Bis heute erinnern Blumen und Fotos an der Stelle in Hechingen, wo der tödliche Schuss fiel, an den 22-Jährigen. Ab Donnerstag werden die Umstände der brutalen Tat vor Gericht verhandelt. Foto: Stopper

Umut K. wird vor einem halben Jahr aus einem fahrenden Auto heraus erschossen. Verhandlung startet.

Hechingen -  Im Kern geht es um einen Schuss. Und die Frage, warum er fiel, warum er einen jungen Mann traf. Ob dieser junge Mann überhaupt getroffen werden sollte – oder es sich um eine Verwechslung handelte. Und was dahintersteckt – Drogengeschäfte? Es ist ein spekatakulärer Fall, den das Landgericht Hechingen ab Donnerstag verhandeln wird – für viele Menschen im Zollernalbkreis ist es schon jetzt der Prozess des Jahres.

Rückblende: Vor fast genau einem halben Jahr, am Abend des 1. Dezember 2016, wird der 22-jährige Umut K. aus Bisingen (Zollernalbkreis) vor einem Spielcasino in Hechingen aus einem fahrenden Auto heraus erschossen. Die Täter geben nur diesen einen Schuss ab, anschließend machen sie sich in rasender Fahrt davon – allerdings nicht allzu weit: Den Wagen stellt die Polizei nach einer intensiven Fahndung ziemlich schnell sicher, am Tag darauf sitzen bereits drei Verdächtige in Untersuchungshaft; die Zugriffe erfolgen unter anderem in Hausen, einem Stadtteil von Burladingen (Zollernalbkreis). Ein weiterer Verdächtiger stellt sich. Drei der Männer sind nun angeklagt – zwei wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung sowie Drogengeschäften, der Dritte nur wegen Drogen. Krumme Geschäfte mit Betäubungsmitteln sollen Hintergrund der Bluttat sein.

War der 22-Jährige ein Zufallsopfer der mutmaßlichen Täter?

Bis heute erschüttert die kaltblütige, offenbar geplante Tötung eines Menschen auf offener Straße die Einwohner im Zollernalbkreis – ebenso der Umstand, dass in Hechingen augenscheinlich eine recht aktive, zu brutalster Gewalt bereite Drogenhändlerszene aktiv ist. Deren Hintergründe sind Gegenstand eines weiteren Prozesses, der demnächst beginnt. Noch mehr bestürzt sind viele darüber, dass der 22-Jährige, der zu Tode gekommen ist, offenbar gar nicht das eigentliche Ziel der hinterhältigen Attacke gewesen ist: Die mutmaßlichen Täter italienischer Abstammung wollten, davon geht die Staatsanwaltschaft Hechingen nach umfangreichen Ermittlungen aus, einen Landsmann erschießen, mit dem der 22-Jährige an diesem Dezemberabend unterwegs war und der mit den Beschuldigten wegen Drogengeschäften angeblich Streit gehabt haben soll.

Angehörige und Freunde des Opfers hatten nach der Tat betont, dass der 22-Jährige nur ein Zufallsopfer sein konnte. Der Bisinger wollte demnächst ein Jurastudium aufnehmen, Freunde beschreiben ihn als ehrbaren, strebsamen Mann. Dagegen gehen die Ermittler davon aus, dass auch der 22-Jährige, obwohl der tödliche Schuss den Erkentnissen zufolge ihm selbst nicht galt, zumindest am Rande mit den Drogengeschäften zu tun hatte, die Hintergrund der Tat gewesen sein sollen.

Wer geschossen hat, wer getroffen werden sollte und warum der Schuss überhaupt abgegeben wurde, das soll nun die Verhandlung vor dem Landgericht Hechingen unter dem Vorsitz von Hannes Breucker klären.

Dabei geht es auch um kompliztierte juristische Fragen: Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage wegen versuchten Mords erhoben – in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung. Rechtlich ist das eine Behelfskonstruktion: Denjenigen, den die mutmaßlichen Täter treffen wollten, haben sie nicht erwischt – also versuchter Mord. Und denjenigen, den sie umgebracht haben, wollten sie eigentlich gar nicht treffen – also fahrlässige Tötung. Für Angehörige, Freunde und juristische Laien ist das nur schwer nachvollziehbar: eine Hinrichtung auf offener Straße – kein Mord?

Der Vorsitzende Richter Breucker hat derweil im Eröffnungsbeschluss darauf hingewiesen, dass über die Anklage hinaus sehr wohl auch eine Verurteilung wegen Mordes in Betracht kommt. Dies für den Fall, dass die Richter und Schöffen nach der Beweisaufnahme zum Ergebnis kommen, dass die Beschuldigten damit rechneten, dass der nahe bei dem eigentlich anvisierten Opfer stehende Begleiter getroffen werden könnte – und ihnen dies gleichgültig war, sie also den Tod des 22-Jährigen billigend in Kauf nahmen.

Körperscanner durchleuchtet die Teilnehmer

Die Beweisaufnahme wird sich vermutlich hinziehen: Bis September sind rund ein Dutzend Sitzungstage anberaumt, 67 Zeugen stehen auf der Liste, dazu sechs Sachverständige. Ob die Beschuldigten vor Gericht etwas sagen werden, ist offen – bisher schweigen sie zu den Vorwürfen. Derweil hat der Vorsitzende Richter Breucker für den Prozess spezielle Sicherheitsbestimmungen erlassen.

Wer die Verhandlung als Zuhörer im Saal mitverfolgen will, muss intensive Kontrollen über sich ergehen lassen. In den Saal wird nur gelassen, wer sich am Eingang ausweisen kann. Zudem muss sich jeder, der den Saal betreten will, einer Leibesvisitation unterziehen: Man wird abgetastet und außerdem mittels eines Körperscanners durchleuchtet.

Die Personalien der Zuhörer können zwecks einer Überprüfung schriftlich festgehalten werden. Grundsätzlich nicht erlaubt ist laut der Verfügung das Mitführen von Mobiltelefonen, Kameras und anderen technischen Geräten, "die zur Fertigung von Bild- und Tonaufnahmen geeignet sind." Dies soll laut Breucker "der ungestörten Wahrheitsfindung" dienen. Es wird mit einem großen öffentlichen Interesse an dem Prozess gerechnet.