Das Helmknabenkraut besticht durch seine leuchtende lila Farbe und die Musterung. Die Orchideenliebhaber hinter Wolfgang Wiebe im Gänsemarsch: Die Beurener Heide ist ein Mekka für Botaniker. Foto: Rapthel-Kieser

Vorsicht bei Exkursionen. Wolfgang Wiebe seit rund neun Jahren Orchideen-Fan.

Hechingen-Beuren - Diese Schatzsucher sind nicht auf Edelmetalle aus: Die Magerwiesen und Karstböden an vielen Stellen des Zollernalbkreises bringen für Hobby-Botaniker und Biologen ganz andere Kostbarkeiten zu Tage – seltene Orchideen.

Von den etwa sechzig deutschen Orchideenarten, von denen die meisten auf Kalkböden wachsen, kommen im Zollernalbkreis über vierzig vor. Vor allem die Beurener Heide, in der sich die größte Vielfalt dieser exotisch anmutenden Pflanzen findet, ist ein Mekka für Botaniker. Die begeben sich von Frühjahr bis Herbst mit offenen Augen, Kameras und Zeichenblöcken auf die Suche nach diesen Schätzen.

Einer von ihnen ist der Albstädter Grafiker, Maler und Kunstdozent Wolfgang Wiebe. Seit rund neun Jahren ist der 61-Jährige Familienvater Orchideen-Fan. Auf einer seiner Studienfahrten mit Hobbymalern nach Italien hatte der Albstädter einen Spezialisten in der Gruppe, der sich auskannte. Er konnte die Arten benennen und ihre Besonderheiten erklären. Seitdem ist auch Wiebe infiziert.

Er kennt bereits alle 53 Naturschutzgebiete

Dass er im Zollernalbkreis wohnt, ist für ihn ein Glücksfall. Längst hat er die 53 Naturschutzgebiete des Landkreises zwischen Haigerloch und Winterlingen durchkämmt, weiß, wo und zu welcher Jahreszeit welche Orchideen zu finden sind. Wiebe hat die meisten mitgenommen – auf einem Chip in der Digitalkamera.

Eins ist dem Pflanzenliebhaber auf seinen Exkursionen aber wichtig: Absolute Körperkontrolle. Jeder Schritt muss vorher genau abgewägt und exakt gesetzt werden, damit keine der seltenen Blumen Schaden leidet. Und so stolzieren die Orchideen-Liebhaber rund um Wiebe, die sich an diesem sonnigen Frühsommertag aufgemacht haben, um die Wälder zwischen Schlatt und Beuren und die Beurener Heide zu erkunden, im Gänsemarsch fein säuberlich hintereinander her, achten auf ihre Trittfolge und schauen sich an, was da blüht und wächst.

Mit dabei das Ehepaar Gretel und Karl Koch aus Winterlingen. Beide sind, so wie Wiebe, Orchideenliebhaber, haben selber eine große Wiese, auf der sich so einige der "Königinnen unter den Blumen" finden und sie kennen fast jedes Vorkommen in ihrem Landkreis.

Bilder und Namen sind alle im Kopf gespeichert

Aber Gretel Koch braucht weder Fotoapparat noch Bestimmungsbuch. Die Bilder und Namen der Blumen am Wegesrand und auf der Wiese – sie scheint sie alle im Kopf zu haben. Andere in der Gruppe, wie Christine Heinl wollen die Orchideen festhalten und mitnehmen, haben ihre Kamera dabei oder zücken das Handy.

Die bunt gemischte Truppe findet zu dieser Jahreszeit Orchideen, die so lustige Namen tragen wie Bocksriemenzunge, Fleischfarbenes oder Geflecktes Knabenkraut oder die Zweiblättrige Waldhyazinthe. Auch die Vogelnestwurz, die unter großen Baumkronen im Schatten gedeiht, kein Chlorophyll mehr entwickelt und in Symbiose mit Waldbäumen lebt. Oder aber die Fliegen- oder Hummelragwurzen, die aussehen, wie eins der Insekten, nach denen sie benannt sind und auch im Zollernalbkreis noch ganz gut zu finden sind.

"Die Grüne Hohlzunge, die Puppenorchis oder die Kugelorchis ist dagegen nur mit viel Glück und in einzelnen Exemplaren zu finden und sehr gute Augen und großes Glück muss man haben, wenn man den Elfenständel oder den Widerbart finden will", berichtet Wiebe. Der Jahreszyklus der Orchideen beginnt im Frühling mit dem Blassen Knabenkraut und endet, wie ihr Name schon sagt, mit der Herbstdrehwurz. Auch sie ist extrem selten und eigenartig. Auf einem der Pfade in der Beurener Heide begegnet die Gruppe rund um Wiebe weiteren Orchideenfreunden aus Ravensburg. Drei von ihnen ausgerüstet mit großen Kameras.

"Ich komme schon seit den 80er Jahren regelmäßig hierher", sagt einer von ihnen. "Unsere Orchideen – der Frauenschuh ausgenommen – sind kleine, unscheinbare Schönheiten und erst wer genau hinsieht, wird bei manchen die farbige Differenziertheit und die Verwandtschaft zu ihren tropischen Schwestern wahrnehmen", sagt Wolfgang Wiebe. Was hier wächst, kann in keinem Gartencenter erworben werden, denn züchten lassen sich diese wilden Arten bislang nicht.

Der Name "Orchis" kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Hoden", die zwei Wurzelknollen der "Knabenkräuter" haben der gesamten Pflanzenfamilie ihren Namen gegeben. Vielen Pflanzenfreunden gilt die Orchidee, die weltweit vorkommt, als Königin unter den Blumen. Denn keine andere Pflanzenfamilie hat ein solches Spektrum, was Formen und Farben der Blüten anbelangt, wie die Familie der Orchideen. Etwa 1000 Gattungen mit 15.000 bis 30.000 Arten werden von Botanikern anerkannt.