In der ehemaligen Synagoge in Rexingen wurde die Ausstellung "Ist das ein Mensch" eröffnet / Lesung und Gesprächsrunde am 1. März

Von Peter Morlok

Horb-Rexingen. Am 27. Januar 1945 wurde das NS-Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit. Über eine Million Menschen fielen dort zuvor der Vernichtungsindustrie der Nazis zum Opfer.

Seither erinnerte man sich weltweit an diesen Tag. So auch 70 Jahre später in der ehemaligen Synagoge im Horber Stadtteil Rexingen.

Heinz Högerle, der Vorsitzende des Gedenkstättenverbandes Gäu Neckar Alb, betonte in seinen Eröffnungsworten, dass es nicht leicht falle, mit solchen Tagen umzugehen und sie vor allem würdig zu gestalten. Deshalb sei er besonders dankbar, dass sich Künstler wie Karl Heinz Schmeisser sehr intensiv mit der Schoah beschäftigen.

Aus diesem Grund durfte am 27. Januar, dem internationalen Holocaustgedenktag, der Rexinger Synagogenverein die Ausstellung von Schmeisser "Ist das ein Mensch" eröffnen, die noch bis zum 22. März in den Räumen der ehemaligen Synagoge zu sehen ist, Für Schmeisser war die Ausstellung "Die Nachbarn werden weggebracht", die vor etwa zwei Jahren im jüdischen Betsaal in Horb zu sehen war, mit ein wichtiges Schlüsselerlebnis, um sich nicht nur intellektuell, sondern auch malerisch mit dem Grauen der Konzentrationslager auseinanderzusetzen.

Wie intensiv sich der seit gut drei Jahren in Horb lebende Maler mit diesem Thema beschäftigt, beweisen nicht nur seine bedrückend dichten Bilder sondern auch sein umfassender Vortrag, in dem er die Beweggründe für seine Arbeiten sehr ausführlich darlegte.

Hätte er nicht durch Zufall von unbekannten Schriften des Jean Améry erfahren, der bereits mit seinem Text "Jenseits von Schuld und Sühne" bekannt wurde, und eben das Schlüsselerlebnis in Horb gehabt, dann wären ihm Holocaust und Nachkriegsdeutschland weiterhin in gewisser Distanz geblieben. "Aber so begann ich fieberhaft ergriffen an der neuen Werksphase zu malen und zu arbeiten", machte Schmeisser auf einen Umstand für das Entstehen dieser Ausstellung aufmerksam. Barbara Staudacher, die eine weitere prägende Rede an diesem Gedenkabend hielt, machte auf das Schicksal der Rexinger Juden aufmerksam und sprach von den Erinnerungen, die Menschen, die durch die Hölle der Nazis gingen, ihr oder anderen Freunden anvertraut haben. So erzählte sie von Hannelore Marx, die als 19-Jährige nach Riga ins Lager Jungfernhof verschleppt wurde. Mit ihr habe man schon seit zehn Jahren ein inniges Verhältnis, und der Rexinger Synagogenverein habe die Lebenserinnerungen von Hannelore Marx publiziert.

Heute weiß man, dass insgesamt 236 Menschen – über 120 davon direkt aus Rexingen – die ihre Wurzeln im Rabbinat Horb hatten "weggebracht" wurden. Vielen von ihnen konnte der Träger- und Förderverein mit der Ausstellung "Der Nachbar wurde weggebracht" ihr Gesicht und damit die Persönlichkeit und Würde zurückgeben. Die Frage "Ist das ein Mensch" wurde damals schon mit einem ganz eindeutigen "Ja" beantwortet. Aus Häftlingsnummern wurden Namen, aus behördlich genehmigten Beschlagnahmungen Diebstahl und Raub und aus der sogenannten Umsiedlung Deportierung, Entführung und Mord. All das darf nie in Vergessenheit geraten. Ausschwitz-Birkenau ist heute Gedenkstätte und ein Museum wider dem Vergessen. Es konnte als Mahnmal erhalten werden.

Umrahmt wurde diese feierliche Vernissage von den virtuosen Violinenklängen des Tübinger Geigers Jochen Brusch, der dem Anlass entsprechend ein Stück des großen Johann Sebastian Bach, eine Sonate in D-Moll des Belgiers Eugène Ysaÿe und zwei Facetten aus Fritz Kreislers "Caprice op. 6" spielte. Brusch wies in seiner Hinführung zu diesen Werken darauf hin, dass die neuzeitliche Welt der Kompositionen für Geige ohne die Kunst der jüdischen Geiger und Komponisten undenkbar wäre.

Bevor man sich dann bei Wein und Kuchen die Anstellung anschauen konnte und sich zum Gespräch traf, dankte der Chef der Kreisvolkshochschule Sascha Falk den Akteuren für diesen besonderen Abend und wies auf die nächste Veranstaltung im Rahmen dieser Ausstellung hin. Am Sonntag, 1. März, findet eine Lesung mit anschließender Gesprächsrunde zum Thema "Wie viel Heimat braucht der Mensch" statt.