Der Mordprozess neigt sich dem Ende zu. Diesmal ist es um Spuren von verbranntem Treibladungspulver gegangen. Am 18. Oktober könnte das Urteil fallen. Foto: river34/stock.adobe.com

Jugendhilfe bestätigt Reifeverzögerung bei Angeklagtem. Schmauchspuren stammen von Waffe.

Hechingen - Schmauchspuren und die Frage, ob einer der Angeklagten nach Jugendstrafrecht beurteilt werden muss, waren am Mittwoch Themen im Mordprozess um die tödlichen Schüsse an der Hechinger Staig.

Carmelo B. saß am Steuer des Autos, aus dem der tödliche Schuss fiel. Zum Zeitpunkt der Tat war er 20 und ein halbes Jahr alt. Offiziell erwachsen, aber dennoch kann bis Ende des 20. Lebensjahrs das Jugendstrafrecht angewendet werden. Das allerdings nur, wenn festgestellt würde, dass Carmelo B. in seiner Persönlichkeitsentwicklung zurückgeblieben ist – eine Ermessensentscheidung.

Wird Carmelo B. nicht mehr als Schütze vermutet?

Ein Jugendhilfemitarbeiter des Landratsamts hat diese Frage untersucht und kam zu dem Schluss, dass eine Reifeverzögerung vorliege. Carmelo B. hat zwar auf dem Bau gearbeitet, ist verlobt, hat bereits ein Haus gekauft und teilweise renoviert – was ihn erwachsen erscheinen lässt. Aber er wirkt unsicher, sein Vater verwaltete sein Giro-Konto, er hatte kaum Freunde. Kindheit und Jugend waren durch ein Hin- und Herziehen zwischen Italien und Deutschland geprägt.

Hier hakte der Anwalt der Familie von Umut K., der als Nebenkläger am Prozess beteiligt ist, allerdings vehement nach und schaffte es, nachvollziehbare Zweifel an der Entscheidung der Jugendgerichtshilfe zu säen.

Richter und Staatsanwältin schalteten sich in diesen Disput kaum ein, obwohl diese Frage für das mögliche Strafmaß enorme Auswirkungen hätte. Kann man das als Hinweis darauf sehen, dass Carmelo B. gar nicht mehr als Schütze vermutet wird? Tatsächlich ergab der bisherige Prozessverlauf eher, dass sein Beifahrer der Schütze gewesen sein könnte. Carmelo B. selbst hatte zu Prozessbeginn behauptet, gar nicht gewusst zu haben, dass sein Freund schießen wollte. Könnte ihm eine Mitwisserschaft nicht nachgewiesen werden, würde sich die Frage stellen, welche Schuld ihn überhaupt an der Tat trifft.

Derzeit sind das reine Spekulationen. Mehr Informationen könnte es nächste Woche, am Mittwoch, 4. Oktober, von 9.30 Uhr an geben, wenn der Forensiker seine Untersuchungen vorstellt. Auch hier steht im Mittelpunkt, wer geschossen hat.

Geklärt wurde am Mittwoch dagegen eine andere Frage: Könnten Schmauchspuren auf Carmelo B. auch von einem Nagelgerät stammen, das er als Zimmermannsgehilfe bedient hat? Nur zum Teil, berichtete eine Kripo-Expertin. Ein Teil der Schmauchspuren stammt von einer Waffe. Dass Carmelo B. geschossen hat, lässt sich aus diesen Spuren nicht ablesen. Das Gegenteil allerdings auch nicht. Nächste Woche wird das Gutachten zu Schmauchspuren an Calogero S. vorgestellt. Das musste diese Woche verschoben werden, weil der Anwalt des Angeklagten erkrankt war.

So wurden am Mittwoch noch die Vorstrafen der Prozessbeteiligten vorgelesen. Carmelo B. hat weitgehend eine Weiße Weste, Calogero S. war als Jugendlicher unter anderem wegen Diebstahls auffällig, später wegen rücksichtloser Fahrweise.

Erschreckend dagegen, was das Umfeld von Umut K. auf dem Kerbholz hat. Diese Gruppe hat mit Drogen gedealt. Giovanni M., der Mann der beim tödlichen Schuss neben Umut K. stand, hat Verurteilungen wegen schwerem Raub, Körperverletzung und Drogenbesitz. Und Alen S., ebenfalls dick drin im Drogengeschäft, hat in seiner Akte Vorverurteilungen wegen Diebstahl, Körperverletzung, Anbau von Betäubungsmitteln und Hehlerei.

Beide Männer haben bereits Haftstrafen abgesessen. Gegen sie läuft derzeit ein Strafverfahren wegen Drogenhandels.

Der Mordprozess wird am Mittwoch, 4. Oktober, um 9.30 Uhr fortgesetzt. Am 11. Oktober sollen die Plädoyers gehalten werden. Am Mittwoch, 18. Oktober, soll das Urteil fallen.