Die Bestattungskultur im Wandel: Als letzter Wunsch ist inzwischen auch eine Zeremonie in einem Heißluftballon möglich. Foto: Burgi

Ruhestätten im Wandel: Der Bestatter Michael Seifert hat schon vielen Menschen individuelle Wünsche erfüllt.

Hechingen - Mit einer Taurus-Rakete ins Weltall oder doch lieber im Heißluftballon schweben? Was nach einem Abenteuer-Paket klingt, ist heute eine Bestattungsform. Einfach nur im Sarg unter die Erde – das ist zwar noch die Regel, aber die Auswahl ist heute groß, weiß Bestatter Michael Seifert.

Der Tod – das ist ein Thema, um das viele Menschen gerne einen großen Bogen machen. Am morgigen Karfreitag, ein Tag der Trauer, ist er präsent. Dabei hat sich der Umgang mit dem eigenen Sterben stark verändert, erzählt der Hechinger Bestatter Michael Seifert, der von einem "Wandel der Bestattungskultur" spricht. "Ganz allgemein stelle ich fest, dass der Trend von der Erde zum Feuer geht", sagt er.

Und damit zu einem pflegeleichteren Rasengrab. "Die Menschen wollen es unkomplizierter. Das Grab zu pflegen, Pflanzen gießen – all das kostet Zeit." Viele Familien leben nicht mehr in der selben Stadt, viele Angehörige seien deswegen gar nicht im Stande, den Friedhof mehrmals im Jahr zu besuchen, erklärt Seifert. Eine anonyme Urnenbestattung – namenlos, in einer der Familie unbekannten Stelle auf dem Friedhof – das komme nicht allzu häufig vor. "Ein Ort zum Trauern ist den Menschen immer noch wichtig", erklärt Seifert. Leicht zu pflegen, aber "schön und würdig", diesen Wunsch hört der Bestatter häufig.

Apropos Wünsche: Ein Bereich seiner Arbeit, mit Kunden deren Beerdigung im Voraus in sogenannten "Bestattungsvorsorge"-Gesprächen" zu regeln, habe extrem zugenommen. Ist der Tod also kein Tabuthema mehr? "Die Akzeptanz ist heute größer", antwortet Seifert. "Ich glaube, das liegt daran, dass der Tod das einzig Sichere auf der Welt ist."

Diese Gespräche sind mit ein Grund dafür, dass heute viele Bestattungen sehr individuell aussehen. "In diesen verbindlichen Verträgen werden vom Lieblingslied über die gewünschten Blumen bis hin zu Stehtischen mit Weizenbier alle Details festgehalten." Dass ein Hechinger eine Weltraumbestattung wünschte, das sei aber wirklich noch nicht vorgekommen. "Das machen geschätzt zwei Menschen pro Jahr in Deutschland – ist auch kaum bezahlbar", so der Bestatter.

Aber andere Anfragen gibt es. "Einmal war eine Frau bei mir, die in der Nordsee bestatten werden wollte, weil sie auf Sylt gerne Urlaub machte. Das ist heute alles möglich, obwohl in Deutschland immer noch die Bestattungspflicht gilt", erklärt Seifert. Angehörige können die Urne zwar nicht einfach mit nach Hause nehmen. Aber durch die Feuerbestattung eröffnen sich viele neue Wege.

Im Fall der Sylt-Liebhaberin organisierte Seifert eine Seebestattung in der Nordsee mit einer Partner-Reederei. Eine Luftbestattung? Inzwischen ist es möglich, Asche in einem Heißluftballon schwebend über dem Elsass oder den französischen Rheinauen zu verstreuen – und das sind nur einige Beispiele, die der Bestatter zu erzählen hat. "Der Bezug zur Natur, der wird den Menschen auch immer wichtiger", sagt er. Deswegen initiierte er vor circa vier Jahren gemeinsam mit der Friedhofsverwaltung ein Baumfeld hinter dem Heiligkreuzfriedhof, wo Kieselsteine über den Urnengräbern auf die Verstorbenen hinweisen.

Für die Zukunft schweben ihm auch sogenannte Themengrabfelder vor – unter dem Motto "Lebensfluss" oder "Rosengarten" – jeweils mit einem kleinen Bach oder einem Rosenbogen gestaltet.

"Der Tod ist das einzig Sichere auf der Welt"

Aber nicht nur die Bestattungen haben sich revolutioniert. Auch Hinterbliebene wählen individuelle Erinnerungsformen. Trauernde können heute beispielsweise Teile der Asche des Verstorbenen zu einem Diamanten umwandeln lassen und diesen zur Erinnerung als Schmuckstück tragen. Das geht allerdings nur im Ausland und ist sehr teuer. Wer es günstiger mag, kann den Fingerabdruck des Verstorbenen dreidimensional zu Schmuck gießen lassen. "Das nutzen viele", verrät der Bestatter.

Michael Seifert, bereits durch seine Eltern in den Beruf reingeboren, und ist oft rund um die Uhr im Einsatz. Eine 80-Stunde-Woche ist keine Seltenheit. Der Beruf erfüllt ihn trotzdem. "Ich kriege so viel Positives zurück", erklärt er. Ob er seine eigene Bestattung bereits geregelt hat? Der 50-Jährige ist über die Frage nicht überrascht. "Nein, und ich glaube, das ist eine Berufskrankheit. Ich beschäftige mich lieber mit dem Leben."