Bei einem Anti-Mobbing-Aktionstag informieren sich die Schüler über das Thema. Foto: Pieske

Sechst-und Siebtklässer des Hechinger Gymnasiums beschäftigen sich mit schwierigem Thema. Probleme an Schule werden weniger.

Hechingen - Beim Anti-Mobbing-Aktionstag richtete sich gestern der Blick der Schüler nicht zum Lehrer und nicht zur Tafel. Im Fokus standen die Schüler selbst und ihre Rolle im Klassengefüge. Gefragt war dabei Selbstreflexion.

Schon beim Betreten des Schulhauses hallt Sprechgesang durch die Gänge. Schüler rennen mit bemaltem Papier in die Aula, in den Ecken wird aufgeregt getuschelt. Rund 200 Sechst- und Siebtklässler sind hier zusammengekommen, um ihre Ergebnisse des Mobbing-Thementags den anderen Klassen zu präsentieren.

"Wir haben uns ein Schauspiel ausgedacht", erzählt eine Schülerin, die noch einmal mit ihrer Gruppe den Ablauf durchgeht. Nur 40 Minuten Zeit hatten sie, um das Stück auf die Beine zu stellen. Ein anderes Team hängt die selbst gemalten Bilder an eine Pinnwand, die szenisch oder grafisch das Thema Mobbing behandeln. Anderswo stehen drei Jungs und arbeiten am Rhythmus ihres selbst geschriebenen Rap. "Stellt euch mal vor, ihr wärt allein", werfen sie sich in einem Battle entgegen.

Schon vor der eigentlichen Präsentation ihrer Ideen, die in Form eines Bilds, eines kurzen Schauspiels oder als Sprechgesang verpackt werden, herrscht munteres Treiben. Die Bühne, auf der sie alle später stehen werden, brauchen sie gar nicht. Und das zeigt: Dieser Aktionstag ist mehr als nur ein nerviges Pflichtprogramm, das sich ihre Lehrer ausgedacht haben.

"Der Tag hat super viel Spaß gemacht", verrät eine Siebtklässlerin. Vormittags seien Teamlehrer in ihre Klassen gekommen und es gab einen Kurzfilm, der die Geschichte eines Mobbing-Opfers eindrucksvoll zeigte. Auch welche Folge diese Art von Psychoterror im schlimmsten Fall haben kann: die psychiatrische Klinik.

Der Aktionstag, den Schulleiter Wolfgang Nägele gemeinsam mit Kollegen und Schulsozialarbeiterin Silvia Senner auf die Beine gestellt hat, soll eben dies vermeiden. Dass auch an ihrer Schule das Problem gravierend ist, haben sie allerdings erst durch einen Zufall erfahren.

Vor sieben Jahren werteten sie im Rahmen einer Selbst-Evaluation Fragebögen über die Kooperation in den Mittelstufen aus – eine Frage, ob sie schon einmal Opfer von Mobbing wurden, wurde dabei verhältnismäßig oft bejaht. "Das hat uns sehr erschreckt", gibt der Rektor zu. Den Ergebnissen nach wurde jeder vierte Schüler schon einmal gemobbt.

Eine Erkenntnis, die zur Initialzündung wurde. Vor vier Jahren fand der erste Anti-Mobbing-Tag statt, zwei Jahre später folgte der nächste. Das Engagement zeigt Wirkung. "Als wir dann wieder eine Umfrage machten, waren wir begeistert: Die Zahl der gemobbten Schüler war deutlich gesunken, erzählt der Schulleiter. Beigetragen habe neben der Prävention auch die Schulsozialarbeiterin.

Das Resultat dieser Mühen wird am Ende des Anti-Mobbing-Tags auf der Bühne sichtbar: Beim Rollenspiel wird ein Junge gehänselt, geschubst, beleidigt. Eine Gruppe schreitet ein und zeigt, was sie gelernt hat: reagieren und nicht wegsehen. Die selbst geschriebenen Texte handeln von Zivilcourage – "wenn wir Opfern helfen, werden wir zu Elfen" – und um die Einsicht, dass "der Täter immer der größte Angsthase" ist. Es scheint, als blieben am Ende des Tags nicht nur die selbst gemalten Bilder an der Pinnwand hängen, sondern auch einige wertvolle Erfahrungen in den Köpfen der Schüler.