Ohne sofortige notärztliche Behandlung wäre der Mann verblutet. Foto: Gina Sanders / Fotolia.com

Gericht: Opfer hat unglaubliches Glück, mit dem Leben davon gekommen zu sein.

Horb/Rottweil - Das Leben des Opfers hing am seidenen Faden: Nach den vier Stichen in Brust und Bauch war insbesondere die Leber des 37-jährigen Horbers geschädigt. Er verlor zwischen zwei und drei Liter Blut.

Diese Verletzungen, attestierte Nadine Ehser in ihrem rechtsmedizinischen Gutachten vor dem Landgericht Rottweil, seien lebensgefährlich gewesen.

Wäre es nicht sofort zur Not-Operation im Klinikum Villingen-Schwenningen gekommen – wo das Opfer per Hubschrauber hintransportiert worden war –, wäre der Mann in einen Schockzustand verfallen und gestorben.

"Es war eine Sache von Millimetern, sonst wäre er nicht mehr zu retten gewesen", sagte die Medizinerin auf die Nachfrage von Richter Karlheinz Münzer, ob der Faktor Glück zum Überleben des Opfers geführt habe.

Dieses habe in akuter Lebensgefahr geschwebt, habe der Täter doch zwei Zentimeter in den linken Leberlappen eingestochen. Verletzungen der Leber hätten starke Blutungen zur Folge. So habe das Opfer zwischen zwei und drei Liter Blut verloren. Ein Mensch hat insgesamt zwischen fünf und sechs Liter Blut im Körper.

Neben der Leber wurden auch der Darm und die Milz des Opfers geschädigt.

Der Täter hatte seinem Opfer Stiche zugefügt, die eine Ausdehnung von jeweils etwa vier Zentimetern hatten. Das deute neben dem Stich auch auf einen Schnitt hin, sagte Nadine Ehser. Die Stiche hätten auch Herz und Lunge verletzen und so lebensgefährliche Blutungen auslösen können. Der Täter stand zur Tatzeit nicht unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol. Er hatte erklärt, dass er einige Tage vor der Tat ein bis zwei Züge an einem Joint genommen habe. Diese Wirkung sei aber nach fünf bis zwölf Stunden verschwunden, sagte die Rechtsmedizinerin.

Zudem verwiesen die Richter auf eine Vorstrafe des Beschuldigten wegen gefährlicher Körperverletzung im Jahr 2014. Dort hatte er einem Mann unvermittelt Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Zuvor fielen die Worte: "Damit du auch mal weißt, wie das ist." Die achtmonatige Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Beschuldigte rechtfertigte diese Tat so: Das Opfer habe gedroht, seiner Schwester und Mutter etwas anzutun. Heute würde er anders reagieren und diesen Vorfall der Polizei melden, anstatt mit dem Pfefferspray Selbstjustiz zu betreiben.

Für die Messerstiche im und um den Bahnhof machte er Schlafmangel, Drogen und Medikamente verantwortlich. Einen weiteren, eher bizarr anmutenden Aspekt führte er an: So habe er eine Blutwurst gegessen, die mit Menschenblut gefüllt gewesen sei. "Ich habe im psychotischen Affekt zugestoßen", erklärte er.

Nach der Tat habe er kurz an eine Flucht gedacht, gelangte dann aber zu der Einschätzung, dass er sowieso erwischt werde. Für ihn sei die Tat ein versuchter Totschlag und kein versuchter Mord, da weder Heimtücke noch Habgier vorgelegen hätten.

Zuvor hatte ein Zeuge über die Begegnung von Täter und Opfer in einem Laden einige Stunden vor der Tat berichtet. Die Beiden hätten sich lautstark unterhalten. Der Beschuldigte habe gesagt, dass sein späteres Opfer ins Gefängnis gehöre und weiter: "Das ist für heute noch nicht vorbei".

Auch Nachbarn hatten zuvor über Probleme mit dem Beschuldigten berichtet. So habe er Autos zerkratzt und für Ruhestörungen gesorgt.

Die Verlesung eines psychiatrischen Gutachtens erfolgte aus Rücksicht auf den Beschuldigten nichtöffentlich. Am Mittwoch, 9. November, erfolgen dann die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidiger, bevor das Urteil gesprochen wird.