Die Ausstellungseröffnung mit Bildern von Birgit Dehn im Weißen Häusle wurde gestern musikalisch umrahmt von Andrea Renner (vorne), Sylvio Zondler, Thorsten Schmidt und Michael Sanders. Foto: Wais Foto: Schwarzwälder-Bote

Neue Ausstellung mit Bildern von Birgit Dehn in der Hechinger Galerie "Weißes Häusle" eröffnet

Von Eberhard Wais

Hechingen. "Glücksmomente" kennt jeder, mal mehr, mal weniger. Aber was sind "Glücksdiktate"? So ganz wurde die Frage nicht beantwortet bei der Ausstellungseröffnung mit Bildern von Birgit Dehn gestern Mittag im Weißen Häusle. Also muss man sich selbst auf die Suche machen.

Auf der linken Seite im intimen Ausstellungsraum des Hechinger Kunstvereins hängen erst einmal mikroskopisch genau gemalte Motive von schockgefrosteten Pflanzen und anderem. Die Luftblasen im Eis sind ebenso sichtbar, wie feinste Details der sich langsam zersetzenden Blumen oder Blätter. Kein Wunder, so führt später Tobias Schnotale bei seiner Einführung auf den richtigen Weg, die Künstlerin war in ihrem ersten Beruf wissenschaftlich tätig, sozusagen mit dem Elektronenmikroskop auf du und du. Das merkt man ihren Bildern heute noch an – wie mit einem sezierenden Skalpell schneidet sie hinein in die Materie.

Oder fördert auf der anderen Seite des Ausstellungsraumes in neuen Bildern ihrer Serie "Waidsprung" die kleinsten Details von Elisabeth, Ludwig und Fidel zutage – nein, keine Mitmenschen, sondern in schöner Eintracht Wildschwein, Hirsch und Truthahn. Man meint sie förmlich zu riechen und zu fühlen, wie sie da den staunenden Beschauer fixieren. Aber halt, ihnen fehlt das natürliche Umfeld, Wald und Feld haben sich zu Partikeln einer Tapete minimalisiert. Birgit Dehn hat sich nicht in kitschige Wildmalerei verirrt, sondern führt uns eben unsere Klischees des Sehens vor Augen. Für sie ist das eine persönliche Form des künstlerischen Widerstands, wie Tobias Schnotale meint, durch diese Faszination für das Dargestellte begibt sie sich auf Augenhöhe mit den Motiven.

Aber es ist nicht reiner Fotorealismus, dessen sich die Tübinger Künstlerin befleißigt, sondern wirklicher als wirklich. Durch ihre künstlerische Verarbeitung der oft als Vorlage verwendeten Fotos hält sie Abstand vom reinen Realismus, sieht sich, ihre Kunst und die reale Welt entspannter, sieht sich als Beteiligte eines Weltgeschehens und saugt daraus wohl auch ihre Glücksmomente. Also sind ihre Bilder sehr wohl als Glücksdiktate zu erfassen, sie zu betrachten, in ihnen zu versinken, mit ihnen auf Entdeckungstour zu gehen ist wie ein Glücksdiktat, unbedingt empfehlenswert.

Es sind ausgeklügelte Kompositionen. Manche Motive sind von früheren Ausstellungen bekannt, etwa die nur mit dem Entstehungsdatum benannten Frostmotive. Andere sind ganz neu, etwa die beiden Gebinde, einmal Rosen, einmal ein bunter Strauß, auch sie im quadratischen Format all ihrer Bilder. Dass dabei die Blumen auch schon mal in Transparentfolien eingewickelt sind, ist mehr als ein heutiges Attribut. Hinter dem vordergründigen Realismus der Maltechnik eröffnet sich eine inhaltliche Tiefe mit dunklen Ecken und Barrieren.

Die Ausstellung ist bis 23. November im Weißen Häusle zu sehen, zum Abschluss gibt es eine Finissage. Gestern wurde die Eröffnung untermalt und musikalisch erweitert durch Andrea Renner, Sylvio Zondler, Thorsten Schmidt und Michael Sanders. Sie fügten sich perfekt ein ins Tagesmotto – aus Glücksdiktaten werden Glücksmomente.