Jens Martin Rohrbach, 62 Jahre alter Augenarzt aus Tübingen, kandidiert als Parteiloser für den Bundestag. Foto: Rohrbach Foto: Schwarzwälder-Bote

Wahlkampf: Augenarzt Martin Rohrbach tritt bei der Bundestagswahl als parteiloser Kandidat an

Sein Name steht bei der Bundestagswahl am Sonntag ganz unten auf dem Wahlzettel. Der Tübinger Augenarzt Jens Martin Rohrbach tritt als einziger parteiloser Kandidat im Wahlkreis Tübingen-Hechingen für den deutschen Bundestag an.

Hechingen. Dienstagabend, vier Tage vor der Bundestagswahl, Martin Rohrbach steckt mitten im Wahlkampf. Oder? Viel mitgekriegt hat man vom Wahlkampf des Tübingers bisher nicht. Keine Infostände, keine Wahlplakate, keine Türgespräche. Das Ärztenetz Zollern hat den Kandidaten zu seinem monatlichen Treffen an diesem Abend in den Brielhof eingeladen. Das ist aber Rohrbachs einzige Veranstaltung in Hechingen. "Wir wollten mal wissen, was ihn zu seiner Kandidatur bewogen hat", erklärt der Hechinger Urologe Jürgen Lehmann vom Ärztenetz.

Dass Martin Rohrbachs Wahlkampf in keiner Weise dem der etablierten Parteien gleicht, kommt daher, dass er als Parteiloser kandidiert. Er ist als Augenarzt voll berufstätig und hat keine Sponsoren. Rohrbach hat zwei Zeitungsannoncen geschaltet – das war’s. Mehr Geld kann und will der Tübinger Augenarzt nicht für Wahlwerbung ausgeben.

Er bräuchte die meisten Erststimmen im Wahlkreis

Dass seine Chancen, nach der Wahl am 24. September tatsächlich in den Deutschen Bundestag einzuziehen, gering sind, darüber ist sich Rohrbach im Klaren. "Ich mache mir da keine Illusionen", sagt der 62-Jährige. Um das Mandat zu kriegen, bräuchte Rohrbach die meisten Erststimmen im Wahlkreis, "eine Stimme mehr als die CDU-Kandidatin Widmann-Mauz – das ist kaum möglich", wie Rohrbach sagt. Er ist schon froh, wenn er nicht letzter wird, sagt er.

Was also ist die Motivation für seine Kandidatur? "Ich will einfach der Bevölkerung klar machen, dass es die Alternative parteiloser Kandidaten gibt", erklärt Rohrbach. Als Parteiloser sei man lediglich seinem eigenen Gewissen verpflichtet und nicht einem Parteibuch. Es gebe immerhin auch viele Bürgermeister, die nicht einer Partei angehören, die rein sachorientiert handeln und nicht nach parteilichen Gesichtspunkten. Dass diese Einstellung auch dem Bundestag gut tun würde, davon ist Rohrbach überzeugt.

Ein weiterer Grund für seine Kandidatur ist, dass dem Bundestag Mediziner fehlen, wie Rohrbach betont. "Wir entfernen uns im Bundestag immer weiter von einem realistischen Abbild der Bevölkerung", mahnt der Arzt. Im Bundestag säßen viele Beamte und Juristen, aber viel zu wenig Nicht-Akademiker und eben auch nur fünf Ärzte – und das, obwohl das Gesundheitswesen eines der Hauptthemen für die Zukunft ist.

"Wir haben ein gutes Gesundheitswesen, aber stehen vor großen Herausforderungen", sagt Rohrbach. Damit meint er den demografischen Wandel, Ärztemangel und Personalmangel in Pflege und sozialen Berufen. "Alle sozialen Berufe müssten einfach viel besser bezahlt werden", sagt Rohrbach. Im Gesundheitswesen sei es wichtig, dass das Personal wieder mehr Zeit für den Patienten habe. Dass die Angestellten permanent auf Abruf bereit stehen müssen und Arbeitsverträge oft nur befristet seien, sei untragbar. "So kann sich doch niemand eine Zukunft, geschweige denn eine Familie aufbauen", so der Mediziner.

Schließlich sei aber auch Lokalpatriotismus ein Grund ihn zu wählen. Immerhin würden ja Annette Widmann-Mauz von der CDU, Heike Hänsel von der Linken und Martin Rosemann von der SPD schon allein aufgrund ihrer Listenplätze mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder in den Bundestag einziehen. Auch bei Chris Kühn von den Grünen und Christopher Gohl von der FDP sei das gut möglich. "Warum also jemanden wählen, der sowieso schon gewählt ist", fragt der Tübinger. Besser sei es doch, noch einen weiteren Mann aus dem Wahlkreis unterzubringen, "damit die Region in Berlin besonders gut vertreten ist".

Jens Martin Rohrbach war noch nie Mitglied einer Partei, gewählt hat er aber immer. "Ich habe immer geschaut, welche Partei aktuell meine Interessen am besten vertritt", sagt er. Früher sei das oft die CDU gewesen, "als dort noch Leute wie Kurt Biedenkopf oder Heiner Geißler mitgemischt haben", inzwischen sei ihm die Partei zu glatt. "Es gibt durchaus auch Positionen der SPD oder der Linken, die ich teile", sagt Rohrbach. Und letzten Endes sei es auch wichtig, dass es eine Partei wie die AfD gebe. "So lange eine Partei nicht verboten ist, muss man sie gewähren lassen. Das ist Demokratie."

Rohrbachs Frau ist als Augenärztin in Hechingen niedergelassen

Jens Martin Rohrbach ist 62 Jahre alt und gebürtig aus Lübeck. Seit 1984 ist er Augenarzt an der Universitäts-Augenklinik in Tübingen. Zudem ist Rohrbach Professor und Hochschullehrer für Augenheilkunde an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen. Rohrbach ist evangelisch und verheiratet. Er hat einen Sohn sowie einen weiteren Sohn aus erster Ehe seiner Frau Conka Tekeva-Rohrbach, die als Augenärztin in Hechingen niedergelassen ist.

Weitere Informationen: www.abgeordnetenwatch.de/profile/jens-martin-rohrbach

 Als Parteiloser gilt, wer ein politisches Amt oder Mandat ausübt oder anstrebt, jedoch keiner politischen Partei angehört. Parteilos kann ein Parlamentarier oft erst nach einer Wahl werden, indem er aus seiner Partei austritt oder ausgeschlossen wird.

 19 parteilose Kandidaten treten am Sonntag, 24. September, in Baden-Württemberg zur Bundestagswahl an.

 In Deutschland sind bisher nur bei einer einzigen Wahl parteilose Direktkandidaten in den Bundestag eingezogen, das waren im Jahr 1949 die drei Kandidaten Eduard Edert (Flensburg), Richard Freudenberg (Mannheim-Land) und Franz Ott (Esslingen).