Großes Theater im großen Sitzungssaal: Der Prozess um die Raubüberfälle auf Schrotthändler soll am Freitag weitergehen. Foto: Rath

Prozess um Raubüberfälle auf Schrotthändler: Strafverteidiger liefert Kampf bis zur letzten Patrone.

Hechingen - Der Prozess um die beiden Raubüberfälle auf Schrotthändler vor dem Landgericht Hechingen ist außergewöhnlich. Die Szenen in und vor Saal 168 sind kaum weniger spannend als die Fälle selbst. Dazu trägt auch der Clinch zwischen Richter Herbert Anderer und Rechtsanwalt Klaus Schön bei.

Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Der Prozess gegen die vier mutmaßlichen Räuber hatte noch nicht angefangen, da knisterte es bereits zwischen den beiden. Spätestens. Schön, einer der vier Strafverteidiger schlurfte einige Minuten zu spät in den Verhandlungssaal, den Rollkoffer hinter sich herziehend – und kassierte vom Vorsitzenden der Kammer dafür gleich den ersten Anpfiff. Es sollte nicht der letzte sein an diesem ersten Verhandlungstag. Und auch nicht der letzte während der weiteren Verhandlungstage. Mehr noch: Selten zuvor lieferten sich Richter und Strafverteidiger in Hechingen ein so offenes Duell ab.

Alles nur Prozesstaktik? Anderer fährt eine Null-Toleranz-Linie und scheint dafür Gründe zu haben. Im Schnitt verfolgten etwa 70 Zuschauer die Verhandlungstage. Die Stimmung unter ihnen ist feindselig. Schon zweimal entlud sich der Zorn zwischen den Sippen der Prozessbeteiligten vor dem Gerichtsgebäude. Einzelne der jeweiligen Lager gingen sich an den Hals, in Sichtnähe von Polizeirevier und Staatsanwaltschaft. Ein anderes Mal kreuzten zwei Bodybuilder-Typen in der Verhandlungspause auf, die zwei der Angeklagten freundschaftlich drückten und finstere Blicke in die Reihen der Angehörigen der Opfer warfen. Auch eine solche Drohkulisse im Gerichtssaal ist selten. Anderer zeigt bei jeder Kleinigkeit, wer Hausherr ist, staucht schon beim Rascheln von Brezeltüten Zuschauer zusammen, bevor es "allzu ausgelassen" zugeht. Dies sei "kein Kino hier".

In dieses aufgeladene Klima eingebettet, spielt sich der Kleinkrieg zwischen Schön und der Kammer ab. Die Charaktere könnten unterschiedlicher kaum sein. Vorne Herbert Anderer mit kurzgeschorenem Haar und weißem Hemd, links die Angeklagten mit ihren Anwälten. Einer davon ist der Kostanzer Jurist Schön mit Fusselbart, herausgewachsener Frisur, 80er-Jahre-Brille und Lederhose unterm Talar. Ihre gegenseitigen Belehrungen über die Strafprozessordnung gleichen einem Autoritätskampf zwischen einem strengen Lehrer und dem aufmüpfigen Streber aus der letzten Reihe, der schon mit der lümmeligen Körperhaltung ausdrückt: Ich lass’ mir gar nichts sagen. "Feindseligkeit" und zu große Nähe zur Staatsanwaltschaft wirft Schön dem Gericht vor. Anderer keilt zurück. Als der Staatsanwalt zu spät nach der Pause kam und entschuldigend die Hand hob, erhielt auch er einen Rüffel: "Sonst hält uns der Verteidiger noch vor, wir würden unter einer Decke stecken", so Anderer.

Schön provoziert mit Beweis- und Befangenheitsanträgen munter weiter, erst gegen den Vorsitzenden der Kammer, dann gegen die ganze Kammer und zuletzt gegen die Staatsanwaltschaft. Anderer lässt ihn auflaufen, wo er kann. Anträge? Bedurften der Schriftform und wurden allesamt abgelehnt. Einen Deal – Geständnis gegen mildere Strafe – wird es wohl nicht geben. Eher ein Kampf bis zur letzten Patrone. Die Kammer scheint nicht mehr viel von Schön zu erwarten: "Heute ist der 26. Oktober. Vielleicht können wir uns wenigstens darauf verständigen", äzte Anderer. "Großes Theater", findet ein Prozessbeteiligter. Ob Komödie oder Tragödie, wird sich am Ende zeigen. Für Schöns Mandanten sieht die Lage weiter schlecht aus.