Bei solch einem Blitzgerät hat der Angeklagte nach Ansicht des Gerichts den Stecker gezogen. (Symbolfoto) Foto: Ebener

Aus politischem Prozess legt junger Mann Anlage lahm. Strafe: 350 Euro Bußgeld. Nach Urteil formuliert Angeklagter sofort Widerspruch.

Horb - Eigentlich hörte sich das Delikt "Sachbeschädigung und leichte Körperverletzung" nach Routine an, doch was Richter Armin Ruetz in seinem vorletzten Fall als Richter am Horber Amtsgericht zu verhandeln hatte, entwickelte sich phasenweise zur Gerichtspose allerbester Güte.

Hauptdarsteller war ohne Zweifel der Angeklagte. Medial nicht ganz unbekannt, hatte er doch beim Dreikönigstreffen 2013 den damaligen FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler vor versammelter FDP-Prominenz als "Arschloch" und "Volksverhetzer" betitelt und auf einer Internetplattform Rösler in einer Fotomontage zum "Schlächter von Saigon" gemacht. "Die SPD hat Sie damals rausgeschmissen", erinnerte sich Ruetz und der junge Angeklagte prahlte: "Jawohl, ich bin der Einzige, der jemals ohne Verurteilung aus der SPD flog." Der Fall ging seinerzeit durch die Medien.

Sicher nicht ganz so spektakulär ist sein aktueller politischer Protest, wie er sein Vergehen selbst einschätzt, wegen dem er wieder einmal vor Gericht stand. Am 15. April habe er gegen 9.30 Uhr den Stecker des Radargerätes, das der städtische Ordnungsdienst in der Stadionstraße in der Nähe des Autohauses Kronenbitter aufgebaut hatte, herausgezogen und das Gerät somit unbrauchbar gemacht. "Das stimmt", gab der Angeklagte unumwunden zu. Es sei aus seiner Sicht ein politischer Protest gewesen. Er sei der Meinung, dass man mit dem Geld, das so ein Überwachungsgerät koste, etwas Besseres anfangen könne. Außerdem habe er die Sache nicht beschädigt, sondern lediglich das Stromkabel ausgestöpselt.

Er redete mit Händen und Füßen, blätterte in seinem Strafbefehl

Für diese Art des Protestes flatterte ihm ein Strafbefehl über 750 Euro ins Haus, gegen den er Widerspruch einlegte und man deshalb mündlich verhandeln musste. Der gerichtserfahrene 22-jährige Angeklagte, der in einer Kreisgemeinde wohnt, erschien selbstverständlich ohne Anwalt, tat unheimlich beschäftigt, gab sich altklug und in juristischen Dingen wohl vorbereitet. Er redete mit Händen und Füßen, blätterte ständig in seinem Strafbefehl und der Ladung zum aktuellen Termin, erging sich hier und da in Wortklaubereien, hatte aber in Wirklichkeit außer seiner etwas merkwürdigen Rechtsauffassung nichts zu bieten.

Zum Tathergang an sich berichtet er, dass er beim "ausstöpseln" vom Ordnungshüter überrascht wurde. "Der kam aus seinem Bully raus, hat sich auf mich geschmissen und 'Sie sind verhaftet' geschrien". "Als der Mann noch behauptet hat, dass er von der Horber Polizei wäre, habe ich einen Lachanfall bekommen." Für den Angeklagten war sofort klar, dass die körperliche Gewalt, die gegen ihn angewandt wurde, nicht angemessen war. Nur deshalb setzte er sich dagegen zur Wehr. Er wollte sich von dem Griff des Ordnungsbeamten losreißen. Dabei erlitt der Ordnungshüter laut Staatsanwaltschaft sowohl ein Hämatom am Oberarm als auch eine kleine Wunde an der Hand.

Damit war für die Staatsanwaltschaft der Tatbestand der Körperverletzung sowie Widerstand gegen einen Vollzugsbeamten erfüllt. Der politische Protest endete also mit einem blauen Fleck und Ruetz kommentierte dieses Handeln mit dem trockenen Kommentar: "Ich glaubte, wir seien schon lange vom Baum."

"Natürlich darf Sie der Mann vom Ordnungsamt festhalten – erschießen darf er Sie jedoch nicht", zurrte der Richter die Grenzen des Tuns fest, zu denen der Ordnungshüter berechtigt war. "Ja, ich habe doch nur den Stecker gezogen – wenn der Herr freundlich darum gebeten hätte, ich solle ihn wieder reinstecken, dann hätte ich das vielleicht getan. Man kann doch über alles reden", verteidigte sich der "Steckerzieher" wort- und gestenreich. "Der Ordnungsdienst wird nicht fürs diskutieren bezahlt", lautete die nächste Klarstellung von Ruetz.

Trotz dieser sturen Haltung bastelten Richter und Staatsanwalt dem Angeklagten eine goldene Brücke. Sie boten ihm eine Beschränkung des bisherigen Strafbefehls an. Ein Angebot, mit dem der junge Mann nichts anfangen konnte oder wollte. Im Gegenteil, er wollte es wissen, da er sich selbst als Opfer sah. Nach Anhörung dreier Zeugen stand jedoch der Sachverhalt in groben Zügen fest. Der Politrebell forderte für sich trotzdem ein Freispruch, wurde jedoch zur Zahlung einer Geldstrafe von 350 Euro verdonnert.

Ein gutes Stündchen Gerichtsverhandlung und 400 Euro gegenüber der ursprünglichen Summe gespart, das macht Lust auf mehr. Noch im Gerichtssaal ließ sich der Angeklagte Stift und Papier geben und formulierte seinen Widerspruch gegen dieses Urteil gleich vor Ort. Fortsetzung folgt, und wie sagte er doch zu dem Ordnungshüter, als er dessen Überwachungsgerät ausstöpselte: "Späßle g’macht".

Hier die Kommentare von unserer Facebook-Seite:

Weil ein 22-Jähriger den Stecker einer Blitzeranlage zog, wurde er von einem Gericht in Horb a. N.ckar zu einem Bußgeld...

Posted by Schwarzwälder Bote on  Freitag, 16. Oktober 2015