Für Philip (vorne) und Kevin hat sich der Nachmittag beim Bobbera in Talheim gelohnt – sie bekamen ihre Neujahrsbrezel auch mit Mensch-ärgere-dich-nicht. Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Jahreswechsel: Geselliges Würfelspiel mit Risikofaktor garantiert in Talheim bei den Tell-Schützen einen spannenden Jahresausklang

Von Peter Morlok

Das Warten auf das neue Jahr kann man sehr unterschiedlich gestalten. Die Sportler rennen ihm beim Silvesterlauf entgegen, die private Silvesterparty will vorbereitet sein und in vielen Vereinsheimen wird um die Neujahrsbrezel gewürfelt.

Horb-Talheim. Gewürfelt wird auch beim Schützenverein "Wilhelm-Tell" im unteren Talheim. Während draußen auf der großen Schießbahn die Männer mit ihren alten Ordonnanzgewehren für ordentlichen Krach sorgen und das neue Jahr quasi schon am Nachmittag einschossen, saß man in der guten Stube des Vereins in geselligen Gruppen zum Brezelbobbera zusammen.

"Diesen fast schon traditionellen Brauch hat bei uns ein Lützenhardter eingeführt", erklärt die Vorsitzende des Vereins, Kornelia Pfeffer, und begründet damit auch, warum der Spaß, den man hier in der Gegend eher als "Silvester-Scholdern" kennt, in Talheim so einen lustigen Namen hat.

Beim "Brezelbobbera" braucht der Spieler in erster Linie Würfelglück und eine ordentliche Portion Risikobereitschaft. Gespielt wird immer in einem Team, das mindestens vier Mitspieler haben sollte. Es dürfen aber ruhig auch ein paar mehr sein. Sieger ist bei jeder Runde der Spieler, der als erster 100 Punkte zusammengewürfelt hat. An sich hört sich das einfach an, um jedoch an die heiß begehrte Neujahrs-Brezel zu kommen, muss jeder Spieler seine ganz eigene Strategie entwickeln. Er muss ab und zu auch auf sein Bauchgefühl vertrauen und er darf vor allem nicht zu gierig sein. Es wird mit zwei Würfeln gespielt, die geworfenen Augen werden zusammengezählt und auf Wunsch des Spielers notiert. Jeder Würfler kann so oft würfeln wie er will, ist jedoch eine Eins dabei, dann werden alle gewürfelten Ergebnisse aus diesem Durchgang gelöscht.

Wer sein Glück zu arg ausreizt, kann am Ende den Kürzeren ziehen

Deshalb sollte jeder Spieler zumindest erahnen, wie weit er sein Glück ausreizen kann. Denn nur das, was auf dem Zettel steht, gilt. Um einen sogenannten "Durchmarsch" hinzulegen – also so lange zu würfeln bis die 100 Augen erreicht sind, ohne dabei eine Eins zu werfen – bedarf es schon mehr als einer großen Menge Dussel, und die meisten Bobbera-Strategen verlassen sich nicht auf solch einen Lauf, sondern konzentrieren sich auf gute Zwischenergebnisse. Dass diese komplizierte Zählerei für die beiden Buben Kevin Klink (sieben Jahre jung) und seinem Bruder Philip (fünf Jahre) dann doch noch etwas zu kompliziert ist, sie sich aber schon Tage vorher auf das "Bobbera" freuen, spielte Opa Karl-Heinz Geiger, der ehemalige Vorsitzende des Vereins, und Mama Nicole mit den Jungs "Mensch ärgere dich nicht". Hier kennen sie die Regeln, und Kevin war der Erste in der Runde, der seine Brezel bekam.

Es war eine gesellige Schar, die sich im Clubhaus des Schützenvereins traf, und Kornelia Pfeffer ahnte schon am frühen Nachmittag, dass so mancher Besucher mit einer "ordentlichen Brezel im Gesicht" nach Hause geht, ohne einen einzigen Wurf getan zu haben.

Während man im Vereinsheim in lockerer Runde beisammensaß, schossen draußen auf dem 50 Meter-Schießstand 15 Schützen mit alten Ordonnanzgewehren, die bis Modelljahr 1945 zugelassen waren, um den Wanderpokal, den "Goldenen Adler", der in diesem Jahr zu einem neuen Besitzer flog. Zehn Schuss pro Serie konnten abgegeben werden, und wie schwer diese Art zu schießen ist, bei der außer Kimme und Korn keine modernen Zielvorrichtungen am Gewehr erlaubt sind, das zeigte am Ende des Nachmittags die Auswertung.

Beim Schießen um den "Adler" geht der Vorjahressieger leer aus

Zwei Mann, eigentlich geübte Schützen, konnten keinen einzigen Treffer vorweisen. Vorjahressieger Rainer Woske wurde in diesem Jahr mit 91 Ringen Dritter, Anton Möhrle mit 93 Ringen Zweiter und Hubert Unterberger darf mit erzielten 94 Ringen den "Adler" nun für ein Jahr mit nach Hause nehmen.

"Brezelbobbera" und schießen um den Wanderpokal helfen beim Schützenverein "Wilhelm Tell" die Wartezeit auf das neue Jahr zu verkürzen und erfreuten sich auch in diesem Jahr wieder größter Beliebtheit.