Sie redete mit Händen und Füßen: die Kabarettistin Nessi Tausendschön. Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Publikum hat Probleme, Pointen von Nessi Tausendschön zu finden / Kombination von Gitarre und Holzbearbeitungsinstrument klingt gut

Von Peter Morlok

Horb. Nessi Tausendschön polarisierte am Samstagabend im gut besuchten Horber Kloster.

Eigentlich sollte dies die letzte Veranstaltung vor der Sommerpause sein, doch die Hautevolee der schwäbischen Schenkelpatscher-Comedians gibt sich überraschend am 9. Juli die Ehre. Dann geht die Premiere des Sommerspecials "Dui do ond de sell treffen Hämmerle & Leibssle" über die kleine Klosterbühne, bevor die vier Württemberger ihre Fans in den großen Hallen des Ländle verzaubern.

Bei der Hannoveranerin mit der seltsamen Frisur und dem inzwischen nicht mehr ganz so passenden Künstlernamen hatte das Publikum dagegen eher Probleme, die sehr gut versteckten Pointen in den kaskadenartig vorgetragenen Wortbeiträgen zu finden und die Schönheit der Liedvorträge in ihren Grundzügen zu erahnen.

Die Frau, die im Fach Ausdruckstanz bereits eine Leberwurst, die Missgunst und ein Blatt Löschpapier tanzen kann, ging in der Gesamtbetrachtung ihres Programms "Die wunderbare Welt der Amnesie" recht seltsame Gedankenwege. Und gerade die Amnesie, die Technik des woanders hindenken, ließ sie anscheinend vergessen lassen, wo die Grenze zwischen Kabarett und schlechtem Geschmack verläuft.

Solche "Kalauer" wie: "Wir vergessen, wir vergaßen, wir vergasten" mit der Begründung "Kabarett muss weh tun" zu rechtfertigen, spricht für sich. Nicht für Frau Tausendschön.

Auch vielen Zuhörern, die gelegentlich mit Verlegenheitslachen reagierten, fehlte da die Verbindung, das T-Stück oder die Muffe und führte tatsächlich zum berühmten Muffensausen, bei dem Gedanken, was der Abend wohl noch bringen mag. Schlechtes Englisch auf jeden Fall, denn die Komödiantin sprach sich um "Head & Shoulders".

Da half auch die Aufforderung an das Publikum nichts, es solle Gesichter machen die Raum nach oben lassen und das die Künstlerin abfotografieren wollte, um es auf die Plattform "Google Audience Viewing" zu stellen. "Manchen sie ein solides Samstagsabendgesicht", so die klare Ansage.

Frau Tausendschön durfte fotografieren, die Presse möge sich dagegen sehr zurückhalten. Dies gab ein sichtlich nervöser Ewald Loschko beim Anblick zweier ordentlicher Blitzgeräte als unverständliche Anweisungen der Künstlerin weiter.

"Ich bin eine Künstlerin – keine herbeigelaufene Schabrake", ließ sie nach Englischkurs und Fotosession ihre Zuhörer wissen und stimmte das schöne Lied vom Vergessen an, bevor sie’s am Ende noch vergaß zu singen.

Begleitet wurde sie bei ihren musikalischen Zwischenspielen von dem wundervollen Gitarristen William McKenzie, der in stoischer Ruhe auf seinem Stuhl saß und tat, was er am besten kann – Saiteninstrumente bedienen.

Ob es nun schöner oder nur interessanter Gesang war, den die mehrfach ausgezeichnete Chansonnette von sich gab, ist schwer zu beurteilen. Wie bereits erwähnt, die Dame polarisierte.

Aber eins muss man ihr auf jeden Fall lassen – singende Geige und Kinder-Klangspiel beherrscht sie einwandfrei. Und das Zusammenspiel von McKenzies Steelguitar und ihrem Holzbearbeitungsinstrument hörte sich echt gut an.

Geschickt auch ihre rhetorische Verblüffungs- und Angriffstechnik, mit der sie schon ihre Eltern im Griff hatte. "Solange ihr den Tisch über meine Füße stellt, wird gemacht, was ich sage" stand für sie schon früh fest und niemand wagte, ihr zu widersprechen. Die Kasperöse, wie sie sich selbst bezeichnete, ist zudem eine Meisterin der Zerknirschungslyrik und Fachkraft für anarchischen Unsinn und Spielfreude. Dies steht in ihrem Programmtext und kann einfach so stehen bleiben.