Gregorianik meets Pop: "The Gregorian Voices" traten in der gut besuchten Horber Stiftskirche auf. Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Spiritueller Gesang in der Horber Stiftskirche: "The Gregorian Voices" pflegen mittelalterliche Vokalkunst

Die Stiftskirche verwandelte sich am Sonntagabend wieder einmal in ein Konzerthaus. Das unbeheizte Kirchenschiff wurde zum Konzertsaal für acht bulgarische Sänger, die sich marketingtechnisch passend zu der Hauptausrichtung ihrer Sangeskunst als Mönche präsentierten.

Horb. Das Vokaloktett "The Gregorian Voices" hat es sich zur Aufgabe gemacht, die frühmittelalterliche Tradition des gregorianischen Chorals zu bewahren. Alle acht Sänger haben eine klassische Gesangsausbildung und singen gemäß der gregorianischen Tradition einstimmig, unbegleitet und in lateinischer Sprache.

Mit ihren hervorragenden Stimmen und zahlreichen Solostücken stellte der Chor die Behauptung, dass Gregorianik auch heute noch lebendig ist, im ersten Teil ihrer Aufführung recht eindrucksvoll unter Beweis.

Wichtig war das Gefühl, das durch den Gesang der "Mönche" vermittelt wurde

D iakon Klaus Konrad begrüßte die Zuhörer und erinnerte in seiner Hinführung auf den Abend, dass der Gesang von "The Gregorian Voices" stark an das Stundengebet der Augustiner-Mönche, die eine Zeitlang als Chorherren hier lebten, erinnert. Mit einem geistlichen Impuls eröffnete der Diakon das Konzert und die "Mönche" zogen in die Stiftskirche ein.

Mindestens 250, wenn nicht 300 Besucher, erlebten ab diesem Moment eine Sternstunde des liturgischen Gesangs, die zwar nur 45 Minuten dauerte, doch so beeindruckend war, dass es wieder einmal sehr viel Disziplin kostete, nicht mitten im Stück Szenenapplaus zu geben und überhaupt mit dem Beifall bis zum Ende der Gesamtdarbietung zu warten. Es war gewaltig, welches Stimmvolumen die acht Sänger entwickelten, wenn sie beispielsweise beim Schlusssatz eines Liedes ihre Stimmen zusammenführten. Was Akkorde vorher noch fragile Tonfragmente waren, das verband sich wenig später zur wohlklingenden, stimmlichen Emulsion. Und die große Akustik der Stiftskirche trug jede einzelne Klangfarbe bis in den hintersten Winkel des Gotteshauses. Die Zuhörer wurden dabei mit der Musik alleingelassen. Kein erklärender Text, keine Zwischenansage störte die mystische Welt, die scheinbar hinter dicken Klostermauern entstand. Wie selbstverständlich erreichte die spirituelle Botschaft, die diesen Liedern innewohnt, die Herzen und die Seelen der Zuhörer. Die Sprache, in der die einzelnen Lieder gesungen wurden, spielte dabei überhaupt keine Rolle. Wichtig war das Gefühl, das durch den Gesang der "Mönche" vermittelt wurde. In der Pause zeigte sich nicht nur Manfred Bok, der sich als Fan des gregorianischen Chorals outete, völlig ergriffen, sondern sicher viele der anderen Zuhörer ebenfalls. In diesem Segment waren die Herren Sänger in ihrem Element, hier konnten sie mit ihren Stimmen wie der Rattenfänger von Hameln dereinst auf Menschenfang gehen, mussten aber ihre Beute bereits im zweiten Teil des Programmes wieder laufen lassen.

"Gregorianik trifft Pop" stand als Überschrift auf dem Programm. Was dabei herauskam, war jedoch leider eine Begegnung, zu der es besser nicht gekommen wäre. Dass man mit einer "ausgebildeten Stimme" noch lange nicht alles singen kann, was auf einem Notenblatt steht, stellten die Herren wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis. Wie so viele andere Opern-, Operetten- und Musicalsänger(innen) vor ihnen, sind auch sie dem Irrglauben verfallen, dass es sich schön anhört, wenn man einen Klassiker der Pop- und Rock-Geschichte durch den Klassik-Fleischwolf dreht. Pop-Klassiker und Klassik haben selten zusammengepasst, und eine Dame in der vorletzten Reihe brachte dieses Dilemma auf den Punkt. "Allen Respekt, den sie sich im ersten Teil des Konzertes ersungen haben, den verspielen sie nun wieder."

Es ist nämlich fast schon überheblich zu glauben, man könne "The Rose", eines der wichtigsten Liebeslieder das in der Pop-Welt komponiert wurde, so einfach vom Blatt absingen. Okay, die Mönch-Fassung von "Knockin’ on Heaven’s Door" kam so knarzig daher, als hätte Bob Dylan selbst die Lead-Stimme gesungen, doch in die Himmelstür reingekommen wären sie damit auf gar keinen Fall. Wenn das Vokaloktett dies vorhat, dann sollten sie auf jeden Fall wieder ihre gregorianischen Choräle anstimmen, dann klappt’s auch mit dem Petrus.