Verbrechen per Webcam: Wegen des Missbrauchs einer Minderjährigen stand ein 28-Jähriger in Hechingen vor Gericht. Foto: Gerten

28-Jähriger muss sich wegen sexuellem Missbrauch einer Zwölfjährigen vor dem Amtsgericht verantworten.

Hechingen - Ein 28-jähriger Mann zwingt eine Zwölfjährige, sich für ihn vor der Computerkamera nackt auszuziehen. Dieser Fall wurde am Mittwoch vor dem Amtsgericht verhandelt. Er zeigte fast exemplarisch die Gefahren, die im Internet auf Kinder lauern.

Vergangenes Jahr lernte der 28-Jährige aus Osnabrück in einem Internet-Chat die Zwölfjährige aus dem Mittelbereich kennen. Erst eine belanglose Unterhaltung, die schnell zur psychologischen Falle für das Mädchen wurde, als diese schrieb, ihre Mutter sehe es nicht gern, wenn sie mit Erwachsenen chatte.

Subtile Drohungen folgten, er werde der Mutter von dem Kontakt berichten, falls sie ihm nicht ein Foto schicke, das sie in bauchfreier Kleidung zeige. Das Mädchen hatte davor offensichtlich Angst, schickte das gewünschte Foto, und geriet erst recht in die Bredouille. Denn nun folgte die Drohung, er werde auch das freizügige Foto an die Mutter schicken, falls sie sich nicht nach einem von ihm aufgestellten "Zehn-Punkte-Plan" vor der Kamera ihres Computers entkleidet. Eines Oktobermorgens kurz nach 6 Uhr gab das Mädchen dieser Nötigung nach. Kurz darauf wurde der Vorfall bekannt. Es folgten Hausdurchsuchung beim Täter und die Anklage, die nun zur Gerichtsverhandlung führte.

Wer ist zu so einer Tat fähig? Der Angeklagte wirkte nicht wie ein Verbrecher. Ein weicher Typ. Wohnt noch bei den Eltern, denen er 400 Euro von seinem etwas über 500 Euro Lehrlingsgehalt abgibt. Weil er Schulden abtragen muss, bleiben ihm 25 Euro monatlich als Taschengeld. Eine Dachdeckerlehre musste der Hauptschüler abbrechen, als er einen epileptischen Anfall erlitt. Jahre mit Aushilfsjobs und Arbeitslosigkeit folgten, bis er vor einem Jahr doch noch eine neue Lehrstelle fand.

Wusste er, dass er pädophil ist, dass er also ein sexuelles Interesse an Kindern hat? Diese Frage stellte ihm die Staatsanwältin. "Ich hatte so eine Ahnung, eine Befürchtung", antwortete er. Konkret gespürt habe er das aber erst durch den Internet-Chat mit dem Mädchen aus dem Hechinger Raum. Das fehlen jeglicher Vorstrafen oder einschlägiger Einträge belegt, dass dies so sein kann.

Hat er versucht, durch eine Therapie etwas gegen diese Neigung zu unternehmen, die fast unweigerlich zu strafbaren Handlungen führt, fasste die Staatsanwältin nach. "Bisher bewusst nicht, ich wollte nichts tun, das strafmildernd wirkt", so die verblüffende Antwort. Er wisse, dass er ein "Verbrechen" begangen habe, und er habe dafür die volle Strafe verdient.

Angeklagter soll sich unverzüglich in Therapie begeben

In dem Punkt widersprach ihm die Staatsanwältin allerdings. "Der Zweck eines Strafverfahrens ist einerseits die Sanktion für Straftaten", erklärte sie, aber mindestens ebenso wolle die Justiz erreichen, "dass bei Ihnen eine solche Tat nicht mehr vorkommt." Der Angeklagte müsse sich nicht "selbst kasteien", sondern nun möglichst schnell eine Therapie beginnen.

Diese Haltung drückte auch das Urteil aus. Sechs Monate Haft, ausgesetzt auf eine dreijährige Bewährungszeit, in der er von einem Bewährungshelfer betreut wird, 500 Euro Schmerzensgeld, die er in Raten abzahlen muss, vor allem aber die Auflage, sich unverzüglich in Therapie zu begeben. Ob er die Therapie-Auflage einhalten wird, will die Justiz engmaschig überwachen.