Franco Supino ist täglich zwei bis drei Stunden draußen unterwegs. Foto: Kleinberger

Schreibtischbesuch: Hausachs Stadtschreiber Franco Supino liest am Samstag auf der Waldbühne.

Hausach - Franco Supino ist derzeit Hausachs Stadtschreiber. Morgen, Samstag, liest er ab 17 Uhr auf der Waldbühne. Zeit für einen Schreibtischbesuch bei dem Schweizer Autor, der sich nicht um Genre-Grenzen schert.

 Bekommen hat Supino sein Stipendium als Hausacher Stadtschreiber im Bereich Kinder- und Jugendliteraturf für den Jugendroman "Wasserstadt". Als Jugendbuchautor sieht er sich indes ganz und gar nicht: "Ich gehe von Stoffen aus, nicht von Genres", sagt der Vater zweier Kinder. Als solcher, erklärt er, interessiere er sich naturgemäß für Kinder- und Jugendliteratur.

Aber: "Es gibt keine Bücher für Jüngere oder Ältere. Es gibt nur gute oder schlechte Texte", stellt Supino klar. Kindliche Leser müsse man genau so ernst nehmen wie erwachsene. Gleichzeitig sei es aber auch für jene, die die Literatur für Kinder auswählen, wichtig, gute Leser zu sein. "Sie müssen doch auswählen können, was Sie ihnen vorsetzen", macht er deutlich.

Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller ist Supino Dozent an der Pädagogischen Hochschule (PH) der Fachhochschule Nordwestschweiz. Zum Hausacher Stipendium gehört eine Dozentur an der PH Karlsruhe.

Auch seinen Studenten erklärt Supino: Um guten Unterricht machen zu können, müssten sie vor allem lesen. Aber auch für ihn selbst gilt das: "Wer schreibt, der liest vor allem", sagt er.

Gerade für Kindergeschichten brauche man als Autor gute Ideen. "Ich mag Tiergeschichten nicht, das ist so eine Krankheit." Sie seien anspruchsvoller. "Man projiziert eine heile Welt ausgerechnet auf Tiere. Da schreiben oder lesen sie über Schweinchen, während Schnitzel auf dem Teller liegen."

Aufwachsen in einem Camorra-Clan als Thema

Supino ist ein unruhiger Redner, springt immer wieder auf, um etwas zu holen. Oder es lediglich im Regal zu betrachten und dann wieder mit leeren Händen zurück an den Tisch zu kommen. Als die Frage aufkommt, an welchem Projekt er derzeit arbeitet, holt er ein italienisches Buch hervor, legt es auf den Tisch. Supino recherchiert für eine Geschichte "über das Aufwachsen in einem Camorra-Clan", erklärt er. Neapel sei ohnehin eine faszinierende Stadt. So viel Stadt, so viele Menschen auf einer derart geringen Fläche: "Das ist gegenüber dem Schwarzwald schon sehr exotisch", sagt er mit einem Augenzwinkern.

Den Schwarzwald und die Region um Hausach empfindet er allerdings als abwechslungsreich. "Man denkt immer, er wäre konservierte Heimat, aber überall tut sich was, überall entsteht etwas." Das Industriegebiet in der Nähe hat es ihm angetan. "Es gibt hier viel Handwerk, das fasziniert mich. Das Schreiben ist ja auch eines, dafür braucht es genau so viel Erfahrung und Zeit." Im Industriegebiet würde es riechen und tönen wie in einer Großstadt. Als Supino das sagt, erklingt von nebenan das schrille Geräusch einer Säge. Der Nachbar saniert sein Dach. Supino lacht.

Ob aus der Camorra-Recherche etwas wird, weiß Supino noch nicht. Denn seine Ideen reifen, sie brauchen Zeit. Oft arbeitet er an verschiedenen Dingen gleichzeitig. "Ich stehe morgens nicht auf und frage: ›Franco, was schreiben wir heute?‹ Nein, so geht das nicht." Mit leidenschaftlichen Gesten führt er aus, es gebe im Grunde viel zu viel Stoff. "Die Idee ist nicht das Problem, aber den richtigen Zugang zu finden, braucht Zeit. Außerdem suche ich für jedes Buch wieder die richtige Form. Das ist für mich das Spannende."

"Ich gehe immer wandern"

Und wenn er nicht schreibt? "Ich gehe immer wandern", erklärt er an der Terrassentür stehend und gestikuliert ausladend in Richtung seiner bisherigen "Eroberungen". "Ich war schon auf dem Farrenkopf, auf dem Spitzfelsen – ich bin jeden Tag zwei bis drei Stunden draußen unterwegs. Würde ich das nicht tun, müsste ich auch nicht hier sein. Dann könnte ich auch zu Hause bleiben."

Kein Typ für Atmosphäre

Im Molerhiisle hat Supino sich eher spärlich eingerichtet. Er sei kein "Atmosphäre-Typ", erklärt er. In Regalen und auf Fensterbänken türmen sich allerdings Bücher. Ob er die alle mitgebracht hat? Ein paar schon, aber nicht alle. "Das sind die Spuren meiner Vorgänger", sagt er. Und wohl auch von Gisela Scherer, die den Hausacher Leselenz mitbegründete und 2010 verstarb. "In vielen Büchern gibt es Widmungen", sagt er nachdenklich, während er am anderen Ende des Raums vor einem Regal steht.

Dann kehrt er zurück an den Tisch, nur um einen kurzen Moment später wieder aufzuspringen und aus einem der Regale Mathias Énards "Straße der Diebe" zu holen. Den Autor habe er vor einiger Zeit auf einer Veranstaltung kennengelernt, sei aber bisher nicht dazu gekommen, sich mit diesem Roman zu befassen, für den Énard immerhin mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet wurde. Das ist der bekannteste französische Literaturpreis. "Nunkomme ich nach Hausach, und siehe da: Hier steht das Buch."

Noch einmal lässt Supino den Blick über die zahlreichen Bücher schweifen und stellt fest: "Wenn ich hier eingeschneit werde, überlebe ich den Winter."