Ein gekipptes Fenster nutzten zwei Betrunkene im vergangenen Jahr, um in die Sozialstation einzubrechen. Foto: Störzer Foto: Schwarzwälder-Bote

Prozess: 40-Jähriger wird wegen Einbruch in Sozialstation zu drei Jahren Bewährung verurteilt / Von Zeugen erkannt

Ein großer Stein ist am Mittwochnachmittag einem Angeklagten nach der Urteilsverkündung im Horber Amtsgericht vom Herzen gefallen.

Ho rb. Wenn es nämlich nach der Vertreterin der Staatsanwaltschaft gegangen wäre, hätte der 40-jährige Angeklagte eine Strafhaft von sieben Monaten antreten müssen – und dies ohne Bewährung. Zu einschlägig seien seine Vorstrafen, die er sich jeweils bei Prozessen, bei denen es sich um Ladendiebstahl drehte, einhandelte. Auch eine günstige Sozialprognose könne sie nicht erkennen und der Angeklagte verübte die ihm zu Last gelegte Tat noch innerhalb einer aktuell laufenden Bewährungszeit. Deshalb fordere sie diese harte Strafzumessung, erklärte sie in ihrem Plädoyer.

Um was ging es bei diesem Prozess? Der Angeklagte bekam am Wochenende des 14. August 2016 Besuch von seinem Schwager und dessen Ehefrau. Die Freude war groß und der Durst an diesem heißen Sommerabend ebenso. Fünf Flaschen Bier genehmigten sich die Herren, bevor sie sich allein auf eine Tour durch Horbs Kneipen aufmachten.

Auf dem Heimweg, sie hatten gerade ein Pub in der Gutermann-Straße verlassen, verspürten sie angeblich ein großes menschliches Bedürfnis. Sie suchten deshalb einen geeigneten Ort, um die Blase zu leeren und fanden ihn in der dunklen Baustelle beim Altenheim Ida von Toggenburg. "Wir waren pinkeln, ich war fertig und bin schon weitergegangen, aber mein Schwager brauchte anscheinend länger – insgesamt eine Viertelstunde etwa", ließ der Angeklagte von der extra bestellten Dolmetscherin übersetzen, denn auch nach vier Jahren in Horb war sein Deutsch eher mäßig ausgeprägt bis gar nicht vorhanden. "Wer braucht 15 Minuten zum pinkeln?", wunderte sich Richter Trick. Natürlich niemand, auch nicht der Schwager, bei dem später 1,7 Promille Blutalkohol festgestellt wurden. Die Zeit brauchte der Mann, um in die Räume der Horber Sozialstation einzudringen.

"Wir haben dummerweise die Fenster über Nacht gekippt gehabt", berichtete Pflegedienstleiter Joachim Milles im Zeugenstand. Der Schwager des Angeklagten, der für diese Tat bereits rechtskräftig verurteilt ist, konnte der Versuchung nicht widerstehen und nutzte die Gunst der Stunde, um in das Gebäude einzudringen. Im Büro des Pflegedienstleiters und dem angrenzenden Raum "schaute" er sich um. Er fand dort jedoch nichts, was er hätte bequem mitnehmen können und schmiss, vielleicht aus Frust oder aufgrund der Alkoholisierung, wie er selbst auf Befragung durch Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick zugab, ein paar Blumenstöcke und eine Plastik-Gießkanne aus dem Fenster ins nahe Gebüsch.

Was beide Herren nicht wussten, das war die Tatsache, dass ihr Tun bereits von einer aufmerksamen Nachbarin und deren Lebensgefährten beobachtete wurde. Die Frau arbeitet ebenfalls im Altenheim, kannte sich daher gut aus und rief ihre Kollegin von der Nachtwache an, ob man in den Räumen der Sozialstation etwas zu tun habe. Das hatten die Altenpflegerinnen der Nachtwache nicht, und deshalb informierte die Zeugin die Polizei. Ihrer Kollegin riet sie noch, sich ja nicht in Gefahr zu bringen und einfach auf die Polizei zu warten. Das passte der resoluten Altenpflegerin jedoch gar nicht. "Unerschrocken wie ich bin, bin ich rausgerannt und habe laut gefragt, was die Burschen da machen – da sind sie Richtung Bildechinger Steige abgehauen."

Wichtig an den beiden Zeugenaussagen der Damen war, dass sie unabhängig voneinander berichteten, dass sie zwei Männer – einen etwas größeren, stabileren – den Schwager – und einen etwas kleineren – den Angeklagten – gesehen haben, die in unmittelbarer Nähe zueinander agierten. Für die Staatsanwaltschaft und das Gericht stand daher fest, dass der Schwager in das Gebäude eingestiegen war, und der Beschuldigte draußen Schmiere stand und nicht, wie von ihm angegeben, mindestens 200 Meter vom Tatort entfernt auf den Schwager gewartet hat. Insgesamt wertet die Staatsanwaltschaft dieses Vorgehen als versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall, für den das Gesetz einen Strafrahmen von einem Monat bis zu sieben Jahren vorsieht. Aufgrund der gegebenen Umstände schienen hier sieben Monate Strafhaft für die Anklagevertreterin angemessen.

Der Angeklagte selbst schilderte sich als das unschuldige Opfer gleich mehrerer Justizirrtümer. Seine Vorstrafen – alle aus Ladendiebstählen – habe er sich für Dinge gefangen, für die er gar nichts könne. "Die Hausdetektive brauchten anscheinend ein Opfer", seine persönliche Einschätzung. "Und heute sitze ich wieder hier und soll sogar für etwas ins Gefängnis, in das ich auch nur so reingeschlittert bin", jammerte er. Als der dann noch vom Tod seiner beiden Kinder berichtete, wurden die Taschentücher, die ihm Richter Trick besorgte, knapp.

Der Vorsitzende hatte letztendlich ein Einsehen mit dem Angeklagten. Er verurteilte ihn zu zwei Monaten Gefängnis, die er auf drei Jahre Bewährung aussetzte. Ferner muss der Täter 50 Sozialstunden ableisten und für die Verfahrenskosten aufkommen.