Die Diskussion um die Notfallpraxis geht weiter. Foto: Hopp

Wildberger Arzt Bernd Walz kritisiert den "Wunschdienst" von Kreisrat Wolfgang Kronenbitter.

Horb - Zu unserem Bericht "Der KLF geht erhebliches Patientenpotenzial verloren" melden sich der Wildberger Arzt Bernd Walz und der Kreisbeauftragte für den Notfalldienst, Michael Fischer, zu Wort.

Der Bericht in der Samstagsausgabe bezog sich auf einen Leserbrief des CDU-Kreisrats und KLF-Aufsichtsrats Adolf Megnin, der sein Unverständnis über eine 24-Stunden-Notfallversorgung am Standort Horb geäußert hatte. Walz fragt: "Woher sollen die Ärzte kommen, die eine solche Versorgung ermöglichen würden?" Für den Horber Kreisrat Wolfgang Kronenbitter ist diese Frage wiederum absolut unverständlich.

Walz’ Einschätzung dazu: "Kreisrat Megnin hat mit seiner Frage recht. Kreisrat Kronenbitter kann sich viel wünschen, aber die reale Entwicklung geht in eine andere Richtung: Es geht nicht mehr nur um eine ortsnahe Notfallversorgung, sondern um die Frage, ob grundsätzlich die hausärztliche Grundversorgung in Horb und Umgebung in naher Zukunft noch zu gewährleisten ist. Auch in Horb wird es zu einem zunehmenden Hausärztemangel kommen."

Walz weist darauf hin, dass das Sozialministerium in Stuttgart die Stadt Horb und Empfingen bereits in das "10-Punkte Förderprogramm für Landärzte" aufgenommen hat: In diesem Programm, nachzulesen auf der Homepage des Sozialministeriums, werden die "Perspektivischen Fördergebiete für Landärzte" ausgewiesen. Horb und Empfingen gehören dazu.

Ein Landarzt, so schildert Walz weiter, erhält für eine Niederlassung hier vom Land Baden-Württemberg eine Unterstützung von 20 000 Euro. Ein Grund für die Einrichtung von zentralisierten Notfallpraxen, angeschlossen an Krankenhäuser, war die Entlastung der niedergelassenen Ärzte von zu vielen Nacht- und Wochenenddiensten. "Natürlich werden dadurch die Strecken weiter, für Patienten und den Fahrdienst der Bereitschaftsdienstärzte. Aber wenn sich in der Großstadt 600 Ärzte die 365 Nachtdienste pro Jahr teilen, in der Kleinstadt nur zehn Ärzte, dürfte klar sein, welche Perspektive einen jungen Arzt eher zu einer Niederlassung bewegt", schreibt Walz, der bis April 2014 Vorsitzender der Notfalldienstkommission Nordbaden war und damit unter anderem auch zuständig für die Organisation der Notfalldienstversorgung im Kreis Calw und Freudenstadt.

Landarzt-Mangel das eigentliche Problem?

Der Landkreis Calw, so Walz weiter, hat im Westen zwei Kurstädte: Bad Wildbad (Enztal) und Bad Herrenalb (Albtal): Beide Kurstädte haben keinen eigenen Notfalldienst mehr, sondern sind mit Neuenbürg zu einem großen Notfalldienstbereich mit einer Notfallpraxis am Krankenhaus Neuenbürg zusammengeschlossen. "In den Jahren 1970 bis 1980 hatten Landärzte über 200 Nacht- und Wochenenddienste pro Jahr zu leisten. Sie bekommen heute keine Ärztin und keinen Arzt mehr, der diese Belastung auf sich nimmt. Um überhaupt noch eine Versorgung auf dem Land zu erreichen, müssen wir versuchen, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die Attraktivität einer Niederlassung im ländlichen Bereich halbwegs gegeben ist. Dazu gehört auch der Nacht- und Wochenenddienst."

Kreisrat Megnin habe mit seiner Frage, woher denn die Ärzte kommen sollen, die den "Wunschdienst" von Kreisrat Kronenbitter leisten, also "absolut recht".

Als Kreisbeauftragter für den Notfalldienst im Landkreis Freudenstadt versucht auch Michael Fischer, der Diskussion Megnin-Kronenbitter-Notfallversorgung Horb Klarheit zu verschaffen.

Er schildert: "Für die Versorgung von Erkrankungen, die nicht bis zu den Öffnungszeiten der Arztpraxen warten können oder sofortiger ärztlicher Hilfe bedürfen, gibt es zwei organisatorisch und in den Aufgaben vollkommen unterschiedliche Schienen. Zum einen den Notarzt, ein spezielle ausgebildeter Arzt, der bei lebensbedrohlichen akuten Erkrankungen oder Unfällen innerhalb kürzester Zeit mit Blaulicht und Tatütata zu Stelle ist. Einen dauerhaft gesicherten Notarztstandort gibt es in Horb. Organisiert und verantwortet werden die Notarztstandorte vom Bereichsausschuss, einem Gremium aus Vertretern der Krankenkassen und der Rettungsdienste.

Daneben gibt es den ärztlichen Notfall oder Bereitschaftsdienst. Dieser ist zuständig für Erkrankungen die in der Nacht, an Wochenenden und Feiertagen behandelt werden müssen, aber nicht lebensbedrohlich sind. Dies sind akute Erkrankungen und die Fortführung zum Beispiel von Infusionstherapien oder Wundbehandlungen. Er wird organisiert und verantwortet von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg und durchgeführt von allen niedergelassenen Ärzten.

Der ärztliche Bereitschaftsdienst wurde in den letzten Jahren erheblich umgestaltet. Aus zahllosen kleinen Bezirken wurden deutlich weniger und über das ganze Land so gleichmäßig wie möglich verteilte Notfallpraxen mit dazugehörigem Fahrdienst. Die Praxen sind für alle offen, die mobil sind, der Fahrdienst kümmert sich um Menschen die krankheitsbedingt nicht mobil sind, also zum Beispiel Bettlägrige, schwer Gehbehinderte oder Heimbewohner.

Der Grund für die Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes war die sehr ungleiche Verteilung und die teilweise sehr hohe Dienstbelastung der Ärzte. Es gab Bezirke, in denen fünf Ärzte den Dienst stemmen mussten, eine ungeheure Belastung für den einzelnen und ein k.o.-Kriterium bei der Suche nach einem Nachfolger. Jetzt ist für jeden Bürger in Baden-Württemberg in einer Entfernung von maximal 30 Minuten eine Notfallpraxis erreichbar. Wenn die Notfallpraxen nicht geöffnet sind, in Freudenstadt, Nagold und Oberndorf ist dies in der Nacht an Wochentagen, ist primär der Fahrdienst und dann die Ambulanz der jeweiligen Krankenhäuser zuständig. Und nur diese Stellen können sogenannte Notfalldienstleistungen abrechnen. Hierfür hat die Kassenärztliche Vereinigung in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen einen von der normalen ärztlichen Vergütung getrennten Topf. Dieser sorgt dafür, dass die Notfalldienste anständig honoriert werden können und somit für die Ärzte attraktiv sind. So können auch Ärzte, die die Dienste nicht selbst machen wollen oder können, ohne große Probleme eine Vertreter finden.

Würde nun dieses System durch zusätzliche Einrichtungen wie die von Herrn Kronenbitter und anderen geforderte 24-Stunden-Versorgung in Horb, die es wie oben geschildert schon immer gibt, aufgeweicht, hätte dies weitreichende Konsequenzen. Jeder Fall, der dann in Horb behandelt würde, würde in Freudenstadt, Nagold oder Oberndorf fehlen, die leistungsfähigen Notfallpraxen schwächen und die Dienste unattraktiver für die Ärzte machen. Und letztendlich würde dann die kleinteilige Organisation des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes, die durch die Reform endlich überwunden wurde, mit allen Nachteilen wiederhergestellt.

Fazit: Die Versorgung von leichten und schweren Notfällen ist in Horb schon immer durch den Notarzt und den ärztlichen Bereitschaftsdienst gesichert. Zuständig sind der Bereichsausschuss und die Kassenärztliche Vereinigung. Die Notfallpraxis in Horb wurde von den Horber Ärzten und nicht wegen der Reform geschlossen. Wenn der Landkreis Freudenstadt tatsächlich Geld in eine wie auch immer geartete zusätzliche Notfallversorgung in Horb investieren sollte, schadet er den Notfallpraxen in Freudenstadt, Nagold und Oberndorf ohne zusätzliche Qualität zu schaffen. Und wer behauptet, die Horber Bürger gingen nicht in das Krankenhaus und in die Notfallpraxis in Freudenstadt, sagt schlicht die Unwahrheit. Die Horber können alleine entscheiden wo sie hingehen wollen. Und sie kommen in alle umliegenden Krankenhäuser und Notfallpraxen."