Zwei unterschiedliche Rollen, zwei unterschiedliche Charaktere: Landgerichts-Vizepräsident und Richter Herbert Anderer (links), Strafverteidiger Klaus Schön. Foto: Klingler/Rath

Fassungslose Gesichter. Prozess um Raubüberfälle auf Schrotthändler: Nächster Befangenheitsantrag.

Hechingen - Fassungslose Gesichter auf fast allen Seiten: Der gestrige Verhandlungstag im Prozess wegen der Raubüberfälle auf Schrotthändler ist geplatzt. Elf Zeugen aus Bayern waren vergebens nach Hechingen gereist. Frust machte sich breit.

Auslöser der neuerlichen Zwangspause war einmal mehr Klaus Schön, Verteidiger des mutmaßlichen Drahtziehers der beiden brutalen Überfälle. Der Jurist aus Konstanz erschien gestern mit frischem Haarschnitt, aber alter Prozesstaktik. Aus seinem grünen Rollkoffer zauberte er den nächsten Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden der Kammer, Richter Herbert Anderer, und die beisitzende Richterin.

Schön beklagt, dass Prozessunterlagen bei ihm nicht angekommen seien. Anderer verlas sein Schreiben, das "sehr freundlich im Ton" sei und am 16. November verfasst und verschickt wurde. Trotzdem soll es noch nicht in der Kanzlei angekommen sein. "Es könnte auch an der Post liegen. Die funktioniert oft auch nicht mehr wie früher", mutmaßte Schön. Seinen Befangenheitsantrag zog er trotz mehrmaliger Nachfrage der Kammer aber nicht zurück. Damit durfte die Kammer gestern nicht weiter verhandeln.

Vergeblich aus Bayern angereist waren elf Zeugen, die Schön selbst angefordert hatte. Es handelt sich um Mitarbeiter einer Spielothek und eines Hotels, die das Alibi seines Mandanten für den Tag des ersten Raubüberfalls in Hechingen stützen sollten. Als Anderer ihnen offenbarte, dass sie heute nicht vernommen werden könnten und noch einmal kommen müssten, rangen sie sichtlich um Fassung. "Es ist zum Kotzen, ich weiß. Aber ich kann’s nicht ändern", so Anderer. Der Verdienstausfall und die Reisekosten werden ihnen ersetzt.

Mittlerweile reißt angesichts von Schöns Verschleppungstaktik auch anderen Prozessbeteiligten der Geduldsfaden. Anwalt Max Benke aus Löffingen bei Villingen-Schwenningen, der einen anderen der vier Angeklagten vertritt und die Zwangspausen bereits zweimal für Friseurtermine genutzt hat, formulierte das so: "Mir stinkt’s mittlerweile. Es geht so nicht weiter. Das geht zu weit." Er wolle das Verfahren auch im Sinne seines Mandanten "bald beendet" wissen. Es könne nicht sein, dass die Beteiligten "bei Nebel, bald auch bei Schnee und Eis" von weither anreisen, "bloß um dann Kaffee zu trinken".

Anwalt Schön nahm den offenen Unmut von Zeugen und Kollegen mit hochroten Backen, in der Sache aber unbeirrt entgegen. Er werde "alle Mittel ausschöpfen, um die Unschuld seines Mandanten zu beweisen". Die Verhandlung soll am 5. Dezember fortgesetzt werden.