Heike Hänsel ist seit 2005 Bundestagsabgeordnete. Sie ist stellvertretende Vorsitzende und entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag. Foto: Fechter

Heikel Hänsel kandidiert bei der Bundestagswahl für die Linke im Wahlkreis Tübingen-Hechingen.

Hechingen - "Oh", sagt Heike Hänsel überrascht auf die Frage nach ihrer Wunschkoalition nach der Bundestagswahl am 24. September. Rot-rot-grün natürlich, schiebt sie dann rasch nach, und zwar nicht nur als Farbenspiel. Ein Politikwechsel sei dringend notwendig.

Die Chancen auf eine rot-rot-grüne Koalition schätzt die Bundestagsabgeordnete der Linken im Gespräch mit unserer Zeitung aber eher als gering ein. Das Problem sei, dass alle mit allen können, und zum Schluss kommt dasselbe raus. Es werde wohl wieder so sein, dass Angela Merkel sich ihre Koalitionspartner aussuchen könne.

Heike Hänsel, seit 2005 Bundestagsabgeordnete für die Linke im Wahlkreis Tübingen-Hechingen, kandidiert zum vierten Mal bei der Bundestagswahl. Sie startet von Listenplatz 2. Derzeit sitzen fünf Abgeordnete der Linken aus Baden-Württemberg im Bundestag, sie hofft auf einen zusätzlichen Abgeordneten nach der Wahl. "Unser Wahlziel ist zehn Prozent plus x. Wir wollen unseren Status als stärkste Partei nach CDU und SPD halten", so Hänsel. Eine Änderung in der Flüchtlings- und Asylpolitik sieht die 51-Jährige als ganz wichtig an.

Sie hat Ernährungswissenschaft mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik studiert und viele Krisengebiete bereist. Als mittelfristiges Ziel nennt sie die Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort. Und zwar auch durch eine andere Außenpolitik: "Rüstungsexporte und Militärinterventionen haben Staaten wie Libyen zerstört, das jetzt eine Drehscheibe der Schlepperkriminalität ist", so die Abgeordnete. Die Flüchtlingslager in Libyen verstießen gegen jeden humanitären Grundsatz. In allen Krisengebieten gebe es vernünftige friedenspolitische Kräfte, die Unterstützung brauchen, ist Hänsel überzeugt.

Die Politikerin war in den 90er-Jahren viel im zerstörten Balkan unterwegs, das hat sie geprägt. In diesem Jahr hat sie sich selbst ein Bild von der Lage der Flüchtlinge in den Lagern von Lesbos gemacht. Ganz Europa sei hier in der Verantwortung, und die EU müsse mehr Druck auf die Länder machen, die sich dieser Verantwortung entziehen.

Länder wie Italien und Griechenland seien zu stark belastet, das sei eine tickende Zeitbombe, warnt sie. Leider sei die Außenpolitik kaum ein Wahlkampfthema, bedauert sie. Dasselbe gelte für die Abrüstung, obwohl sie mit sozialen Themen eng zusammenhänge. Die Ressourcen, die die Rüstung bindet, würden dringend für Wohnungsbau, Pflege und beim Breitbandausbau, "kurz, bei allem, was Zukunft ausmacht" gebraucht. Sie plädiert für eine Rüstungskonversion, das heißt die Umstellung der Waffenproduktion auf zivile Produkte. Dieser Strukturwandel müsse genau wie die Energiewende politisch unterstützt werden.

Ausbau der B 27 und B 28

In ihrem Wahlkreis will sich Hänsel für eine Verbesserung von Gesundheit und Pflege einsetzen, um die Pflegeberufe für junge Leute wieder attraktiv zu machen. Außerdem sei es wichtig, dass alle Haushalte Zugang zu schnellem Internet hätten, hier müsse auch der politische Druck auf die Anbieter erhöht werden.

In Sachen Verkehrsanbindung fordert sie eine schnelle Elektrifizierung der Bahn, dafür müssten sich die Stuttgart-21-Befürworter – sie zählt nicht dazu – einsetzen. Obwohl sie wirtschaftlich, ökologisch und touristisch auf den Ausbau des Schienenverkehrs setzt, unterstützt sie auch den Ausbau der B 27 und B 28, damit der ländliche Raum nicht abgehängt wird.

Bei der Bildungspolitik setzt die Linke nach wie vor auf den Ausbau der Gemeinschaftsschulen und die Einrichtung flächendeckender Ganztagsschulen mit gutem pädagogischem Angebot. Mehr Geld solle auch für Inklusion bereitgestellt werden. Um dies zu finanzieren, müsse auch über Steuererhöhungen geredet werden, auch wenn dies nicht populär sei. So zum Beispiel von einer Erbschaftssteuer, "die diesen Namen verdient", und von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 53 Prozent. Bei der Bildung sollten außerdem bundesweit ähnliche Standards geschaffen werden.

Die Linke will mit ihrer Politik die Soziale Gerechtigkeit stärken. Dazu gehört laut Hänsel die Bekämpfung der Altersarmut durch eine Stärkung der gesetzlichen Rente. Sie will die Auswirkungen der Agenda 2010 rückgängig machen. Leider habe die SPD um Martin Schulz die Chance vertan, mit diesem Wahlkampf-Thema zu punkten, bedauert Hänsel.

Heike Hänsel, geboren 1966 in Stuttgart, ist seit 2005 Bundestagsabgeordnete über die Landesliste Baden-Württemberg, Wahlkreis Tübingen. Hänsel ist stellvertretende Vorsitzende und entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag sowie Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die studierte Ernährungswissenschaftlerin ist ledig und kinderlos und lebt in Tübingen.