Hermann Walz (links) und Heinrich Kuhn vor der Flüchtlingsunterkunft in Talheims ehemaliger Grundschule. Foto: Hopp

Heinrich Kuhn besucht Flüchtlings-Unterkunft. "Zum Deutsch-Unterricht kommt keiner mehr". Politische Inszenierung?

Horb-Talheim - Hoher Besuch in der Flüchtlingsunterkunft: Der Alterspräsident des baden-württembergischen Landtags, Heinrich Kuhn (75), AfD, hat sich am Montag vor Ort in Talheim informiert. Vom Landratsamt und vom Horber Rathaus war niemand dabei – und das war vielleicht auch so gewollt.

Es war der Horber Gemeinderat Hermann Walz (ULH), der Kuhn eingeladen hatte. Und eine der Helferinnen, die sich um die Flüchtlinge in der alten Grundschule kümmern.

Kuhn sollte einen wirklich exklusiven Blick hinter die Kulissen bekommen. Schon von außen zu sehen: teilweise kaputte Fenster. Walz: "Das ist ein Hauptproblem. Die Fenster dort wurden seit August 2015 nicht gemacht."

Dann kommt die Helferin. Kuhn lobt ihr Ehrenamt: "Das ist sehr ehrenwert, dass sie sich um die Flüchtlinge kümmern." Die Helferin erzählt, dass die meisten der 46 Bewohner seit November 2014 hier untergebracht sind. Weil Gemeinderat Walz mit mehreren Schreiben – auch an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – interveniert hatte, sind sie endlich im Asylverfahren. Die Helferin: "Vor drei Wochen hatten die ihre Interviews. In Heidelberg wussten die das gar nicht, dass die hier sind." Alterspräsident Kuhn: "Offenbar wurden sie schlicht vergessen."

Dann will der Alterspräsident wissen, welche Nationalitäten in Talheim untergebracht sind und welche Berufe die Flüchtlinge haben. Die Helferin sagt, dass die Bewohner teils in Berufen gearbeitet haben, teils aber in ihrem Heimatland schon arbeitslos gewesen seien. Der AfDler bohrt nach: "Wissen Sie, wie die für ihren Unterhalt in Albanien gesorgt haben?" Die Helferin: "Das weiß ich nicht. Ich weiß aus den Berufspraktika der Schüler, dass sie alle Berufe machen wollen. Aber nichts mit Putzen. Zum Deutsch-Unterricht kommt inzwischen auch keiner mehr."

Den habe man zunächst auf 10 Uhr angesetzt. Das sei den Flüchtlingen aber zu früh gewesen. Dann wurde er auf 14 Uhr verlegt. Auch der Musik-Unterricht am Freitag stoße inzwischen kaum noch auf Resonanz. Die Helferin: "Die Termine kollidieren mit den Öffnungszeiten der Kleiderkammer. Das ist frustrierend. Die Angebote werden nicht ernst genommen. Man hat das Gefühl, da wird Wasser in den Bach getragen."

Alterpräsident Kuhn: "Da höre ich Enttäuschung heraus." Die Helferin: "Die kriegen von mir alles Herzblut. Aber normalerweise darf niemand hinter die Kulissen schauen. Ich betreue auch Flüchtlinge aus Syrien hier. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Mein Syrer kommt und sagt: ›Sprechen, sprechen, sprechen.‹ Der will."

Dagegen ist das, was in der Gemeinschaftsunterkunft in der alten Grundschule passiert, offenbar wirklich nicht angenehm. Manche der Flüchtlinge machten bis spät in der Nacht "Rambazamba" und seien dann bis mittags im Bett. "Die Kinder schlafen morgens in der Schule ein."

Die Helferin hat nach eigenen Angaben beobachtet, dass Lebensmittel aus dem Tafelladen einfach weggeworfen werden.

Der Alterspräsident wirft ein: "Es gibt auch Fälle von Deutschen, die nicht wissen, wie man mit Lebensmitteln umgeht." Die Helferin: "Wir versuchen, den Flüchtlingen die Regeln beizubringen, um so etwas zu vermeiden. Leider haben wir nicht den Eindruck, dass das von den Flüchtlingen und vom Landratsamt unbedingt so gewünscht wird." Im April 2015 hatte ein Landkreis-Mitarbeiter den Asyl-Paten Hausverbot erteilt (wir berichteten).

Der Ortstermin mit dem AfD-Abgeordneten hatte allerdings den Beigeschmack einer politischen Inszenierung mit einseitigen Inhalten. Denn weder bei der Stadt Horb noch im Landratsamt Freudenstadt wusste man von Kuhns Besuch.

Landrat Klaus Michael Rückert sagte auf Anfrage unserer Zeitung: "Wir wussten nichts davon, die Kreisverwaltung wurde nicht informiert. Regelmäßig besuchen Abgeordnete die Flüchtlingsunterkünfte. Bei einer Anmeldung ist dann ein Vertreter des Landkreises dabei, der Informationen geben kann." Über den Besuch Kuhns ist er "sehr verwundert".

Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger spricht von einem "starken Stück". Es sei eine Frechheit, jemanden dorthin einzuladen, ohne die Stadt zu fragen. "Das wird Konsequenzen haben."