Gesichter eines Konzertabends: auf dem Foto links der Sänger Mahran Yakoub. Zweites Foto: Gisela Höpfer (links) und Christa Stiegenroth in tänzerischer Stimmung. Michael Grüber dirigiert die Mitglieder des "Chores der Nationen" und die Zuhörer. Rechtes Foto: der Tübinger Tar-Spieler Nima Noori. Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Konzert "Alle Menschen werden Brüder" erweitert die musikalische Vielfalt in Horb enorm

Von Christof Schülke

Bis auf wenige Plätze war die Johanneskirche am Freitagabend voll. Eine verdiente Resonanz für einen Abend, bei dem es nicht nur um Musik ging. "Das Konzert heute soll eine Botschaft sein", erklärte der Kirchenmusiker Michael Grüber als Initiator des Abends.

H orb. Hauptakteure waren neben Grüber der in Horb lebende Lautenist Ahmad Almir, der Sänger Mahran Yakoub, der Tar-Spieler Nima Noori aus Tübingen sowie Grübers "Chor der Nationen".

"Alle Menschen werden Brüder" war der Titel des Konzerts, entlehnt aus dem "Gedicht an die Freude" von Friedrich Schiller, Liedtext für van Beethovens 9. Sinfonie. Diese Hymne, von allen gesungen, war gegen Ende des Konzerts der Höhepunkt. Und die Zuspitzung eines spannend aufgebauten, musikalisch anregenden Musikabends.

Zu Beginn gab es Kostproben aus den zwei Musikwelten des Morgen- und Abendlandes. Das Duo Almir/Noori spielte zuerst virtuose Musik auf den zwei Saiteninstrumenten. Die Oud, die arabische Laute, klingt ähnlich wie eine europäische Barock- oder Renaissance-Laute, hat aber ein anderes Tonspektrum weil sie keine Bünde besitzt. Die Tar ist eine iranische Langhalslaute, die einen deutlich helleren, etwas schnarrenden Ton besitzt, ein wenig wie ein Banjo oder eine Sitar. Die Musiker spielten traditionelle Stücke, verwoben zu virtuosen Dialogen zwischen der Oud und der Tar.

Dann kam Mahran Yakoub dazu und brachte byzantinischen Kirchengesang als drittes Element dazu.

Gemeinsames Gebet um Frieden

Die mal meditative, mal spannungsvolle, mal rhythmisch ausgelassene Musik passte auch akustisch gut in den Raum der Johanneskirche, wo sich auch die zarten Lautentöne schön entfalten konnten. Als dann noch die Orgel mächtig einsetzte, gerade so, als wolle der Spieler sein Hausrecht behaupten, begann der Abend, eine eigene Geschichte zu erzählen, und zwar in der Sprache der Musik, die alle verstehen.

Michael Grüber legte an der Orgel ungestüm los mit "Pomp and Circumstance" von Edward Elgar, dessen Text "Land of Hope and Glory" man mit englischen Festivitäten verbindet. Ein Stück, das vielleicht auch die Einschüchterung in einer fremden, mächtigen Kultur symbolisieren sollte. Passend dazu schwieg die Laute – um dann bei Bachs melodisch schwebendem Choral "Wohl mir, dass ich Jesum habe" sowie bei der Toccata d-moll mit der Orgel zusammen nach den Takten dieser Barockmusik zu tanzen.

Musikalischer Höhepunkt des Abends war eine Art Suite aus arabischer und iranischer Musik, gespielt von Almir und Noori. Hier zeigten die beiden Musiker ihre Virtuosität und konfrontierten die Zuhörer zugleich mit dem Facettenreichtum und der Komplexität der Musik aus dem nahen Osten. Ein rauschender Beifall mit Bravo-Rufen war der Lohn für das beeindruckende Stück, das in einen Sologesang von Yakoub mündete.

Auf ganz andere Art steigerte sich dann die Dramatik. Michael Grübner und sein "Chor der Nationen" luden das Publikum zu einer Klangraumimprovisation ein. "Letter from Syria", Brief aus Syrien, war das Thema. Einer der Sänger war der symbolische Briefschreiber und schlug auf einer alten Reiseschreibmaschine den Takt. Der Chor begann, dazu Geräusche zu improvisieren: aneinander reibende Handflächen als Blätterrascheln, Pfeifen als Vogelstimmen oder das Klopfen aufs Holz der Kirchbänke, das vielleicht Schüsse nachahmte. Mit dem Stampfen auf den Holzboden waren die Bomben in Syrien gemeint. Grüber dirigierte das Ganze, und als die Zuhörer mitmachten und eine Klangkulisse entstand, da wurde der Brief aus Syrien, zu dem es keinen Text gab, auf dramatische Art lebendig und bekam eine Seele.

Nach diesem weiteren Höhepunkt ging das Konzert mit einigen Stücken des "Chors der Nationen" und einem gemeinsamen Gebet um Frieden dem dritten Höhepunkt entgegen, dem gemeinsam gesungenen "Freude schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium..."

Genau dieses Gefühl wird als Erinnerung an dieses Konzert bleiben.