Der aktuelle Hausacher Stadtschreiber Dominik Dombrowski arbeitet in der Regel nach Einbruch der Dunkelheit. Foto: Möller

Dominik Dombrowski hält im Hausacher Rathaus seine Antrittslesung. 100 unveröffentlichte Gedichte.

Hausach - Der aktuelle Hausacher Stadtschreiber Dominik Dombrowski wird heute um 19.30 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses seine Antrittslesung halten. Der Schwarzwälder Bote hat dem Lyriker im Hausacher Molerhiisli einen Schreibtischbesuch abgestattet. Eine Libelle manövriert über den entlaubten Tümpel vor dem Molerhiisli. Zwei Bücher, "Code of the Road – Dylan interpretiert" und der Gedichtband "All of us" von Raymond Carver – liegen neben Kaffeetasse und Tabak vor Dominik Dombrowski auf dem Terrassentisch. Im sommerliche Sonnenschein wirkt die Szenerie fast urlaubsartig. Doch über den "Code" Bob Dylans schreibt der 49-Jährige eine Rezension. Neben Lektoratsarbeiten ist das der Brotberuf des 49-Jährigen.

"Ich bin wahrscheinlich der erste Nachtstadtschreiber in Hausach", schmunzelt Dombrowski, der vor Kurzem sein Stipendium für Lyrik angetreten hat und insgesamt drei Monate im Molerhiisli leben wird. Auch seine rund 100 unveröffentlichten Gedichte sollen hier ihre Ordnung finden, denn die Reihenfolge in einem Gedichtband gleicht idealerweise der eines Gesamtkunstwerks.

"Zum Schreiben brauche ich Ruhe, meist sitze ich fast im Dunkeln, nur eine Lampe ist an, wenn ich an meinen Gedichten arbeite", berichtet Dombrowski. Doch neue Themen springen ihn durchaus auch tagsüber an, und zwar egal wo. Diese notiert er dann auf was auch immer, beispielsweise auf ein Zettelchen. Spätestens nach Einbruch der Dunkelheit finden diese Worte dann am Schreibtisch Eingang in sein DIN A4-Ringbuch. Und zwar mit einem Stabilo-Stift.

Dort stehen und verändern sich die Verse und Zeilen der 15 bis 20 Gedichten, an denen er parallel schreibt. Ideen notiert er auf eine neues Blatt, manchmal hält er auch nur einen bestimmten Satz fest, der sich wiederum später in eine anderes Thema einfügt. Beim ständigen Überarbeiten streicht er, ergänzt, fügt ein, verweist weiter. Am Ende, wenn er kaum selbst noch seien Notizen lesen kann, tippt er sie in seinen Laptop. Das ist meist kurz bevor er sie beim Verlag einreicht. Erst mit der Publikation sind für Dombrowski seine Gedichte und damit auch ihre Überarbeitung abgeschlossen.

Unterbrochen wird das nächtliche Texten nur hin und wieder von einer kreativen Pause draußen mit einer Selbstgedrehten. Dort und auch wieder am Schreibtisch sind eine Tasse mit dünnem, schwarzen Kaffee mit Milch, "die ich wie ein Körperteil immer mit mir herumtrage", und das leise im Hintergrund brabbelnde Radio Dombrowskis Begleiter durch die Nacht. Jüngst hörte er plötzlich, wie sein Gedicht über die Rolling Stones und das Altern heute in einer Sendung erklang.

Keine nächtliche Entstehungsgeschichte hat dagegen das erste Gedicht für seinen Lyrikband "Finissage", mit dem er im März debütierte. Dombrowski hat es im Dämmerzustand frühmorgens vor dem Aufwachen geschrieben. Und das, obwohl seine Tage normalerweise erst vormittags beginnen, dafür aber bis drei, vier Uhr nachts andauern. "Pathétique" lautet sein Titel und es beginnt mit: "Es ist nicht mehr lange bis zum Morgen und ich muss noch geboren werden und sterben bevor es wieder Nacht wird". Neun Gedichte umfasst der Zyklus von "ziemlich novembrigen Geschichten", die die tragisch-komischen Wege der Endlichkeit nachzeichnen.

"In meiner Stipendiatszeit hier in Hausach ist es mir auch eine Herzensangelegenheit, Raymond Carvers ersten Gedichtband ›Fires‹ von 1983 zu übersetzten", berichtet Dombrowski. Der US-amerikanische Autor und Lyriker hat ihn schon früh geprägt. Auch die Lektüre von Allen Ginsberg, dem US-amerikanischer Dichter der Beat Generation, weckte im Alter von 17 Jahren den Wunsch in Dombrowski: "Ich will auch solche Sachen schreiben."

Geboren in Waco im US-Bundesstaat Texas hat Dombrowski mit seinen Eltern – der Vater war bei der Bundeswehr – an zahlreichen Orten gelebt: im französischen Biarritz, in Ulm, Steinhude am Meer, Speyer und schließlich in Bonn. In der damaligen Hauptstadt veröffentlichte er als Jugendlicher Anfang der 1980er Jahre auch seine ersten lyrischen Texte: Mit einem Freund, der zu seinen Gedichten die Illustrationen erstellte, publizierten sie "Im Glück", ein politisches wie apokalyptisches Ringbuch über die damals aktuelle Politik, Atomkraft & Co. Nach der Mittleren Reife reiste Dombrowski durch Thailand, Malaysia, lebte eine Weile in Griechenland, arbeitete für Kost und Logis.

Doch der Wunsch zu studieren trieb ihn zurück nach Bonn, wo er 1986/1987 das Abitur an der Abendschule nachholte und bis Mitte der 1990er Jahre Philosophie und Germanistik studierte. Bereits als Student arbeitete er für einen Reisekatalog-Versand in der Konfektionierung. Nach seinem Abschluss wurde er der Leiter dieser Abteilung mit 50 Mitarbeitern.

Die Nachtschichten dort ließen sich gut mit seinen Schreibgewohnheiten vereinbaren. Seit 2002 ist er als Autor selbstständig, hat parallel einen kleinen Verlag in Bonn mit aufgebaut. Mittlerweile publizierte er in Zeitschriften, Anthologien, gewann Preise. Seit 2009 ist er frei als Lektor, Autor und Dichter tätig.

"Das ist total unsicher, aber für mich optimal", meint Dombrowski. Das Hausacher Stipendium findet er "supertoll". Einziger Wermutstropfen ist, dass er seine 16 Jahre alte Katze "Herbert" in Bonn lassen musste. Die wird bis zu seiner Rückkehr von seiner Partnerin versorgt. Im Schwarzwald hat er sich trotzdem schon ganz gut eingelebt und gearbeitet. Erste Kontakte zu den Nachbarn sind geknüpft. Der Wanderführer ins Elztal, wo heute noch eine Tante von ihm lebt und seine Mutter geboren wurde, liegt bereits bereit. Auf dem Schreibtisch.

Weitere Informationen: Der Hausacher Stadtschreiber 2013 für Lyrik, Dominik Dombrowski, stellt sich heute um 19.30 Uhr im Sitzungssaal des Hausacher Rathauses mit einer Lesung und im Gespräch mit José F. A. Oliver vor.