Der indische Botschafter Gurjit Singh (sitzend) lässt sich bei Handytech in Nordstetten eine Mini-Kamera vorführen, die Text erfasst und vorliest – eine Alltagshilfe für Blinde. Mit auf dem Bild (von links): der dritte Sekretär der Botschaft Indiens Saketa Musinipally, Bürgermeister Jan Zeitler (SPD), Handytech-Geschäftsführer Siegfried Kipke und Vertriebsleiter Hans Katalenic. Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Wirtschaft: Vertreter Indiens schaut sich Hilfsmittel für Blinde an / Nordstetter Firma sieht neuen Markt

Der indische Botschafter hat auf einer Reise durch Baden-Württemberg bei Handytech in Nordstetten Halt gemacht. Die Firma stellt Hilfsmittel für Blinde her und würde sie gerne auch in Indien verkaufen. Dort leben rund 15 Millionen Blinde – so viele wie in keinem anderen Land.

Horb-Nordstetten. "Diese Technik ist eine große Brücke", sagte der indische Botschafter Gurjit Singh gestern über die Hilfsmittel für Blinde, die er bei seinem Besuch in der Firma Handytech in Nordstetten kennengelernt hat.

Der Informatiker und von Geburt an blinde Felix Grützmacher hat dem Botschafter eine besondere Tastatur und Software vorgestellt, mit der blinde Menschen einen Computer oder ein Smartphone bedienen können. Geschäftsführer Siegfried Kipke sagte: "Dadurch haben blinde Menschen bei uns die Möglichkeit, als Telefonist und in akademischen Berufen zu arbeiten, zum Beispiel in der Informatik oder Juristerei." Unter den Kunden von Handytech sei zum Beispiel ein blinder Richter. Wer in Indien blind ist, könne Betteln gehen oder Korbflechter werden.

In Indien leben nach Angaben von Handytech 15 Millionen von weltweit 37 Millionen blinden Menschen. Kipke hat großes Interesse am indischen Markt. Wenn Blinde mithilfe von Technik einen Computer bedienen können, erweitere sich die Palette der Möglichkeiten drastisch. Sein Mitarbeiter Grützmacher an seiner Seite ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Grützmacher ist IT-Fachmann und sagt: "Ich empfinde große Dankbarkeit dafür, dass ich all das machen kann." Ohne die Hilfssysteme, so erklärt er, könne viel Wissen nicht in seinen Kopf gelangen, weil er nicht selbstständig digital lesen könnte. Und er könnte sein Wissen nicht anwenden, wie etwa jetzt in seinem Job bei Handytech.

Grützmacher hat beim Botschafterbesuch das Aushängeschild der Firma vorgestellt: Das Eigenprodukt "Active Star" – eine Tastatur zur Bedienung von Computern für Blinde. Das Eingetippte wird auf einer sogenannten Braille-Zeile in Blindenschrift dargestellt und kann von Grützmacher abgetastet werden. Die Tastatur funktioniert auch mobil und kann mit einem Smartphone verknüpft werden.

Diese Technik öffne blinden Menschen wie ihm die Welt der Computer und Smartphones, erklärte Grützmacher. "Wenn ich zum Beispiel im Zug sitze, kann ich mir Notizen machen, kann sie auf Braille anzeigen lassen, sie lesen und korrigieren." Es gehe darum, Fähigkeiten blinder Menschen freizusetzen. "Warum sollte eine blinde Person, die das Potenzial hat, Gedichte zu schreiben oder Musik zu komponieren, durch ihr Handicap daran gehindert werden?", fragte er. Mit der Tastatur können auch Musikstücke geschrieben werden. Für ihn sei die Eingabehilfe eben das, als was der Botschafter sie bezeichnete – eine Brücke, die ihm den Weg ins Berufsleben als Informatiker und Programmierer ermöglicht hat.

Der Appell von Geschäftsführer Kipke an den Botschafter ist eindringlich: "Bitte nehmen Sie mit nach Hause, dass ein großes Potenzial in blinden Menschen liegt", sagte Handytech-Geschäftsführer Siegfried Kipke. "Es gibt noch so viel zu tun." Der Botschafter war begeistert und versprach: "Ich werde wieder auf sie zukommen und ihnen sagen, welche Möglichkeiten Ihre Firma in Indien hat." Er hat sich zudem auf Einladung von Bürgermeister Jan Zeitler (SPD) ins goldene Buch der Stadt Horb eingetragen.

Die Firma mit Sitz in Nordstetten hat 35 Mitarbeiter. Sie produziert pro Jahr 150 bis 200 Spezialtastaturen, die jeweils rund 6000 US-Dollar kosten. Die Firma entwickelt auch Software. Es handle sich um einen Nischenmarkt, es gebe drei Anbieter solcher Assistenzsystemen für Blinde in Deutschland. Handytech vertreibt auch Lesehilfen für Sehbehinderte und tragbare Mini-Computer, die Texte fotografisch erfassen und Blinden vorlesen.