Theologe Paul Zulehner referierte auf dem Hohenberg. Foto: Siegmeier Foto: Schwarzwälder-Bote

Vortrag: Wiener Theologieprofessor spricht über Flüchtlingsthematik

H orb. Die Flüchtlingswelle mit Menschen aus Syrien und vielen anderen Staaten überschwemmt uns geradezu – so oder so ähnlich jedenfalls empfinden es viele Bürger. Einige haben Angst, andere sind in Sorge oder wiederum andere sind verärgert über die Entwicklungen.

Der Frage, warum dies so ist, ist der emeritierte Wiener Professor Paul M. Zulehner nachgegangen. Am Mittwochabend referierte er auf Einladung der katholischen Erwachsenenbildung und des katholischen Dekanats über das Thema, über das er erst jüngst auch das Buch "Entängstigt Euch" veröffentlicht hat.

Mit bewegenden, berührenden Bildern aus Aleppo eröffnete er den Abend. Er erzählte von Gesprächen mit Menschen aus den Kriegsgebieten und wartete dabei mit profundem Wissen auf. Gespickt war sein rund zweistündiges Referat mit feinsinnigem Humor. "Denn man darf bei alledem das Lachen nicht verlernen", appellierte er an die Zuhörer. Aber wie kommt es, dass die Flüchtlingsströme in der Bevölkerung für so unterschiedliche Reaktionen sorgen?

Zulehner ist überzeugt, dass Angst hier eine große Rolle spiele. Viele Reaktionen würden aus Angst oder Unwissenheit folgen. "Aber Angst haben wir alle", betonte er und riet, zu versuchen, "aus dem Angst-Eck heraus zu lieben". Nicht ganz einfach offenbar. Leben sei ein Balanceakt zwischen Angst und Vertrauen. Wenn Vertrauen nicht wachsen könne, dann führe dies häufig zu Gewalt.

Zulehner zeigte ganz unterschiedliche Arten von Ängsten auf und betonte, dass aus der Angst heraus so genannte Selbstsicherungsstrategien entstünden, um sich durch Gewalt zu verteidigen.

Es gebe drei unterschiedliche Gruppen in der Bevölkerung, hat Zulehner in seiner Umfrage ermittelt. Diejenigen, die sich für die Flüchtlinge engagieren würden zu der Gruppe gehören, die Zuversicht als ihr Grundgefühl beschreiben. Mehr als die Hälfte der Befragten seien allerdings in Sorge, beim Rest dominiere der Ärger. "Sie wünschen sich Zäune um Europa und den Ausbau zur Festung", so Zulehner. Aber das sei keine Lösung. Kirche und Gesellschaft stünden hier vor einer Zerreißprobe. "Dabei sollten die Kirchen das Thema ganz oben anstellen. Denn Kirche ist der Ort, an dem die Angst weniger werden kann", so der Theologe.

Ganz klar für Zulehner ist die Trennung von Staat und Kirche. "Bei uns ist der Landfrieden auch erst durch die Säkularisierung des Staates entstanden", betonte er und sagte, dass es unbedingt einen aufgeklärten Islam brauche.

Zudem plädiert Zulehner für eine Politik des Vertrauens. "Diese Politik soll die Ursachen der Flucht bekämpfen". So gehe es beispielsweise nicht ohne Waffenstillstand in diesen Ländern. Eine kontrollierte Aufnahme von Flüchtlingen und eine gemeinsame Verantwortung Europas seien ebenfalls wichtige Punkte.