Anna Orlinsky mit ihrem Kind. Für Frauen mit Babys vertreibt sie im Internet einen Stillschal. Foto: Privat

Junge Mutter entwickelt aus Problem ihre Geschäftsidee. "Frauen haben anderen Blickwinkel auf die Welt."

Kreis Freudenstadt - Anna Orlinski (39) war vor gut fünf Jahren frisch von ihrem Partner getrennt und hatte ein Baby. Die richtige Situation, um ein Unternehmen zu gründen? Die energische Frau hatte den Mut dazu und hat einfach losgelegt. Ihr Online-Verkauf von Stillmode ist ein Erfolg.

Am Anfang stand ein Problem: Anna Orlinski war mit ihrem acht Wochen alten Säugling, den sie noch stillte, zu einer Familienfeier eingeladen. Sie wollte gerne hingehen, aber wo dort stillen? "Ich wollte nicht, dass Onkel Heinz und Co. zuschauen." Also suchte sie im Internet nach einer Lösung und stieß auf sogenannte Stillschürzen. Eine ästhetische Katastrophe für Orlinski. "Die würde ich nicht mal in den eigenen vier Wänden anziehen, geschweige denn in der Öffentlichkeit", sagt sie und lacht. Ihre Mutter, offenbar so zupackend wie sie, habe daraufhin gesagt: "Dann nähen wir dir halt was." Das Ergebnis: ein Schal, in den Orlinski ihr Baby hineinlegen und zudecken kann – ein Stillschal.

Orlinski hat ihrer eigenen Einschätzung nach Talent darin, Möglichkeiten und Wege für ihre Ideen zu finden. Als sie merkte, dass es einen Bedarf für den Stillschal gibt, ließ sie professionelle Bilder machen und verteilte bei ihren Babyspaziergängen Flyer. Sie bastelte eine eigene Homepage – ihre erste – und ließ die Mama nähen. Das Rückkehr-Angebot in ihren Job als Personalerin fiel für die Betriebswirtin nicht so aus, wie sie sich das gewünscht hatte. "Ich habe mir die kühne Frage gestellt: Was ist, wenn ich alles auf eine Karte setze?" Heute sagt sie: "Ich hatte damals viel Vertrauen und Zuversicht, dass es gut wird."

Sie zog aus Frankfurt zurück in die Region Freudenstadt zu ihren Eltern. Das Unternehmen wuchs schnell. Inzwischen lässt sie die Schals und andere Stillmode in Polen nähen und verkauft sie übers Internet. Sie und ihre Eltern können gut davon leben, wie sie sagt.

Den Mut, eine eigene Idee umzusetzen und sich was zuzutrauen, hält Orlinski für die wichtigste Eigenschaft, die sich Frauen aneignen müssen, wenn sie nicht wie sie damit gesegnet sind. "Bei Gesprächen mit Frauen in meinem Umfeld merke ich, dass eine Wandlung stattgefunden hat und immer mehr Frauen den Mut haben, ihren Weg zu gehen", sagt sie. In der Anfangsphase ihres Unternehmertums hat sie sich mit Integrations- und Bewerbungs-Kursen bei der Volkshochschule was dazuverdient und dabei öfter Teilnehmerinnen gehabt, die nach zehn oder 15 Jahren Familienpause wieder ins Berufsleben einsteigen wollten. Nach so langer Zeit sei den Frauen der Wiedereinstieg oft schwer gefallen. Mit Unterstützung wie einem Kurs könne man es aber schaffen, sagt Orlinski. "Man ist ausschließlich selbst verantwortlich für seine Fähigkeiten und Kompetenzen. Gerade deshalb muss sich Frau von der Vorstellung trennen, dass für sie gesorgt wird. Auch wenn es verlockend ist, sich darauf auszuruhen."

Bei ihr habe in der Elternzeit der Kopf nie Ruhe gegeben, sie habe immer wieder Ideen gehabt. "Es steckt so viel Potenzial in uns drin", sagt sie über sich und andere Frauen. Wer eine Geschäftsidee hat, solle sich nicht bremsen lassen. Orlinskis Devise zielt aufs Ausprobieren: "Anpacken und mit Blick auf das Ziel gerichtet einen Schritt nach dem anderen gehen."

Auch bei ihren Eltern hat sie Potenzial freigesetzt – beide hatten noch nie im Büro gearbeitet. Nach einem Computerkurs und dem Sprung ins kalte Wasser seien sie jetzt ein wichtiger Teil des Unternehmens.

Sind Frauen die besseren Unternehmerinnen? "Frauen haben einen anderen Blickwinkel auf die Welt", sagt Orlinski. In ihrem Job als Personalerin habe sie erlebt, dass Frauen mehr Einfühlungsvermögen mitbringen und damit auch empathischer an Probleme herangehen. Aber die besseren Unternehmerinnen seien sie nicht. "Die nötige Vielfalt, die es in einem Unternehmen braucht, kommt zustande, wenn Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenkommen. Wenn Andersartigkeit gewünscht und integriert wird." Egal, ob Mann oder Frau.