Das Pflegepodium am Donnerstag in St. Luzen: (von links): Daniel Essig (Moderation), Andreas Vogt (Techniker-Krankenkasse), Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz und Franz Vees (Seniorenwohnanlage Fideliswiesen in Sigmaringen). Foto: Wais Foto: Schwarzwälder-Bote

Staatssekretärin stellt auf Podium neue Pflegestärkungsgesetze vor / Forderung nach qualifizierterer Ausbildung

Von Eberhard Wais

Hechingen. Die Pflege wird immer teurer, weil umfassender, jeder Einzelne muss Vorsorge treffen. Das ist das Fazit des Pflegeforums am Donnerstag im Bildungshaus St. Luzen mit Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz und weiteren Fachleuten.

Am Anfang des gut zweistündigen Podiums stand der Impulsvortrag der Staatssekretärin zu Zielsetzung und Inhalt der beiden neuen Pflegestärkungsgesetze, das erste davon ist Anfang des Jahres in Kraft getreten. Wichtig dabei sei, dass auch die Umsetzung gut gelinge, dass das, was auf dem Papier stehe, auch bei den Betroffenen ankomme. Deshalb tourt die CDU-Politikerin derzeit durch die Lande, um darüber aufzuklären. Die beiden Pflegestärkungsgesetze sollen nach den Worten der Staatssekretärin auch bekannte Defizite des aktuellen Pflegegesetzes bezüglich "Zielgruppe", Umfang und Ausgestaltung der Pflege korrigieren. Widmann-Mauz bezifferte die Leistungsanpassung mit dem zweiten Gesetz, das derzeit in der so genannten "Finanzierungsphase" in ihrem Ministerium ist, mit rund 20 Prozent. Die Pflegerichtlinien sollen flexibler werden, ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff müsse definiert und die Finanzierung müsse zukunftssicher werden.

Das seit Jahresbeginn geltende Pflegestärkungsgesetz stelle daher rund 2,4 Milliarden Euro mehr zur Verfügung, allerdings sind auch die Leistungsbeiträge um 0,4 Prozent gestiegen. Ziel sei es, mehr Betreuung zu ermöglichen (etwa für demenziell erkrankte Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung) und Entlastungen in der ambulanten Hilfe zu vereinfachen. Gestärkt werden sollen mit der gesetzlichen Neuerung auch die pflegenden Angehörigen, indem es etwa mehr Leistungen für die häusliche Pflege gibt und Entlastungen bei Tages- und Nachtpflege eingeführt werden.

Um nicht in eine bald unbezahlbare Teuerungsspirale zu kommen, soll nun ein Pflegefonds eingerichtet werden, der jährlich mit 1,2 Milliarden Euro bestückt wird und der erst einmal 20 Jahre unangetastet bleibt. In der zweiten Stufe des Pflegestärkungsgesetzes werden auch die von Beginn an bis heute heftig umstrittene, und subjektiv oft nicht nachvollziehbare (weil zu niedrige) Einstufung der Pflegebedürftigen neu geregelt.

Die von Daniel Essig (Junge Union Tübingen) moderierte Diskussion zeigte vor allem, dass die Pflegepraxis sehr viel differenzierter ist als der schnöde Gesetzestext überhaupt fassen kann, und wie wichtig eine bessere Aufklärung der Betroffenen über Rechte und Möglichkeiten für eine Pflege ist. Unstrittig unter den Podiumsteilnehmern, neben Annette Widmann-Mauz auch Andreas Vogt von der Techniker-Krankenkasse und Franz Vees als Pflegepraktiker und Leiter der Seniorenwohnanlage Fideliswiesen in Sigmaringen, war die Forderung nach einer qualifizierteren Ausbildung im Pflegeberuf und einer besseren Entlohnung und gesellschaftlichen Anerkennung. Dazu gehören auch flexiblere, sozial verträglichere Arbeitsmodelle. Andreas Vogt brachte es auf den Nenner: "Gute Pflege braucht auch gute Bezahlung und Qualifizierung." Franz Vees sah in den gesetzlichen Neuerungen gute Ansätze, die im Detail aber noch an die Praxis angepasst werden müssten. Die Fragen aus dem Plenum betrafen vor allem die heftig umstrittenen Einstufungen durch den medizinischen Dienst, die übergroße Bürokratisierung und die rechtliche Stellung der Pflegebedürftigen, den von den Kassen diktierten Sparzwang auch bei der Entlohnung der Mitarbeiter, die mangelhafte Information der Betroffenen über ihre Rechte, die Finanzierbarkeit der Behandlungspflege. Dabei machte Widmann-Mauz aber auch klar, dass die Pflegeversicherung immer eine Teilversicherung bleibe, zu keiner "Rundumversicherung" werden könne, weil sie dann absolut unbezahlbar sei: "Solidarität ja, aber nicht ohne ein gerüttelt Maß an Eigenverantwortung und -vorsorge."