Vor dem Hechinger Amtsgericht ging es am Dienstag um fahrlässige Tötung. Foto: Archiv

Amtsgericht Hechingen verurteilt 19-jährigen Fahrer eines PS-starkem Auto. Bester Freund kam ums Leben.

Hechingen/Albstadt - Weil er einen Unfall verursacht hat, bei dem ein Mensch gestorben ist, hat das Amtsgericht Hechingen am Dienstag einen 19-Jährigen aus Albstadt zu drei Jahren Jugendhaft verurteilt. Da er bereits mehrfach verurteilt worden war, erhielt er keine Bewährung.

Es ist eine Verkettung verhängnisvoller Umstände in dieser Juninacht 2016. Ein 18-Jähriger ist mit seinem Auto auf der Bundesstraße 463 von Ebingen Richtung Winterlingen unterwegs. Er fährt viel zu schnell, die Straße ist nass, es hat geregnet. Hinzu kommt, dass der linke Hinterreifen abgefahren ist. In einer unübersichtlichen Rechtskurve geschieht es dann: Das Heck des 197 PS starken Autos bricht aus, gerät auf die Gegenfahrbahn und knallt in einen entgegenkommenden Wagen. Dessen Fahrer hat Glück, wird nur leicht verletzt, sein Auto hat Totalschaden.

19-Jähriger gibt an, sich nicht zu erinnern

Schlimmer ergeht es den Insassen des Wagens, der den Unfall verursacht hat. Der Fahrer wird schwer verletzt, bricht sich die Wirbelsäule, liegt tagelang im Koma. Sein Beifahrer, sein 17-jähriger bester Freund, stirbt.

"Fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung" lautet die Anklage, die jetzt erhoben wurde. Vor Gericht gibt der Mann an, sich nicht erinnern zu können. Anders zwei Zeugen: Ein Mann berichtet, dass er kurz zuvor von zwei Fahrzeugen mit extrem hoher Geschwindigkeit überholt worden sei. Dabei habe es ausgesehen, als ob der hintere schwarze Wagen das silberfarbene Auto vor ihm gejagt habe. Als er kurz darauf um eine Kurve bog, lagen die Trümmer des schwarzen Wagens auf der Straße. Der Angeklagte beteuert: "Ich habe noch nie Rennerles gemacht."

"Ich sah nur einen schwarzen Block auf mich zukommen", sagt der Mann, in dessen Wagen der 18-Jährige geknallt war. Automatisch habe sich der Bremsassistent seines Autos eingeschaltet und den Wagen noch verlangsamt. Das bestätigt in der Verhandlung auch ein Sachverständiger. Er schätzt die Geschwindigkeit des Unfallverursachers auf 90 Stundenkilometer – 30 mehr als es die Straßenverhältnisse zugelassen hätten. Hinzu kam der abgefahrene Reifen. Von dem wusste der junge Fahrer, schob einen Wechsel jedoch aus finanziellen Gründen hinaus. Mit fatalen Folgen.

Als Jugendlicher auf die schiefe Bahn geraten

Autos ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Jugend. In einer Schaustellerfamilie aufgewachsen, zieht er mit Eltern und Geschwistern 2009 nach Albstadt. Hier wird die Familie endlich sesshaft. Doch der Jugendliche gerät auf die schiefe Bahn. 2012 erfolgt die erste Verurteilung wegen Diebstahls und weil er auf Facebook mit einem Amoklauf in einer Albstädter Schule gedroht hat. Im selben Jahr wird er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Fahrerflucht verurteilt.

Es folgen immer mehr Straftaten und Verurteilungen. Mit einem Komplizen zusammen hat er sich darauf spezialisiert, Autos zu klauen und durch die Gegend zu fahren. Sie steigen in Autohäuser in Rangendingen, Hechingen, Ebingen und Lautlingen ein. Dabei brechen sie stets die Werkstatt auf, klauen Schlüssel und hauen dann mit einem Auto ab.

2014 wird er zu zwei Jahren Jugendhaft verurteilt. Den größten Teil davon verbringt er in einer Einrichtung mit offenem Vollzug bei Leonberg. Hier fängt er an, Verantwortung für sein Leben und für andere zu übernehmen, beginnt eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner. Als seine Strafe abgesessen ist, bleibt er freiwillig in der Einrichtung, um seine Ausbildung abzuschließen. Doch dann macht er seinen Führerschein, leiht sich von einem Mitarbeiter Geld, kauft ein PS-starkes Auto. Er fährt immer öfter nach Hause, bleibt schließlich der Einrichtung ganz fern, ohne Bescheid zu geben, verstößt gegen seine Bewährungsauflagen. Im Juni 2016, keine drei Monate nachdem er seinen Führerschein bekommen hat, ereignet sich der verhängnisvolle Unfall bei Straßberg. "Ich dachte, ich kann Auto fahren", sagt der 19-Jährige auf der Anklagebank. Bei seiner Vernehmung durch die Polizei hatte er jedoch eingeräumt "schnell und riskant" zu fahren.

Drei Jahre Jugendhaft und acht Monate Führerscheinentzug fordern der Staatsanwalt und der Anwalt der Nebenklägerin, der Mutter des getöteten Jungen. Sie und ihre Tochter sind seit dem Unfall in psychiatrischer Behandlung. Der Verteidiger des 19-Jährigen plädiert auf Bewährung, argumentiert, dass es sich im Unterschied zu den vorsätzlichen Straftaten in der Vergangenheit hier um Fahrlässigkeit handle.

Das sieht Richterin Irene Schilling anders. Sie verurteilt den jungen Mann zu der von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafe ohne Bewährung. "Es war eine schwierige Entscheidung", sagt sie. Dass der Angeklagte immer wieder aufs Neue gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen habe, seine angefangene Ausbildung abgebrochen und sich als erstes ein PS-starkes Auto gekauft habe, lasse keine positive Prognose zu. Der 19-Jährige nimmt das Urteil gefasst auf.