Die Teilnehmer des interreligiösen Lerntages in der Alten ­Synagoge haben viel über den eigenen Glauben, Nichtglauben und gemeinsame Werte erfahren. Foto: Maas Foto: Schwarzwälder-Bote

Religion: In der Alten Synagoge stehen gemeinsame Werte im Mittelpunkt / Interreligiöse Lerntage der Alice-Salomon-Schule

Den (Nicht-)Glauben anderer wahrnehmen, die eigenen Zweifel aussprechen und ins Gespräch kommen – für diese Ziele fanden in der Alten Synagoge interreligiöse Lerntage mit zwei Klassen der Berufsfachschule Pflege und Gastronomie der Alice-Salomon-Schule statt.

Hechingen. Die Lerntage unter dem türkischen Motto "Beni Tani" ("Lern mich kennen") wurden von Hasan Dagdelen (Vorstandsassistent für Projekt- und Programmarbeit des Stuttgarter Lehrhauses – Stiftung für interreligiösen Dialog), Kornelia Maas (Religionslehrerin an der Alice-Salomon-Schule) und Benedict von Bremen (pädagogischer Mitarbeiter der Initiative Alte Synagoge Hechingen) organisiert.

Als Lernort wurde die Hechinger Synagoge einerseits wegen der bereits bestehenden Zusammenarbeit zwischen Synagogenverein und Alice-Salomon-Schule, und andererseits besonders wegen ihrer Tradition als Versammlungs- und Lehrhaus gewählt.

Tapetenwechsel in die Synagoge

Der "Tapetenwechsel" in die Synagoge als verlängertes Klassenzimmer mit seiner Schönheit und Weite sollte außerdem eine andere Atmosphäre als die gewohnte Schulumgebung bieten. Zudem wird die Synagoge von der Initiative Alte Synagoge Hechingen und dem Stuttgarter Lehrhaus, die häufig miteinander kooperieren, als idealer Ort für den Trialog zwischen Judentum, Christentum und Islam angesehen.

In einer Anfangsrunde stellten sich alle Teilnehmer vor, zu denen neben den Schülern im Alter von 15 bis 17 Jahren und den Organisatoren weitere Lehrer sowie eine Referendarin und ein Schulpraktikant des Faches Ethik gehörten. Sie sprachen über ihre Religion, nannten ethische Werte, die ihnen wichtig seien und erklärten, ob diese mit ihrer Religion zu tun hätten.

Von Atheisten über Agnostiker bis hin zu praktizierenden katholischen, orthodoxen und protestantischen Christen, Zeugen Jehovas sowie Muslimen war eine große Bandbreite von (Nicht-)Gläubigen vertreten.

In einem zweiten Schritt erstellten die Teilnehmer Plakate, auf denen sie mit Worten oder Zeichnungen ihren Glauben und ihre Werte darstellten. Nach einer Mittagspause diskutierten die Teilnehmer eine Geschichte. Hierbei sollten die Protagonisten der Geschichte auf Grund ihres Handelns in eine gewichtete Reihenfolge gebracht werden. Nachdem jeder Teilnehmer dieses Ranking für sich selbst erstellt hatte, wurde in Kleingruppen eine gemeinsame Reihenfolge ausdiskutiert. Manche Gruppen waren sich schnell einig, während in anderen heftig debattiert wurde. Im Ergebnis zeigte sich, dass viele Werte von allen für wichtig gehalten werden, trotz der religiösen Unterschiede: Ehrlichkeit, Treue, Liebe, Freiheit, Selbstbestimmung.

Viel über gemeinsame Werte gelernt

In einer Abschlussrunde wurde dann ein Resümee des Lerntages gezogen. Entgegen ihrer Befürchtungen im Vorfeld war der Lerntag für die Schüler nicht langweilig, sondern wurde, besonders wegen der Diskussionen und der Erkenntnis der Gemeinsamkeiten, als sehr anregend empfunden. "Es war eine hervorragende und sehr angenehme Teamarbeit", sagte Religionslehrerin Maas, "die Synagoge ist ein wunderbarer Lernraum."

Die Jugendlichen fanden respektvoll zueinander und teilten engagiert ihre eigenen Sichtweisen mit. Es war für alle, besonders aber für die muslimischen Schüler neu und beeindruckend, dass mit Hasan Dagdelen ein muslimischer Gesprächspartner mit dabei war.

Die Alice-Salomon-Schule, das Stuttgarter Lehrhaus und der Synagogenverein möchten das Konzept dieser Kooperation gerne weiter verfolgen. Vielleicht wird es im kommenden Schuljahr um Besuche einer Kirche und einer Moschee sowie einen Vertreter des Judentums erweitert.

Das Stuttgarter Lehrhaus – Stiftung für interreligiösen Dialog wurde 2009 von Meinhard Tenné, dem Ehrenvorsitzendem der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, Lisbeth Blickle und Karl-Hermann Blickle, dem langjährigem Vorstandsmitglied des Hechinger Synagogenvereins, gegründet. Das Ziel der Stiftung ist es, den Trialog zwischen den Gläubigen der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam auf der Grundlage von Toleranz, Verständnis und Gleichberechtigung zu fördern. Die Stiftung, die ihren Sitz in Stuttgart hat, kooperiert mit verschiedenen anderen Institutionen an Lernorten in Baden-Württemberg, so beispielsweise mit der Alten Synagoge Hechingen.