gibt auch so genannte Arenen, an denen man mit den Monstern gegen andere Spieler kämpfen kann. Und da wird es richtig kompliziert, für mich zu kompliziert. Um das alles zu machen, braucht man echt viel Zeit. Monster mit irgendwelchen Bonbons füttern, damit sie stärker werden. Andere Monster einschicken, um noch mehr Bonbons zu bekommen und vieles mehr. Puh.

Die App zeigt mir an, dass am Brunnen am unteren Marktplatz eine der Arenen ist. Als ich ankomme, hat Horb aktiv dort gerade eine Arbeitskreis-Sitzung. "Ja, hier stehen immer ganz viele um den Brunnen herum und wischen auf ihren Handys", schmunzelt City-Manager Thomas Kreidler, der das Geschehen jeden Tag von seinem Geschäft aus beobachten kann." Sein Nachbar, der Friseur Jörg Doormann erzählt: "Am vergangenen Samstag hat um halb acht Uhr morgens jemand schnell hier angehalten und ist auf Monsterjagd gegangen. Da kam dann niemand mehr durch." Weitere Arenen sind übrigens die Stiftskirche und die Johanneskirche. Ob das als Ort für Monsterschlachten so gut geeignet ist? Diakon Klaus Konrad findet das auf Nachfrage eher unpassend.

Schluss mit Pokémon

E inen Monsterkampf starte ich, dann merke ich, dass mich das eher nervt. Ich schließe die App und gehe nach Hause. Für mich ist das Experiment beendet. Mein Fazit: Ein schönes Spiel, das sicher Spaß machen kann. Aber auch ein großer Zeitfresser ist. Ich gehe künftig lieber wieder ganz entspannt mit meiner Lola spazieren. Und freue mich, wenn wir da auf unseren Nachbarhund treffen. Der heißt übrigens Pikachu, was auch ein Pokémon-Name ist. Aber der ist mir deutlich lieber als ein virtuelles Monster.