Susann Pásztor erhält den Berthold-Auerbach-Literaturpreis 2012. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Berthold-Auerbach-Literaturpreis der Stadt Horb geht an Romanautorin Susann Pásztor / Verleihung am 15. April

Horb. Die Stadt Horb verleiht zum fünften Mal den Berthold-Auerbach-Literaturpreis. Preisträgerin ist die Berliner Autorin Susann Pásztor mit ihrem Roman "Ein fabelhafter Lügner".

Die Preisverleihung fällt in diesem Jahr mit den Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag des Schriftstellers Berthold Auerbach zusammen, der am 28. Februar 1812 in Nordstetten geboren wurde.

Der Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie verarbeitete seine Kindheitserinnerungen in den "Schwarzwälder Dorfgeschichten", die ihn und seinen Heimatort weltberühmt machten. Nordstetten blieb für den rastlos reisenden Erfolgsautor Bezugspunkt und Inspirationsquelle.

In seinem lebenslangen Streben nach vollständiger Anerkennung und Gleichberechtigung als Deutscher und Jude scheiterte er gegen Ende seines Lebens am aufflammenden Antisemitismus im neu gegründeten Deutschen Reich. Er starb 1882 in Cannes und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Nordstetten begraben. Im dortigen Barockschloss wird seit 1986 im Berthold-Auerbach-Museum sein literarisches Erbe gepflegt und seit 1982, zuletzt alle fünf Jahre, der Berthold-Auerbach-Literaturpreis verliehen.

Ausgezeichnet wird im Auerbach-Jubiläumsjahr die Berliner Autorin Susann Pásztor für ihren 2010 bei Kiepenheuer & Witsch erschienenen Roman "Ein fabelhafter Lügner". Die 1957 geborene Preisträgerin machte sich nach einem Kunst- und Pädagogikstudium zunächst einen Namen als Illustratorin, Journalistin, Übersetzerin und Sachbuchautorin. In ihrem Romandebüt ließ sich Pásztor von ihrer jüdisch-ungarischen Familiengeschichte inspirieren.

Die Jury würdigt, dass der Roman sich schweren Themen mit Leichtigkeit nähert, ohne dabei oberflächlich zu werden: Es geht um jüdische Identität in Deutschland, vertrackte Familienverhältnisse und um Buchenwald als Gedenkort.

Agnes Maier, Leiterin der städtischen Museen, gibt die Wertung der Jury wieder: "Eine kluge Handlungskonstellation, originelle Protagonisten und ein pointierter Sprachduktus zeichnen Pásztors Buch aus. Der Roman erzählt erfrischend, mit Witz und Temperament aus der überzeugend durchgehaltenen Perspektive einer 16-Jährigen. Ihr unvoreingenommener Blick hinterfragt die problematische Kategorisierung in Deutsche, Juden oder deutsche Juden, was auch für Berthold Auerbach zeitlebens ein schmerzliches Thema war."

Statt Fakten zu notieren speichert Lily Eindrücke und Gefühle

Im Zentrum von Pásztors Roman steht Joschi Molnár, angeblich ein ungarischer Jude, der den Holocaust überlebt hat.

Nach seinem Tod treffen sich die drei Kinder – Gabor, Marika und Hannah – aus drei verschiedenen Beziehungen und die Enkeltochter Lily, um gemeinsam seinen 100. Geburtstag zu feiern. Als "fabelhafter Lügner" hat Joschi ihnen verschiedene Versionen seines Lebens überliefert.

Die 16-Jährige beobachtet und bewertet die drei Erwachsenen unbekümmert neugierig und mit jugendlicher Distanz. Jeder für sich durchwandert das weitläufige Gelände. Statt Fakten zu notieren, speichert Lily Eindrücke und Gefühle. Das Grauen entzieht sich der Recherche. Doch später hält Lily fest: "Das Ende meiner Kindheit fiel zusammen mit dem 100. Geburtstag meines Großvaters."

Den Preis überreicht der Horber Oberbürgermeister Peter Rosenberger in einer Feierstunde am Sonntag, 15. April, um 19 Uhr in Schloss Nordstetten. Die Laudatio hält die Berliner Kulturjournalistin Edelgard Abenstein.