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Film behandelt brutalen Bediungungen in einem Heim für schwer Erziehbare, in das der 14-jährige Wolfgang gesteckt wird.

Hausach - Vor kurzem hat die Hausacherin Nicole Armbruster einen Nachwuchspreis für ihr Drehbuch zu "Freistatt" gewonnen. Der Film behandelt die brutalen Bediungungen in einem Heim für schwer Erziehbare, in das der 14-jährige Wolfgang gesteckt wird. Am heutigen Donnerstag ab 20 Uhr wird der Film in der Hausacher Stadthalle aufgeführt. Nicole Armbruster ist dabei. Zuvor sprach der SchwaBo mit ihr über das Drehbuchschreiben und "Freistatt".

Frau Armbruster, freuen Sie sich auf Ihr "Heimspiel"?

Es freut mich sehr, dass der Film auch in Hausach läuft. Damit hätte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet.

Sind Sie noch oft in der Heimat?

Mindestens zwei bis drei Mal im Jahr. Auch um meine Familie zu sehen. Und auch zu meiner Sandkastenfreundin Susanne halte ich engen Kontakt, was ich sehr schön finde.

Wie sind Sie zum Drehbuchschreiben gekommen?

Ich habe sehr spät mit dem Schreiben angefangen. Zuerst war ich Fremdsprachensekretärin. Durch Zufall habe ich dann ein Buch über das Drehbuchschreiben in die Hand bekommen. Das fand ich faszinierend. Dann bin ich nach Berlin gezogen und habe mich drei Mal an der Filmhochschule beworben und bin beim dritten Mal genommen worden. Das ist jetzt zwölf Jahre her. Ich muss sagen, je länger ich schreibe, umso demütiger werde ich dem Schreiben gegenüber. Hinter jedem Buch, das realisiert wurde, stecken auch viele Bücher, die nicht gemacht wurden.

Und wie kamen Sie zum Stoff für "Freistatt"?

Die Idee zu "Freistatt" kam von dem Regisseur und Co-Autor Marc Brummund. Er ist in der Nähe von Freistatt aufgewachsen und hat angefangen, zu dem Thema zu recherchieren. Irgendwann ist er mit dem Exposé nicht weitergekommen. Da hat mich die Redakteurin Stefanie Groß gefragt, ob ich das machen würde. Es war eine sehr gute Zusammenarbeit. Das ist nicht immer so. Man weiß ja vorher oft nicht, ob die Chemie stimmt. In dem Fall haben sich alle – Autor, Regisseur, Produzent und Redakteurin – super ergänzt.

"Freistatt" behandelt ein bedrückendes Thema. Warum haben Sie sich ausgerechnet dieses Stoffs angenommen?

Ich bin eigentlich ein sehr humorvoller Mensch. Aber offensichtlich habe ich eine Neigung zu harten Dramen. Momentan versuche ich mich aber auch mal an humorvollen Geschichten oder Krimis. Mal sehen, wie das läuft.

Wie entsteht ein Drehbuch überhaupt?

Im Fall von "Freistatt" gab es schon die Idee. Ich habe mich dann mit Wolfgang Rosenkötter getroffen, einem ehemaligen Zögling, auf dem die Geschichte teilweise basiert. Und er hat mir viel von seiner Zeit in Freistatt erzählt. Ich bin dann auch mit ihm dorthin gefahren und er hat mir vor Ort zum Beispiel die "Besinnungszelle" gezeigt, in die die Jugendlichen zur Strafe gesteckt wurden. Wir konnten uns auch die Loren anschauen, mit denen die Jugendlichen ins Moor gefahren sind. Das war alles wichtig für mich, um ein Gefühl für die Geschichte zu bekommen. Dann habe ich ein neues Treatment (Handlungsablauf) geschrieben. Das habe ich dann mehrfach umgeschrieben. Und danach bin ich ins Drehbuch gegangen, in dem man die Dialoge ausschreibt. Ich glaube, am Ende hatte ich neun oder zehn Drehbuch-Fassungen. Aus der letzten Fassung wurde von dem Regisseur noch mal eine Regie-Fassung angefertigt, der das Buch dann noch mal an die Drehorte anpassen muss.

Haben Sie noch Einfluss auf die Gestaltung des Films, wenn er in den Händen von Produzenten und Regisseur liegt?

Meist hat man nicht so viel Einfluss. Manchmal hat mir Marc ein Casting-Video zugeschickt und mich gefragt, welchen Schauspieler ich besser finde. Aber das ist eher die Ausnahme.

Wünschen Sie sich manchmal, mehr in die Produktion eingreifen zu können?

Es gibt diese Momente. Als ich gehört habe, dass wir nicht genug Geld hatten und plötzlich vierzig Minuten gestrichen werden mussten, da bin ich schon etwas explodiert. Ich muss zugeben, da war ich ganz schön verzweifelt, da hätte ich mir mehr Macht gewünscht. Aber ich glaube, diese Momente gibt es immer beim Filmemachen. Ein Film ist ein Gemeinschaftswerk, niemand kann sich dabei 100 Prozent durchsetzen und vielleicht ist das ja auch gut so. Am Ende müssen alle Kompromisse machen. Aber in dem Moment, wenn man wieder alles rausstreichen muss, woran man monatelang gearbeitet hat, ist das ganz schön hart.

Sind Sie zufrieden mit der Umsetzung von "Freistatt", oder gibt es Dinge, die Sie anders gelöst hätten?

Ich finde, das ist schon ein bemerkenswertes Debüt, das Marc da hingelegt hat. Man muss sich das vorstellen. Das war sein erster Langfilm. Und da gleich einen historischen Stoff zu meistern, 30 Jugendliche im Moor koordinieren zu müssen, und es gleichzeitig mit solchen Schauspielgrößen wie Alexander Held, Stephan Grossmann, Max Riemelt, Katharina Lorenz, Uwe Bohm und nicht zu vergessen unseren grandiosen Hauptdarsteller Louis Hofmann zu tun zu haben – das ist schon eine wahnsinnige Herausforderung. Wir Anfänger haben da sehr vom Erfahrungsschatz unseres Teams profitiert. Natürlich gibt es auch immer Dinge, die man anders gemacht hätte. Das ist bei jedem Buch so. Aber dafür gibt es auch Szenen, die schöner geworden sind, als ich sie mir im Buch vorgestellt hatte.

In Hollywood häufen sich derzeit Beschwerden von Frauen vor und hinter der Kamera, die sich nicht ernst genommen fühlen. Ist das hier ähnlich?

Ich glaube, dass das vor allem bei den Regisseurinnen ein Problem ist. Und ja, ich denke, dieses Problem gibt es auch in Deutschland. Bei den Autoren ist das noch mal anders, in dem Bereich gab es immer schon relativ viele Frauen. Aber Regisseurinnen gibt es immer noch nicht so viele, das ist leider immer noch eine Männer-Domäne. Wenn man sich mal anschaut, welche Regisseurinnen sich dauerhaft durchgesetzt haben – zum Beispiel Margarethe von Trotta und Caroline Link – dann sind das oft Frauen, die früher mal mit sehr starken und berühmten Regisseuren zusammen waren. Das soll nicht heißen, dass sie sich nicht auch anders durchgesetzt hätten, aber die Filmbranche ist und bleibt ein sehr hartes Geschäft.

Hat das etwas mit Sexismus zu tun?

Das kann ich nicht beurteilen. Von zehn Leuten, die an der Filmhochschule angenommen werden, wird vielleicht einer oder eine dauerhaft vom Beruf des Regisseurs leben können. Bei den Autoren ist das nicht anders. Man fährt da immer ein bisschen Achterbahn. Ich bin zum Glück sehr bodenständig aufgewachsen, darum bin ich sehr dankbar. Man darf die guten Zeiten nicht überbewerten, die schlechten aber auch nicht – beides wird kommen.

Sie haben eine kleine Tochter. Wie lassen sich Beruf und Familie vereinbaren?

Eigentlich geht das ganz gut. Ich sitze ja die meiste Zeit am Schreibtisch. Theoretisch kann ich überall arbeiten, zu Hause, im Büro im Café. Und mein Privileg ist – gegenüber anderen Berufen – ich kann mir die Zeit selber einteilen. Wenn meine Tochter mal krank ist, bin ich da sehr flexibel. Und da mein Freund 80 Prozent arbeitet, können wir uns beide zu gleichen Teilen um unsere Tochter kümmern. Und ich gehe kaum zu Preisverleihungen oder Festivals. In der Regel macht das der Regisseur. Ich freue mich über jeden Preis, aber ich bin nicht so der Typ, der gerne auf die Bühne geht. Dass ich mal zu einer Vorstellung gehe, wie jetzt in Hausach, ist absolute Ausnahme. Das mache ich nur, weil es meine Heimat ist. Aber das dann sehr gerne.

Welches Projekt steht als nächstes an?

Momentan schreibe ich an zwei Fernsehstoffen, einem Krimi und einem Kammerspiel. Und dann wollen Marc und ich auch bei seinem nächsten Kino-Film zusammenarbeiten. Dafür haben wir bereits eine Drehbuchförderung bekommen. Aber ich will noch gar nicht so viel dazu sagen, weil man nie weiß, was davon am Ende wirklich gemacht wird. Ich hoffe aber sehr, dass wenigstens eins der drei Bücher realisiert wird.

n Die Fragen stellte Lisa Kleinberger.