Aufgrund ihres alternativen Kleidungsstils wurde Wirtin Franziska Jung oft als "verkleidet" angesehen. Foto: Stopper Foto: Schwarzwälder-Bote

Michl’s Vollmondbühne im Hechinger Schützenhaus hat im Februar letzte Vorstellung

Von Klaus Stopper

Es war wie im Märchen: Immer wenn der Vollmond sein silbernes Licht über den Martinsberg rieseln ließ, taten sich im Hechinger Schützenhaus seltsam-schöne Dinge. Bald ist das Märchen leider vorbei. Michls Vollmondbühne schließt.

Hechingen. Das Wirtepaar Mike Jülich und Franziska Jung verlassen bekanntlich Ende Februar das Hechinger Schützenhaus und eröffnen im Gasthaus Waldhorn in Bad Sebastiansweiler ein eigenes Restaurant. Das Gebäude haben sie gekauft. "Es bietet mehr Platz und weil es uns gehört auch mehr Möglichkeiten", erklärt Franziska Jung.

Damit verliert Hechingen nicht nur ein beliebtes Gastronomenpaar, sondern vor allem auch eine Kleinkunstbühne der Extraklasse mit einem Aufführungskonzept, das wohl fast einzigartig sein dürfte: Immer an Vollmondtagen wurde Kleinkunst geboten, egal welcher Wochentag es war. Morgen, Sonntag, und dann noch einmal im Februar öffnet die Bühne. Für beide Abende sind fast schon alle Plätze reserviert. "Mal von den beiden Wintermonaten abgesehen, waren wir in letzter Zeit eigentlich immer ausgebucht", erklärt die Wirtin.

Für sie hat sich damit ein Traum erfüllt, an den sie im Jahr 2010 wohl selber nur zaghaft geglaubt hat. Damals zogen die beiden nach Hechingen und übernahmen die Pacht im Schützenhaus. Als Restaurantmeister hat Mike Jülich zuvor in Stuttgart hervorragende Küchen geleitet. Dass er sich trotz abgeschiedener Lage des Schützenhauses auch hier etablieren würde, davon ging er aus.

Etwas banger im Herzen war es da schon seiner Frau, die bis dahin als Assistentin des Stuttgarter Theaterhaus-Intendanten im Künstlermilieu schwamm wie ein Fisch im Wasser. Und dann Hechingen! Ein Schützenhaus mitten in der Landschaft hinter dem Freibad! "Dass ich hier Kleinkunst machen darf, war die Voraussetzung, dass ich mitkomme", erzählt sie fröhlich grinsend. Kleinkunst im Schützenhaus – viele schüttelten damals skeptisch den Kopf. Und dann diese Wirtin und ihr Kleiderstil. "Ich sei immer verkleidet, haben die Leute über mich erzählt", berichtet sie.

Ungewohntes Konzept kommt gut an

Das Kopfschütteln wurde heftiger, als sie dann nach einigen Monaten ihr Konzept vorstellte: "Michel’s Vollmondbühne". Wer auftritt, wird nicht vorher bekannt gegeben, der Eintritt ist umsonst, der Künstler lässt einen Hut rumgehen, und Termin ist immer dann, wenn der Mond einen Vollkreis bildet.

"Ich war mir der Genialität dieses Konzepts vorher nicht bewusst", erzählt Franziska Jung. Der Anfang war zwar schon etwas mühsam, "weil die Hechinger nur irgendwo hingehen, wo der Nachbar schon war und es gut fand", sagt sie. Nach zwei Jahren musste sie regelmäßig Anfragen nach Reservierungen absagen, weil alle Plätze ausgebucht waren.

Und bei Kleinkünstlern sprach sich herum, dass es hier nett ist, und dass die Gäste stets so viel in den Hut werfen, dass auch ein vernünftiges Honorar zustande kommt. Franziska Jung ließ zudem ihre Kontakte zur Stuttgarter Kulturszene spielen, der Rosenau-Intendant unterstützte das Projekt ebenfalls. Irgendwann wurde begonnen, dass die Gäste dann auch an Gemälden malen sollten. Und selbst das wurde zum Erfolg.

Im vergangenen Sommer dann ihr persönlicher Höhepunkt: "Marina and the Kats", die kleinste Bigband der Welt und derzeit extrem angesagte Swing-Truppe, kam extra aus Wien angereist. "Künstlerisch war das ein extrem hohes Niveau", erzählt sie.

Ihr Mann Mike Jülich, der die Kulturseite des Gastronomiebetriebs am Anfang noch etwas skeptisch sah, war da schon lange Vollmondbühnen-Fan. Nicht dass die Bühnenaktivitäten selbst Gewinn abwarfen. "Selbst wenn es gut läuft, ist Kleinkunst für Veranstalter nie ein Geschäft", erklärt die Wirtin. Aber die Kleinkunst-Gäste kamen auch sonst gern zum Essen ins Schützenhaus, die Qualität der Küche sprach sich herum, und dass man hier "im Bett" dinieren kann – sprich in alten, umgebauten Möbeln, fanden viele auch sehr schön.

Diese Ära ist nun bald vorbei, "aber Bad Sebastiansweiler ist ja nicht weit", tröstet die Wirtin. Die Vollmondbühne wird es dort übrigens weiterhin geben, "aber vielleicht verändern sich ein paar Details", kündigt Franziska Jung an. Man habe möglicherweise etwas mehr Platz. Und die Lage direkt an der Bundesstraße sei ja auch nicht schlecht, um auf das Kulturprogramm hinzuweisen. Sie ist sich sicher: "Das wird schön, und ich freue mich schon drauf."