Einige Barrieren müssen Rollstuhlfahrer in Horb überwinden. In den vergangenen Monaten und Jahren ist kaum etwas zur Entlastung geschehen. Foto: Hopp

Rollstuhlfahrer werfen Knechtles mangelndes Engagement vor. Treffen mit Bürgermeister Zeitler.

Horb - Der Treff der Arbeitsgruppe "Barrierefreie Stadt" heute ist öffentlich. Zum ersten Mal ist Bürgermeister Jan Zeitler dabei. Ein Indiz dafür, dass das Thema in seinem Ressort Chefsache wird. Denn die Behinderten sind unzufrieden mit der bisherigen Lösung.

Im Oktober 2011 wurden Helene und Hermann Knechtle zu ehrenamtlichen Behindertenbeauftragte erklärt. Doch sie sind offenbar gescheitert – zumindest sehen das die Betroffenen Caren Totzauer und Siska Teichert-van der Ploeg so. Und auch die Stadt gerät damit bei ihrer Personalauswahl in die Kritik.

Caren Totzauer, Paralympics-Teilnehmerin und Rollstuhlfahrerin, redet Tacheles: "Wir brauchen einen Behindertenbeauftragten, der endlich mal Nägel mit Köpfen macht. Mit Herrn Knechtle hat man den Bock zum Gärtner gemacht. Da passiert nichts." Siska Teichert-van der Ploeg hatte mit dem Schwarzwälder Boten den Barrierefrei-Test gemacht. Die Rollstuhlfahrerin erklärt: "Ich war einmal bei einer Sitzung dabei. Da habe ich weder ein Protokol bekommen, noch eine Einladung für die nächste Sitzung. Als ich ihn im August anrief, wie weit er mit unseren Vorschlägen sei, wurde er unflätig am Telefon. Dabei zählt für uns Behinderte jeder Tag, der uns eine Verbesserung in unserer Lebenssituation bringen könnte."

Doch Knechtle hat von den Vorschlägen der Rollstuhlfahrerinnen offenbar bisher nichts umgesetzt. Totzauer: "Vor drei Jahren habe ich die Daten für einen Stadtführer für Behinderte zusammengetragen. Knechtle hätte diese aktualisieren sollen, in eine Software eintragen, dann kommt ein fertiger Führer raus. Der liegt seit drei Jahren auf Eis. Knechtle weiß seit dem Frühjahr davon. Er wollte die Sache noch mal sichten. Bis heute ist nichts passiert."

Auch Kleinigkeiten wie die bei Veranstaltungen in der Hohenberghalle nicht aufgeschlossene Behindertentoilette oder die fehlende Markierung an der Rathaus-Tür für Behinderte habe Knechtle bisher nicht gelöst.

"Das ist ja fast wie bei Guttenberg"

Teichert-van der Ploeg: "Im Sommer mussten wir von Knechtle erfahren, dass es keine Themen für eine nächste Arbeitkreissitzung gäbe. Deshalb keine Einladung." Nachdem der Schwarzwälder Boten den laut ADAC "nicht behindertengerechten Behindertenparkplatz" im Kaiser aufgedeckt hatte, wurde Knechtle zur Stellungnahme gebeten. Bis heute kam keine Antwort. Immerhin schaffte er es, zwei der Mängel, die der Schwarzwälder Bote im Barrierefrei-Test aufdeckte, auf die heutige Tagesordnung zu bringen. Den Behindertenparkplatz Kaiser und ein Handlauf innen im Bürgerbüro. Doch den Rollstuhlfahrerinnen reicht das offenbar nicht aus. Teichert-van der Ploeg: "Ich empfinde es als nicht hilfreich, wenn der ehrenamtliche Behindertenbeauftragte Texte aus dem Internet eins zu eins kopiert und mit seinem Namen ins Amtsblatt setzt." Der Schwarzwälder Bote forschte nach. Am Freitag, 24. August, erschien im Amtsblatt der Artikel "Die Behindertenbeauftragten informieren: Blinde und sehbehinderte Menschen". Unterzeichnet mit Helene und Hermann Knechtle.

Die Google-Suche brachte insgesamt neun gleichlautende Texte. Unter anderem von Integrationsaemter.de oder hauptfuersorgestellen.de. Teichert-van der Ploeg: "Auch bei anders-sehen.at ist dieser Text wörtlich zu finden. Das ist ja fast wie bei Guttenberg. Wir brauchen keinen Behindertenbeauftragten, der Texte kopiert, sondern der sich dafür einsetzt, dass sich unsere Lebensumstände verbessern."

Caren Totzauer: "Ich bin emotional geladen, was die Rolle der Knechtles anbelangt. Wir brauchen einen Beauftragten, der Verbindlichkeiten festlegt, Veranwortlichkeiten benennt und für die Umsetzung sorgt."

In Rathauskreisen gelten beide Rollstuhlfahrerinnen als "streitbar". Doch bereits die Ortstermine unserer Zeitung mit den Betroffenen haben gezeigt, dass es wirklich große Barrieren für Rollstuhlfahrer gibt, aber mit wenig Mitteln viel erreicht werden kann: mit besseren flachen Bordsteinen, Handläufen, Klingeln und mehr Behinderten-Parkplatz-Markierungen beispielsweise vor der Hohenberghalle.