Der Trainer, ein verletzter Fußballer, die Trainerfrau, ein ehrgeiziger Spieler und einer, der die rote Karte gesehen hat – diese Rollen sollen die Schüler hier ausfüllen. Foto: Reinhard Foto: Schwarzwälder-Bote

Schüler entwicklen Szenen bei Theater-Werkstatt im Rahmen des Leselenzes / Drei syrische Flüchtlingskinder dabei

Die Karte, die Thomas Richhardt den Schülern zeigt, löst lautes Lachen und einige "Oh, oh"-Rufe aus. Viel Zeit zum Überlegen bleibt ihnen aber nicht. "Zehn, neun, acht", zählt Richhardt herunter, während die Jugendlichen sich formieren. Zwei legen sich auf den Boden, die anderen beiden stellen sich drohend über sie. Ernste Mienen können sie aber nicht aufsetzen. Die Theater-Werkstatt, die eine Kooperation des Theaterhauses Stuttgart und des Leselenzes ist und die von der Stiftung Kinderland finanziert wird, macht ihnen zu viel Spaß.

Die restlichen 14 Mädchen und Jungen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren haben keine Ahnung, was für eine Szene dargestellt wird. "Massaker", "Bär", "Festival" und "Aufstand" lauten ihre Vermutungen. Von "Moby Dick" sind sie weit entfernt. Aber wie soll man auch einen Wal darstellen? Andere Szenen fallen ihnen leichter: Ob sich lausende Affen, Fallschirmspringen oder eine Hochzeit: Gekonnt setzen die Schüler das Erforderte um.

"Das ist nicht so das Typische, was wir hier gerade machen", erklärt Werkstatt-Leiter Thomas Richhardt. "Einerseits geht es hier schon ums Theaterspiel, andererseits aber auch ums Schreiben." Die Theaterwerkstatt steht unter dem Motto "Herkunftsgeschichten". "Es geht um Heimat und Familie", erklärt Thomas Richhardt. In diesem Sinn besuchen neben einheimischen einige Jugendliche mit Migrationshintergrund die Veranstaltung, entwickeln Szenen und schreiben literarische Texte zum Thema. Auch drei Flüchtlingskinder aus Syrien sind dabei – und das, obwohl sie díe deutsche Sprache noch nicht richtig beherrschen. "Eine Rolle spielt dann hier natürlich die Frage, wie man sich verständigen kann, wenn man die Sprache des anderen nicht spricht und keinen Dolmetscher hat", sagt Richhardt. "Aber es funktioniert viel über Körpersprache."

Auch die Tatsache, dass es verschiedene Ansätze gebe, sich dem Thema des Workshops zu nähern, erleichtere die Kommunikation. "Morgen bringe ich Gerüche mit. Davon kann sich jeder einen aussuchen, der sie dann in eine Heimatfantasie trägt", berichtet Richhardt. Dafür legt er in Tupperdosen Krepppapier, welches vorher mit einem Geruch versehen wurden, zum Beispiel mit Zitronenduft.

Morgen ist der letzte Tag des Workshops, der über drei Tage ging. Die Jugendlichen – bis auf die drei aus Syrien alle Schüler des Robert-Gerwig-Gymnasiums (RGG) – nehmen aus ganz unterschiedlichen Gründen teil. "Einige haben erklärt, dass sie die Veranstaltung gewählt haben, weil sie bewusst Kontakt zu Flüchtlingskindern aufnehmen wollten", sagte Richhardt. Wieder andere nehmen teil, weil sie Theaterspielen interessant finde und einige, die bereits Schauspielern, weil sie sich für die literarische Komponente interessieren – so wie Patricia Schilling und Philipp Rechenbach. Sie beide sind Mitglieder der Theater-AG des RGG.

"Ich finde es faszinierend, wie leicht es mir fiel, zu einem bestimmten Thema einen literarischen Text zu schreiben", meint die 17-jährige Patricia. Der gleichaltrige Philipp bestätigt: "Ich bin erstaunt, wie gut das ging."

Als nächstes sollen die Jugendlichen Szenen spielen, bei denen erraten werden soll, welche Rolle sie dabei übernommen haben. Auf der Fahrt in den Urlaub unterhalten sich auf der Rückbank des Autos die Familienmitglieder. Schnell wird offensichtlich, wer wer ist – auch das Radio spielt seinen Part überzeugend.               Charlotte Reinhard