"Latte Macchiato. Soziologie der kleinen Dinge", lautet der Titel des Buches von Tilmann Allert aus Boll. Foto: TaschaKlick/pixelio.de Foto: Schwarzwälder-Bote

Professor Tilman Allert aus Boll veröffentlicht das Buch "Latte Macchiato" / Was sich zu hinterfragen lohnt

Andrea Maute

Hechingen-Boll. "Trinken Sie Latte Macchiato?" – beim Blick auf das Cover des neuen Buches von Tilman Allert eine beinahe rhetorische Frage. Warum allerdings die Kirchen zu Weihnachten stets aus allen Nähten platzen oder sich in Frankreich das "Langenscheidt-Bonjour" etabliert hat? – schon schwieriger.

Diese und andere alltägliche Phänomene beleuchtet Tilman Allert aus Boll. "Latte Macchiato. Soziologie der kleinen Dinge", lautet der Titel seines Buches, das in diesem Jahr im S. Fischer-Verlag erschienen ist.

Die kleinen Dinge – schon bekannte Schriftsteller wie Wilhelm Busch haben ihre Bedeutung für das große Ganze erkannt. Allert, der als Professor für Soziologie und Sozialpsychologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main lehrt, trennt sie scharfsinnig von den großen, schlagzeilenträchtigen Themen und filtert das heraus, worüber sich viele im alltäglichen Wahnsinn gar keine Gedanken machen, was sich aber durchaus zu hinterfragen lohnt.

"Nicht nur wer zahlen wird, sondern sogar wie man im Europa der Zukunft zahlen wird, das bestimmt die gegenwärtige Debatte. Unberührt davon ist der Gruß, das Erste und Elementarste, was zwischen den Menschen getauscht wird", lautet etwa der erste Satz des mit "Bonjour!" überschriebenen Kapitels.

Das an das französische "Bonjour" obligatorisch angehängte "Monsieur" oder "Madame": Wie Tilman Allert erklärt, ist es "eine im Alltag vernehmbare Wirksamkeit des Höfischen", gleichzeitig scheinbar ein Relikt vergangener Zeiten. ">Bonjour<, >Au revoir<, so haben sich die verbindlich gewordenen Rhetoriken des Auftritts ins Lapidare routiniert", konstatiert der Autor. Beides kündige "einen Wandel der Beziehungen an, ein pragmatisches Miteinander, beinahe eine Steilvorlage für das Bemühen um Mitbestimmung, mit der man sich in Wirtschaftsbeziehungen immer noch schwertut."

"Ein Wandel im Selbstverständnis des modernen Menschen" vollziehe sich hingegen mit dem Verschwinden des Pudels aus dem Straßenbild. "Seine in aufwendiger Frisur verspielt-virtuose Exzentrizität des Auftretens eignete sich für die Demonstration einer randständigen Lebensform", erklärt Allert.

Die neue Lässigkeit scheine allerdings ihren Preis zu fordern – und das bringe den Mops in Spiel.

Wie ist es mit den vollen Kirchen zur Weihnachtszeit?

Und wie ist das nun mit den vollen Kirchen zur Weihnachtszeit? "Jenseits der Frage, ob diese an Weihnachten die Malaise des christlichen Glaubens unter Beweis stellen oder ob in ihnen nicht gerade eine beeindruckende Evidenz für die Rückkehr zum Glauben zum Ausdruck kommt, bietet die Idee der Ritualität einen möglichen Zugang zum Verständnis", klärt der Autor den Leser auf. Ob nun "Festgegner, Festbefürworter oder Indifferente": Alle Jahre wieder würden die Menschen im eigenen Lebensvollzug praktisch gewordene Soziologie erfahren - "Weihnachten als ein Lehrstück für den Umgang mit elementaren Formen sozialen Lebens, für Ritualität als einer sozialen Tatsache."

u Das Buch "Latte Macchiato. Soziologie der kleinen Dinge" von Tilman Allert ist im S. Fischer-Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro (ISBN: 978-3-10-002254-7).