Susanne Eisenmann trug sich im Beisein des Bürgermeisters Manfred Wöhrle (rechts), der Landtagsabgeordneten Marion Gentges (Zweite von links) und des Ortsvereinsvorsitzenden Werner Kadel (links) ins Goldene Buch der Stadt Hausach ein. Foto: Reinhard

Susanne Eisenmann geht mit Bildungssystem ins Gericht. Abschneiden des Lands bei Vergleichen bereitet Sorgen.

Hausach/Mittleres Kinzigtal - Kein Blatt vor den Mund nahm Bildungsministerin Eisenmann bei ihrem Besuch am Montagabend in Hausach. Sie thematisierte unter anderem den "Absturz" des Lands bei den jüngsten Vergleichsstudien und betonte: "Wir müssen wieder Ruhe ins Bildungssystem bekommen".

"Die Bildung macht’s" – unter diesem Motto war die Bildungsministerin Susanne Eisenmann am Montagabend nach Hausach eingeladen worden. Und dieser Ansicht waren auch die sehr zahlreichen Zuhörer, die in das Feuerwehrgerätehaus strömten, um mit der Politikerin über das Bildungssystem zu diskutieren.

CDU-Ortsvereinssvorsitzender Werner Kadel und Landtagsabgeordnete Marion Gentges begrüßten Eisenmann und alle Anwesenden aus Politik und Schule. "Baden-Württemberg gründet seine Stärke auf seinen Einwohnern. Aus diesem Grund hat Bildung hier einen hohen Stellenwert", sagte Gentges und verwies dabei auf das hohe Interesse an der Veranstaltung. "Uns kann darum nicht unberührt lassen, dass Baden-Württemberg bei jüngsten Bildungsvergleichen auf den hinteren Tabellenplätzen gelandet ist".

Goldenes Buch

Bevor Eisenmann ihre Ansichten zu den Entwicklungen in der Bildung und Lösungsansätze darlegen konnte, hatte Hausachs Bürgermeister Manfred Wöhrle eine Überraschung für sie: "Bisher haben alle Bildungsminister während ihrer Amtszeit Hausach besucht. Und alle durften sich ins Goldene Buch eintragen." Mit ihrem setzte Eisenmann diese "Tradition" fort.

Ruhe und Kontinuität

Da die Ministerin erst seit einem Jahr Amt ist, waren die Zuhörer gespannt, wie sie sich bezüglich der wichtigsten Fragen in der Bildung positionieren würde. Und sie wurden teilweise überrascht. Als zentrale, wichtige Entscheidung im Rahmen der Koalitionsverhandlungen bezeichnete Eisenmann es, wieder Ruhe ins Bildungszentrum zu bringen. Sie freue sich außerdem, dass die Parteien sich einig darüber seien, allen Schularten die gleiche Wertschätzung entgegen zu bringen. Sie thematisierte aber auch den "Absturz" des Lands bei den jüngsten Bildungsvergleichen wie Vera. "Da gibt es nicht den Schuldigen. Aber vor allem gibt es nicht den einen Schalter, den man umlegt, und morgen ist alles wieder besser. Das geht nicht im Hau-Ruck-Verfahren", betonte sie.

Neue Schullandschaft

Denn die Herausforderungen, die Kinder zu stützen und zu fördern seien nun andere. Die Schullandschaft und Zusammensetzung der Klassen habe sich verändert, die Strukturen seien aber immer noch die gleichen, kritisierte Eisenmann. Zu überlegen sei auch, ob in der ersten Klasse weiter Französisch oder Englisch unterrichtet werden solle oder ob es nicht sinnvoller sei, die Stunden für Rechnen und Schreiben zu verwenden.

Schulempfehlung

Positiv bewertete sie die Entscheidung, dass beim Wechsel auf die weiterführende Schule die Grundschulempfehlung wieder vorgelegt werden muss. "Es ist selbstverständlich, dass die Eltern das beste für ihr Kind wollen. Wir wissen aber auch, dass nicht jedes Kind in der fünften Klasse im Gymnasium richtig beschult ist", so die Ministerin. Sie verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Abbrecherquote bei Studierenden, von denen der Großteil danach eine Ausbildung beginne. "Warum dann nicht gleich in eine Lehre?", fragte sie.

Lehrerversorgung

Ein zentrales Thema gerade im ländlichen Raum sei die Lehrerversorgung. "Dabei handelt es sich nicht um einen Stellen-, sondern um einen Bewerbermangel", meinte die Ministerin. Grundlegendes Problem sei die hohe Zahl an Lehrer-Pensionierungen, die eine "unglaubliche Bugwelle erzeugt, die aber nicht vom Himmel fällt", wie Eisenmann sagte. Die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen reiche nicht, denn bis diese Lehrer fertig seien, sei es schon zu spät. Es müssten andere Lösungen gefunden werden.

Simone Giesler gab als Rektorin der Hausacher Graf-Heinrich-Gemeinschaftschule von Seiten der Schulen den Impuls, dass Ruhe und Kontinuität die Schlagworte für die zukünftige Entwicklung sein sollten.

Inklusion

Ulrich Widmaier als Elternbeirat der Wolfacher Realschule hob das Thema Inklusion hervor. Als Vater eines behinderten Kinds betonte er: "Inklusion gibt es nicht zum Nulltarif", es brauche das entsprechende Personal. Außerdem habe die gemeinsame Beschulung ihre Grenzen, fand er. Bis zur fünften bis sechsten Klasse ginge das seiner Erfahrung nach meistens gut, dann entwickelten sich die Kinder in der Pubertät auseinander. "Und dann ist es schwierig, die Inklusion wieder zu verlassen", so Widmaier.

Für die Schüler sprach Anna-Lena Klausmann aus Wolfach. Auch sie kritisierte den Ausfall von Stunden und den Lehrermangel, denn: "In der Prüfung kann man nicht mehr sagen ›Das kann ich nicht, der Lehrer war nicht da‹".

Sprachunterricht

In der Diskussionsrunde fragte Alexandra Maginot, die Leiterin der Grundschule Biberach, ob beim Wegfall des Sprachunterrichts in der ersten Klasse die Stunden an der Schule bleiben würden, was Eisenmann bejahte. "Es ist angedacht, sie als Poolstunden zur freien Verfügung zu stellen", sagte sie. "So erreichen die Grundschulen die Flexibilität, Rechnen und Schreiben besser zu üben."

Digitalisierung

Stefan Mayerhöfer von der Realschule Wolfach sagte, er freue sich auf die fünf Milliarden Euro aus Berlin für die IT an den Schulen. "Aber wer pflegt diese dann?", fragte er. Die Technik müsse der Pädagogik folgen, nicht anders herum, befand Eisenmann. Viele Kinder hätten eher einen Medienoverload als zu wenig Medienbildung. Es käme auf die richtige Mischung an; manchmal sei auch ein atmodischer Frontalunterricht notwendig, um wieder Ruhe in die Klasse zu bringen. Wichtig sei auch, dass die Digitalisierung aufeinander aufbaue. Die besten Laptops nützten ohne W-Lan nicht viel. "Wir sind da in Verhandlungen mit den Kommunen, um das gemeinsam hinzubekommen", so die Ministerin.

INFO

Zahl der Schulen

2382 Grundschulen erfasste das statistische Landesamt im Schuljahr 2015/16 in Baden-Württemberg, 210 davon waren Gemeinschaftsschulen. 2012/13 waren es noch 41 gewesen, 2013/14 bereits 87. In der Sekundarstufe eins wurden 2015/16 271 Gemeinschaftsschulen gezählt. Werkreal- und Hauptschulen gab es 747. Desweiteren wurde an 429 Realschulen und 378 Gymnasien unterrichtet. Außerdem gab es 414 Sonderschulen und 59 Waldorfschulen.