Satu Taskinen (links, sitzend) las aus ihrem Werk "Die Kathedrale", während ein Gebärdendolmetscher im Publikum das Gehörte übersetze. Helene Jarmer (rechts, stehend) gab das dann in Gebärdensprache wider. Fotos: Reinhard Foto: Schwarzwälder-Bote

Inklusionslesung mit Autorin Satu Taskinen und Gebärdensprechender Helene Jarmer als Abschluss des Leselenzes

Von Charlotte Reinhard

Hausach. Dass die Gebärdensprache eine eigene Form der Poetik hat, wurde bei der Inklusionslesung im Rahmen des Leselenzes am Dienstagabend in der katholischen Kirche in Hausach deutlich. Während die österreichisch-finnische Autorin Satu Taskinen Auszüge aus ihrem Werk vorlas, gab die Übersetzung in die Gebärdensprache den Worten einen neuen, vertiefenden Ausdruck.

Die Idee zu der neuen, ungewöhnlichen Form der Lesung hatte Michael Stavaric. An seiner Schule in Österreich habe es Gebärdensprechende gegeben und seitdem fasziniere ihn "diese seltsame, magische und zauberhafte Sprache", erklärte er. "Schon damals kam bei mir der Wunsch auf, sich mit dieser Form der Kommunikation zu beschäftigen."

Dieser Wunsch erfüllte sich am Dienstagabend bei der Inklusionslesung des Hausacher Leselenzes, die den Abschluss der Veranstaltungsreihe markierte. Satu Taskinen, deren Romana Stavaric als "kleine Kunstwerke" bezeichnete, betrat die Bühne und las aus ihrem Werk "Die Kathedrale" vor.

Neben ihr stand Helene Jarmer, Abgeordnete des österreichischen Nationalrats, und gab das Gesprochene in der Gebärdensprache wider. Sie ist selbst seit einem Unfall gehörlos und übersetzte, was der im Publikum gegenübersitzende Gebärdendolmetscher Delil Yilmaz "sagte". "Es ist Frühling, wir räumen auf, wir, die Familie: Bring raus, trag weg, wisch ab", las Taskinen und was Jarmer mit ihren Gesten sagte, gab den Worten der Autorin einen besonderen, fast sogar vollkommen neuen Ausdruck und verlieh dem Gesprochenen ein gewisses Tempo. Sätze wie "Wenn man im Leben nicht gut sein kann, was kann man sonst tun? Vorm Fernseher hocken und zusehen?" blieben so noch länger haften. Manches Mal bekam das Vorgelesene durch die Übersetzung in die Gebärdensprache auch eine komische Komponente. Die ohnehin schon augenzwinkernde Frage, ob bei einer Trauerfeier kaltes Essen wirklich angebracht gewesen sei, erhielt durch die entsprechenden Gebärden einen amüsanten Nachdruck.

Die Tatsache, dass der Übersetzungsprozess ein doppelter war, machte die Lesung auch doppelt interessant: Die Worte folgen wie ein geräuschvoller Spielball von der Bühne ins Publikum und wurden von Delil Yilmaz als stumme Worte wieder ins Rampenlicht zurückgeworfen, nur um von Helene Jarmer wieder zurückgegeben zu werden – unhörbar, aber sicht- und verstehbar.

Wer nun lauter sprach – die Gebärdensprechende oder die Autorin – fragten sich wohl einige aus dem Publikum, als Satu Taskinen plötzlich flüsterte. Damit verschwammen die Grenzen zwischen Hörbarem und Verständlichen – für den Zuhörer eine neue und interessante Erfahrung.

Eine weitere Grenzverschiebung nahmen der Chor des Robert-Gerwig-Gymnasiums und sein Partnerchor des Gymnasiums Athenaeum Stade vor: Nachdem sie schon während der Lesung ein paar Kostproben ihres Könnens gegeben hatten, führten sie unter der Leitung von Reinhardt Bäder "The Latin Jazz Mass" von Martin Völlinger auf. Lateinische, christliche Texte wurden dabei mit Lateinamerikanischer Musik vermischt. Einen Song übersetze Helene Jarmer in die Gebärdensprache, womit Musik, gesprochene Worte und lautlose Worte sowie Stille in Einklang gebracht wurden.