Die JVA Hechingen: 38 Inhaftierte verbringen hier das Weihnachtsfest. Foto, Illustration: Stopper Foto: Schwarzwälder-Bote

Weihnachten: Auch in der Vollzugsanstalt gibt es einen Gottesdienst und Geschenke

Heiligabend feiern die meisten Hechinger mit ihren Liebsten zu Hause. Doch 38 Menschen dürfen das nicht – weil sie in Untersuchungshaft sitzen. Trotzdem wird es im Gefängnis besinnlich.

Hechingen. An Weihnachten verdrückt selbst der stärkste Mann im Hechinger Gefängnis manchmal ein Tränchen. Denn dass das Fest nicht mit dem Partner, Verwandten und Freunden gefeiert werden kann, geht nicht spurlos vorüber. "Weihnachten ist eine ganz besondere Zeit für die Gefangenen", sagt Jörg Buchstor, Leiter der Hechinger Vollzugsanstalt, "weil sie von allen Seiten hören, wie sich jetzt die Familie trifft." Da werden sie schon emotional. Das spiegle sich auch in den Briefen wieder.

Kein Wunder, dass die Vollzugsbeamten manchmal auch als Seelsorger sind. "Wir sind teilweise Psychologen, Sozialarbeiter und Pfarrer", erzählt Buchstor. Gerade an den Feiertagen gelte erhöhte Aufmerksamkeit. Psychisch auffällige Gefangene häufen sich tatsächlich in letzter Zeit. In einer kleinen Anstalt wie der in Hechingen sei das aber einfacher als in größeren Anstalten. "Wir sind hier etwas näher an den Gefangenen, es hat familiären Charakter", so Buchstor.

Vielleicht ist im Gefängnis auch deshalb an Weihachten Platz für Besinnlichkeit. Den Weihnachtsbaum schmücken die Vollzugsbeamten und die Gefangenen gemeinsam. Und am 24. Dezember kommt Besuch: Ein katholischer und ein evangelischer Pfarrer und ein paar junge Musiker der Hechinger Stadtkapelle. Der Gottesdienst findet im Flur statt. Dort werden ein Tisch als Altarersatz und mehrere Stuhlreihen aufgestellt. "Der Aufenthaltsraum wäre zu klein", sagt Buchstor.

Dann folgt die Bescherung. Jeder, der 38 Insassen bekommt eine kleine Geschenktüte vom Verein der Straffälligenhilfe. Darin befinden sich meist Kaffee oder Schokolade. 18 Gefangene bekommen noch ein kleines Extrageschenk. Sie haben nämlich in der hausinternen Werkstatt gearbeitet, hauptsächlich für die Firma RIDI in Jungingen. "Dieses Jahr gibt es halbes Hähnchen und ein Päckchen Tabak", verrät Buchstor.

Einmal die Woche ist ein Psychologe im Haus

Geschenke von außerhalb sind aber mittlerweile verboten. Denn alles, was in die Vollzugsanstalt kommt, muss kontrolliert werden. "Das wäre ein riesiger Zeitaufwand und auch ein Risiko", erklärt Buchstor. Erlaubt sind natürlich Briefe. Doch auch die werden genau geprüft.

Für die Gefangenen gibt es aber unabhängig von Weihnachten zweimal im Monat die Möglichkeit, auf einer Liste anzukreuzen, was sie "von draußen" benötigen. Das Geld dafür kommt von einem Konto, auf das Verwandte und Freunde einzahlen können – oder eben vom Lohn aus der Werkstatt. Alkohol ist allerdings strikt verboten.

Tabak ist eins der begehrtesten Güter. Da wird auch schon mal gehandelt. Geschäfte bis fünf Euro sind sogar offiziell erlaubt. Größere Deals sind jedoch fast unvermeidbar. Doch die Vollzugsbeamten beobachten die Tauschgeschäfte so genau wie möglich. "Wenn wir merken, dass jemand unter Druck gesetzt wird, greifen wir ein", sagt Jörg Buchstor.

Seit einem Jahr gibt es regelmäßige Teamgespräche über die Gefangenen und deren Verhalten sowie die psychische Verfassung. Festgehalten wird das im sogenannten Beobachtungsbuch. Darin steht alles, was als "nicht normal" einzuordnen ist. Einmal die Woche ist zudem ein Psychologe im Haus. "Der ist ganz wichtig", sagt Buchstor.

Auch an Heiligabend und Feiertagen müssen die Vollzugsbeamten natürlich arbeiten. Drei Bedienstete bilden die Mindestbesetzung. Zwischenfälle gibt es dabei selten. Der letzte liegt zwölf Jahre zurück. Am 10. Oktober 2004 sind Vollzugsbeamte überwältigt worden – einer wurde als Geisel genommen, die anderen in eine Zelle gesperrt. Vier Insassen konnten fliehen, wurden aber später in einer Wohnung in Mössingen aufgefunden.

Dass Inhaftierte früher nach Hause dürfen, kommt gerade im Zuge der sogenannte Weihnachtsamnestie öfter vor. Jedoch nicht in Hechingen, denn hier sitzen die Straftäter in Untersuchungshaft. Ausnahmen gibt es nicht sehr oft. Tatsächlich durfte dieses Jahr ein Hechinger Gefangener früher nach Hause. Doch wie kommt es dazu?

Kein Feuerwerk: Silvester ist ein ganz normaler Tag

"Das wird jedes Jahr neu entschieden", sagt Elke Roncari, Verwaltungsleiterin der Justizvollzugsanstalt. In der Regel sei es (bei Strafgefangenen) so, dass der Entlassungszeitpunkt zu Weihnachten vorverlegt werden kann. "Ende November sind sie dann schon weg", sagt Roncari. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Nutzt mancher die Gelegenheit und kommt nach dem Weihnachtsausflug nicht zurück? "Das gibt es immer mal wieder", so Roncari. Das geschehe aber sehr selten. "Wir prüfen natürlich vorher, wen wir rauslassen", sagt die Verwaltungsleiterin.

Zu Silvester gibt es im Gefängnis keine Ausnahmen. Auch zu Mitternacht dürfen die Inhaftierten nicht etwa aufs Außengelände. "Das wäre kontraproduktiv", sagt Roncari, "wir stehen nicht mit den Häftlingen im Hof und schießen Böller." Es gebe am 31. Dezember nichts Besonderes. Die bunten Farbenspiele müssen die Gefangenen also vom Fenster aus betrachten.

Doch selbst das führt dazu, dass es "vielleicht ein bisschen lauter als sonst ist", sagt Jörg Buchstor. Ansonsten sei Silvester "ganz normaler Tag". Es kann ja aber auch nicht immer so besinnlich zugehen wie an Weihnachten. Da feiern die Gefangenen zumindest ähnlich wie alle anderen. Das Festtagsessen ist übrigens sogar dasselbe, das in vielen deutschen Haushalten an Heiligabend auf den Tisch kommt: Es gibt Wiener und Kartoffelsalat.