Tim Holland (im Bild) las über den Wald. Tom Bresemann und Dagmara Kraus trugen in diesem Leseblock ebenfalls ihre Gedichte vor. Fotos: Störr Foto: Schwarzwälder-Bote

Leselenz: Lyriker wie Tim Holland, Tom Bresemann und Dagmara Kraus stellen am Samstag ihre Werke vor

Von Christine Störr

Der Leselenz-Samstag gehört in erster Linie den Lyrikern, für die es einen langen Atem der Poesie bedurfte. In der Buchhandlung "Streit." wurde zwischen dem späten Vormittag und dem frühen Abend "Vom poetischen Wort" erzählt und gelesen.

Hausach. Von Thomas Kunst und Ulf Stolterfoht über Samantha Barendson und Stéphane Korvin, Sigbjorn Skaden und Ron Winkler bis hin zu Jakobe Mansztajn und Pär Hansson entfaltete sich eine große Spannbreite der lyrischen Stimmen.

"Ich bin beseelt von dem heutigen Nachmittag", schwärmte dann auch José F. A. Oliver als Macher des Leselenzes. Das Publikum sei Zeuge "von Literatur der Welt und Weltliteratur" geworden. Mit beeindruckender und junger deutscher Lyrik ging der sehr schöne Poetik-Marathon auf die Zielgerade.

Moderator Ralf Schönefelder stellte Tom Bresemann als Autor vor, der sich gegen das Alltagsbewusstsein wende. Er suche das Material, aus dem die Gegenwart sei und wo der Mensch darin verortet werde. Für alle nicht deutschen Gäste las Bresemann dann einige seiner Text in englischer Sprache und widmete gleich das "Leitmotiv" den Briten.

Mit dichten Texten schuf er seine Bilder, sprach vom Karma Kapitalismus, der Freihandelszone zwischenmenschlicher Beziehungen und dem Notwendige, auf das er im Falle des Reichtums verzichten könne. "Vom eigenen Fleisch zu zehren ist immer noch besser, als nicht zu essen; es gibt viele Menschen auf der Erde – es gibt viele Menschen unter der Erde." Immer wieder tauchte Jesus Christus in den Texten von Tom Bresemann auf, der auch "Weiß und Mittelschicht" gewesen sei.

Am Ende gab es viel Beifall, ebenso wie für Tim Holland, der sich ganz dem Wald gewidmet hatte. Bei ihm bestach allein die Form des Buchs, das ein dichterisches und bibliophiles Gebilde aus Broschüre und Landkarte war. "Ich beginne mit der Theorie des Waldes, die ich erstmals den Praktikern im Schwarzwald vorstelle", eröffnete Tim Holland seine Lesung. Leicht und ohne Schnörkel las er: "Vollwertiger Wald ist umbaumter Raum; wer am Fluss sitzt sollte mit Steinen werfen; Wasser gibt es wie Sand am Meer; vor lauter Lichtung sieht man den Wald nicht mehr."

Die tiefgreifende Erkenntnis: "Der Maulwurf sieht nur mit den Händen gut – das wiesentliche ist für den Maulwurf unsichtbar" amüsierte das Publikum. Für die abschließende Erkenntnis: "Wald ist die neue Weltordnung" gab es viel Applaus.

Der glänzende Schlusspunkt dieses Leseblocks im tagfüllenden Format "Vom poetischen Wort" oblag Dagmara Kraus, deren Texte durch ihren Leserhythmus einen besonderen Klang bekamen.

Dass sie sich als Grundlage ihres Schaffens einer sogenannten Plansprache bediente oder Wörterbücher mit Lautschrift zur Inspiration herangezogen hatte, verlieh den Texten sowie dem Aussehen ihrer Bücher das Besondere.

Zu Beginn las sie ein unveröffentlichtes Gedicht: "Millionen flüchtige Wörter stehen am Anfang. Was soll ein Gedicht mit Millionen flüchtiger Wörter anfangen?" Erstaunlich ähnlich den aktuellen politischen Entwicklungen waren die Lösungsansätze. Die wunderbare Rezitation ihrer Gedichte war zum Abschluss dieses Lyrik-Tags ein Geschenk.